Interview mit Florian Homm "Sie haben sich mit einem Pitbull angelegt"
3. Teil: Homms mächtige Feinde - "In Caracas haben sie mich angeschossen"
Am 18. September 2007 verschwand Florian Homm aus dem Leben, das er bis dahin geführt hatte. In einer Mitteilung ließ er seinen Rückzug aus der von ihm gegründeten Fondsholding ACMH verkünden. Innerhalb weniger Stunden brach der Aktienkurs um fast 90 Prozent ein. Viele Investoren zogen panikartig ihr Geld ab.
Homms Abgang war lange ein Rätsel. In seinem Buch beschreibt er, wie er am Morgen seines Verschwindens, vollgepackt mit Geldbündeln, ein Privatflugzeug in Palma de Mallorca besteigt. Es soll ihn zunächst nach Valencia und später nach Kolumbien gebracht haben. Unter falschem Namen lebte er dort angeblich in der Stadt Cartagena - zunächst abgeschottet in einer Kolonialvilla, später offener und reiselustiger, aber stets mit unterschiedlichen Identitäten.
SPIEGEL ONLINE: Wovor sind Sie im September 2007 geflohen?
Homm: Ich möchte ungern von Flucht sprechen. Ich war immer über meinen Anwalt zu erreichen, nur eben nicht mehr für jeden. Meine 300 Telefonate am Tag habe ich auf zwei im Monat runtergefahren. Ich habe mich abgeschottet. Der Hauptgrund war eine innere Leere. Ich hatte meine Ehe total verhunzt. Mein Chauffeur hatte einen weitaus besseren Kontakt zu meinen Kindern als ich. Das war ein bisschen armselig. Ich fand mich damals auch nicht mehr besonders sympathisch. Es war höchste Zeit, einen Sinn in meinem Leben zu entdecken.
SPIEGEL ONLINE: Und? Haben Sie diesen Sinn in den vergangenen fünf Jahren gefunden?
Homm: Ich fühle mich zumindest besser, wenn ich mich auf Liberia und auf mein Wohltätigkeitsprojekt Maximum Impact Medicine fokussiere. Ich habe gemerkt: Ich brauche keine 1300 Quadratmeter zum Leben. Ich muss keinen Rolls-Royce Corniche fahren und brauche auch keine zwei Jets auf dem Flughafen. Es muss nicht immer bis zum Exzess konsumiert werden. Diese Einsicht kam nicht über Nacht, das war ein langer, schwerer Prozess.
SPIEGEL ONLINE: Kann man zur Ruhe kommen, wenn man in der ganzen Welt gesucht wird?
Homm: Wer sucht mich denn? Es gibt eine Zivilklage in den USA und Ermittlungen in Europa, bei denen ich hundertprozentig kooperiere. Diesen Dingen kann ich mich stellen oder nicht. Aber das hat doch nichts damit zu tun, dass ich gesucht werde.
SPIEGEL ONLINE: In Ihrem Buch schreiben Sie, Sie hätten lange nur mit Sonnenbrille geschlafen, um nicht entdeckt zu werden.
Homm: Das hängt aber eher mit meinem geschäftlichen Umfeld zusammen. Ich habe mit vielen Leuten Geschäfte gemacht, und da waren nicht nur nette Leute dabei. 2003 waren meine Kinder bei einer Entführung gefährdet, 2006 haben sie mich in Caracas angeschossen. Und es gibt da ein paar Hinweise, dass das nicht nur ein plumper Raubmord war.
SPIEGEL ONLINE: Welche Hinweise?
Homm: Ich hatte eine Limousine angefordert mit Panzerglas und Bodenschutz. Was hab' ich bekommen? Einen verdammten Nissan ohne Schutz. Ich hatte gesagt: Ich brauche einen Fahrer und einen Bodyguard mit Knarre. Und wer kam? Ein Fahrer - kein Bodyguard, keine Knarre. Meinem Beifahrer wird ins Knie geschossen und mir aus 80 Zentimetern in die Brust - da macht man sich dann schon Gedanken drüber.
SPIEGEL ONLINE: Wer könnte es damals auf Sie abgesehen haben?
Homm: Das habe ich mich auch gefragt. Als ich auf ein Dutzend Leute gekommen war, habe ich dann aufgehört zu zählen. In letzter Zeit habe ich mir wieder ähnliche Gedanken gemacht. Hells Angels? Russenmafia? Mir sind zu jeder dieser Gruppen ein paar Leute aus meinem früheren geschäftlichen Umfeld eingefallen.
SPIEGEL ONLINE: Da dürfte es umso schwerer sein, sich zu entspannen.
Homm: Ich wünsche niemandem, einen Monat lang mein Leben zu führen. Dann müsste er sich nämlich freiwillig in der Nervenheilanstalt melden. Ich habe da einen Vorteil: Der Stirnlappen meines Gehirns ist nicht voll ausgeprägt, deshalb ist mein Risikobewusstsein unterentwickelt und auch die Schmerzempfindlichkeit ist relativ niedrig. Ich habe also ganz gute Voraussetzungen, damit klarzukommen.
SPIEGEL ONLINE: Wenn man Ihr Buch liest, scheint es kein Zufall zu sein, dass Sie so viele zwielichtige Figuren als Feinde haben. Schon in Ihrer Jugend haben Sie den Kontakt zu Kriminellen und Halbwelttypen gesucht.
Homm: Ich glaube, ich habe das Abenteuer gesucht. Dinge wie Familie oder gesellschaftliche Stellung waren mir nie wichtig. Meine Welt bestand aus Ehrgeiz, Erfolg, Sport und Kohle machen. Ich war auf einer Top-Uni, habe als Diplomat gearbeitet und sechs bis sieben Sprachen gesprochen. Wenn das, was ich tat, hier und dort an die Halbwelt grenzte, hat mich das nicht gestört. Das gehört bei einem bewegten Abenteuerdasein zum Programm.
SPIEGEL ONLINE: Hat Ihnen Ihre Skrupellosigkeit geholfen, so schnell so reich zu werden?
Homm: Wie wollen Sie denn bitte von null auf 400 Millionen Euro durchstarten, wenn Sie nur nett Hände schütteln und 0,3 Prozent Fondsgebühren verlangen? Im wirtschaftlichen Umfeld damals gab es Marktlücken wie Neuemissionen, Wagniskapital und auch Leerverkauf. Und da bin ich mit Brachialgewalt reingestoßen.
SPIEGEL ONLINE: Erwarten Sie, dass Ihre Familie Ihnen vergibt?
Homm: Ich habe mich wirklich sehr darum bemüht - ich habe meine Kinder schriftlich um Vergebung gebeten. Und sie haben sehr großzügig reagiert. Ich hatte kürzlich sogar das Privileg, etwas mit ihnen zusammen zu unternehmen. Ich muss dabei natürlich vorsichtig sein, dass ich keine Kollateralschäden anrichte. Eine Kugel, die mich treffen soll, kann ja auch immer mal jemand anderen erwischen.
- 1. Teil: "Sie haben sich mit einem Pitbull angelegt"
- 2. Teil: Wie alles begann - "Meine Skrupel waren total unterentwickelt"
- 3. Teil: Homms mächtige Feinde - "In Caracas haben sie mich angeschossen"