Inflationsangst Industriestaaten suchen Exit-Strategie für Konjunkturprogramme
Berlin - Der Auftrag erweckt den Eindruck einer sorgfältig entwickelten Strategie. Noch bevor ein Ende der weltweiten Wirtschaftskrise in Sicht ist, wollen die Finanzminister der G-8-Staaten ein Konzept entwickeln, wie sie aus dem verhängnisvollen Kreislauf von Konjunkturprogrammen und überbordenden Staatsschulden ausbrechen und gleichzeitig den heraufziehenden Inflationsgefahren begegnen können.
Auch wenn die Runde sich keineswegs einig ist, ob sich ein Ende der Krise erahnen lässt oder ob der Abschwung lediglich eine Pause macht - der Wunsch nach einer Handlungsanleitung für die Zeit danach eint alle.

G-8-Finanzminister: Kaum mehr als Allgemeinplätze zu erwarten
Foto: IVAN TORTORELLA/ APSolch eine "Gebrauchsanweisung" sollen jetzt die Experten des Internationalen Währungsfonds entwerfen. Eine Aufgabe, die auf den ersten Blick ganz einfach scheint: "Es wird vorrangig darum gehen, die Liquidität wieder zu reduzieren, mit der die Wirtschaft in den vergangenen Monaten ausgestattet worden ist. Und um die Frage, wie die nationalen Budgetdefizite reduziert werden können", sagt Joachim Scheide, Konjunkturexperte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Der Abbau der Liquidität erfolge in der Regel über die Anhebung der Leitzinsen und den Verkauf von Anleihen, die Konsolidierung der Haushalte über Ausgabenkürzungen und zusätzliche Steuereinnahmen.
Doch so einfach klingt das nur in der Theorie. Konkret, so erwarten es Ökonomen, dürften kaum mehr als Allgemeinplätze in dem Strategiepapier stehen. Zu unterschiedlich sind die Voraussetzungen, Interessen und Traditionen in den beteiligten Ländern. Henning Vöpel vom Hamburger Weltwirtschaftsinstitut beschreibt eine der wichtigsten Konfliktlinien so: "Die Federal Reserve wird der US-Tradition folgend Beschäftigung und Wachstum einen höheren Stellenwert einräumen als der Bekämpfung der Inflation. Die Europäische Zentralbank legt dagegen mehr Wert auf Geldwertstabilität."
Auch für den Abbau von Staatsschulden gibt es kein Patentrezept. Während die USA in der Vergangenheit eher den Weg über Steuersenkungen suchten und durch Stimulierung der Wirtschaft zusätzliche Staatseinnahmen generierten, drehen die Europäer nicht selten an der Steuerschraube. "In Deutschland würde sich die Anhebung der Mehrwertsteuer anbieten", sagt Christian Dreger vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Institutschef Klaus Zimmermann hatte sich erst vor kurzem dafür ausgesprochen, den Satz auf 25 Prozent zu erhöhen.
Dreger sieht derzeit "noch nicht einmal Klarheit darüber, in welchem Umfang die Staatshaushalte belastet werden". So sei in Deutschland die Auflage eines dritten Konjunkturpakets noch immer nicht vom Tisch. Auch die gewährten Bürgschaften enthielten unkalkulierbare Risiken: "Die Belastungen für den Staat könnten noch sehr groß werden."
Für die Euro-Gruppe droht die Debatte über den richtigen Konsolidierungskurs zur echten Belastungsprobe zu werden. "Die Diskussionen über die Einhaltung des Stabilitätspakts in der Vergangenheit dürften wie eine Rauferei unter Kindern wirken im Vergleich zu dem, was wir im Anschluss an die Krise zu erwarten haben", sagt Vöpel. Zu groß sei der Anreiz für einige Staaten, sich auf Kosten der Nachbarn zu sanieren. Auf der anderen Seite bestehe für die Eurozone aber Grund zur Hoffnung: Immerhin existierten mit dem Stabilitätspakt bereits eingespielte Mechanismen des Ausgleichs.
Allerdings, auch bei bestem Willen der Beteiligten bleiben Konflikte unvermeidlich. Zu unterschiedlich sind Ausmaß und Dauer der Krise selbst in den Staaten des Euro-Raums. Und die Frage, wer die größten Lasten der Konsolidierung zu tragen hat, wird in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich diskutiert.
Konkrete Vorschläge sind zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht zu erwarten - weder vom IWF noch von den einzelnen Regierungen. "Kaum eine Regierung wird sich mit der Ankündigung schlechter Nachrichten unbeliebt machen, wenn noch nicht einmal feststeht, wann die Maßnahmen überhaupt angesagt sind. Der Vorlauf ist einfach noch zu lang", sagt Vöpel.
Für Deutschland im Vorwahlkampf gilt das erst recht.