Weniger Kaufkraft Inflation frisst Lohnerhöhungen auf

Eigentlich sind die Löhne im zweiten Quartal deutlich gestiegen – aber die Inflationsrate liegt noch höher. Unter dem Strich können sich die Menschen weniger von ihrem Geld kaufen.
Reallohnverlust: Mehr Geld – und trotzdem weniger Schoki

Reallohnverlust: Mehr Geld – und trotzdem weniger Schoki

Foto: Carmen Jaspersen / dpa

Deutschlands Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben wegen der hohen Inflation trotz Lohnsteigerungen weniger Geld in der Tasche.

Zwar waren die Löhne einschließlich Sonderzahlungen im zweiten Quartal 2022 um 2,9 Prozent höher als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt errechnet hat. Weil die Verbraucherpreise in diesem Zeitraum jedoch um 7,6 Prozent stiegen, ergab sich nach Angaben der Wiesbadener Behörde vom Montag unter dem Strich ein deutlicher Reallohnverlust.

Den preisbereinigten Verdienstrückgang bezifferten die Statistiker auf 4,4 Prozent. Bereits im ersten Quartal des laufenden Jahres waren die Reallöhne um 1,8 Prozent zum Vorjahresquartal gesunken.

Nun hat die hohe Teuerungsrate den Nominallohnanstieg erneut mehr als aufgezehrt. Ein größeres Minus gab es zuletzt zu Beginn der Coronakrise im Frühjahr 2020, als die massenhafte Kurzarbeit auf die Verdienste durchschlug. Schon im ersten Quartal 2022 waren die Reallöhne gesunken, wenn auch mit 1,8 Prozent deutlich schwächer.

Im laufenden Jahr hält sich die Inflation seit Monaten hartnäckig über der Marke von sieben Prozent, auch wenn es zuletzt dank staatlicher Entlastungen etwas Entspannung gab. Im Herbst könnte sich die Entwicklung aber wieder verschärfen. Zum einen wird mit weiteren Preissteigerungen in Energiesektor gerechnet, zum anderen Unternehmen zunehmend ihre gestiegenen Kosten über die Preise ihrer Produkte an die Verbraucher weitergeben. Überdies läuft zum Monatswechsel der Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket aus; beide Maßnahmen haben preisdämpfend gewirkt.

So mager dürfte es in diesem Jahr weitergehen

Auch auf das Gesamtjahr gerechnet droht vielen Beschäftigten ein Kaufkraftverlust. So gleichen die bislang vereinbarten Tariferhöhungen den starken Inflationsanstieg bei Weitem nicht aus, wie das Tarifarchiv des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) berechnete. Nach den bisher vorliegenden Abschlüssen dürften die Tariflöhne 2022 durchschnittlich um 2,9 Prozent wachsen. Nach Abzug der erwarteten Inflationsrate sinken sie demnach real jedoch um 3,6 Prozent. »Nachdem die Tariflöhne in den Zehnerjahren real relativ deutlich zugenommen haben, drohen 2022 für viele Beschäftigte im zweiten Jahr in Folge Reallohnverluste«, sagte der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulten.

Aus einer Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) vor zwei Wochen ging hervor, dass die Teuerung in Deutschland derzeit sozial sehr ungerecht wirkt. Demnach lag die Inflation für Familien mit niedrigem Einkommen fast einen Prozentpunkt höher als die allgemeine Inflationsrate, für Singles mit hohem Einkommen einen guten Prozentpunkt niedriger.

Dass Haushalte mit niedrigen Einkommen besonders stark von der Inflation belastet sind, liegt laut IMK daran, dass die aktuell größten Preistreiber – Haushaltsenergie und Lebensmittel – bei ihren Ausgaben eine besonders große Rolle spielen.

In dieser Lage werden Forderungen nach neuen staatlichen Hilfen laut. In einem Entwurf der SPD-Bundestagsfraktionsführung für die Klausurtagung am 1. und 2. September wird etwa ein ganzes Maßnahmenbündel vorgeschlagen, wie Bürger entlastet und die Energieversorgung gesichert werden können. Dazu zählen eine Gas- und Strompreisbremse, die Reform der gerade erst beschlossenen Gasumlage, notfalls der staatliche Einstieg bei Energieversorgern und Direktzahlungen an Ärmere.

mamk/dpa-AFX/Reuters
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