Interview mit Puma-Chef Zeitz "Nicht immer aufs Finale schielen"

Bis 2010 will Puma-Chef Jochen Zeitz den Umsatz des Sportartikelherstellers verdoppeln - und gleichzeitig das Image als Individualisten-Label verteidigen. Im SPIEGEL-ONLINE-Interview erklärt Zeitz, wie er den schwierigen Spagat meistern will und warum HSV-Spieler seine Turnschuhe nicht mögen.

SPIEGEL ONLINE: Herr Zeitz, Sie betonen gern, dass Sie bei der WM mehr Teams ausstatten als Adidas. Aber mit großen Stars wie David Beckham oder Ronaldinho können sie nicht aufwarten. Zu teuer?

Jochen Zeitz: Unsere Stars sind die zwölf Mannschaften, die wir unter Vertrag haben – in denen spielen auch viele Top-Fußballer. Mit einer Kampagne, die auf einen einzelnen prominenten Spieler abzielt, sind erhebliche Risiken verbunden. Was, wenn der am Ende gar nicht aufgestellt wird, sich verletzt oder wenn seine Mannschaft früh ausscheidet?

SPIEGEL ONLINE: Nun setzen Sie vor allem auf afrikanische Teams - das ist auch nicht grade ein Garant, im Finale präsent zu sein.

Zeitz: Wir sponsern ja immerhin auch Italien und Tschechien. Aber abgesehen davon wollen wir weg von diesem typischen Denken, das immer nur aufs Finale schielt. Wir wollen den Spaß am Fußball zeigen. Wenn eine afrikanische Mannschaft drei Super-Partien spielt und trotzdem nach der Vorrunde nach Hause fährt - es wird dennoch gefeiert. Das ist nicht dieser ständige Fokus auf den Sieg.

SPIEGEL ONLINE: Nun hat der afrikanische Fußball ja auch seine Schattenseiten. Immer wieder wird der Vorwurf laut, die Naivität von Nachwuchsspielern würde international gnadenlos ausgenutzt. Puma wird vorgeworfen, die Verhältnisse zu romantisieren.

Zeitz: Das kann ich absolut nicht nachvollziehen. Für viele Afrikaner bietet der Fußball schließlich Chancen für eine Top-Karriere. Aber wenn man will, kann man alles kritisieren - das führt nur zu Stillstand.

SPIEGEL ONLINE: Bei der WM 1954 hießen die Turnschuhe der deutschen Nationalmannschaft "Oberliga", heute haben sie Namen, die eher an Computerchips erinnern. Ihr WM-Schuh heißt V1.06 - was soll das eigentlich heißen?

Zeitz: V steht für velocity, also Schnelligkeit, und die eins sozusagen für unser Nummer-eins-Produkt. 06 steht für das Jahr 2006. Das dazugehörige Trikot ist mit etwas über 100 Gramm das leichteste auf dem Markt. Es ist verschweißt und ist aerodynamisch geschnitten...

SPIEGEL ONLINE: Ist das nicht ein bisschen übertrieben?

Zeitz: Nein, das bringt bei einem Sprint über 20 Meter einen Vorsprung von circa 75 Zentimetern.

SPIEGEL ONLINE: In den letzten Jahren haben Sie Puma immer mehr zum Lifestyle-Label gemacht. Wofür stehen Sie denn nun - Sport oder Mode?

Zeitz: Wir starten immer vom Sport auf. Die Sachen sollen aber nicht nur funktionell sein, sondern eben auch gut aussehen.

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie damit zu kämpfen, dass man Sie zu sehr als Modekonzern sieht - und deshalb als Sporthersteller nicht mehr für kompetent hält?

Zeitz: Nein, denn es ist doch jedem klar, dass wir uns bei unserer Historie auf den Sport verstehen. Wir interpretieren ihn heute jedoch moderner.

SPIEGEL ONLINE: Beim HSV, den sie offiziell ausrüsten, weigerten sich einige Spieler, ihre Schuhe zu tragen. Khalid Boulahrouz zahlte sogar lieber 25.000 Euro Strafe statt nachzugeben. Nun haben Sie sich darauf geeinigt, dass er bis zum Ende seines Vertrags weiter in Nike spielen darf.

Zeitz: Das Problem liegt da wohl eher im Kopf als am Fuß. Aber der Fall ist die Ausnahme und inzwischen bereinigt. Solche Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn andere Spieler einen Vertrag mit einem Wettbewerber haben und dann auf Puma umsteigen sollen, ohne dafür finanziell kompensiert zu werden.

SPIEGEL ONLINE: Wie lang funktioniert das noch: Sportkleidung als Fashionartikel zu vermarkten? Moden sind vergänglich - vielleicht will bald niemand mehr Turnschuhe als Accessoire tragen.

Zeitz: Das glaube ich nicht. Sport findet ja heute nicht mehr nur auf dem Sportplatz statt, er gehört zum Alltag. Deshalb wird das Design künftig sogar noch eine größere Rolle spielen. Unsere Golfkollektion, die wir vor kurzem gestartet haben, ist dafür ein Beispiel. Die Produkte lassen sich auch gut auf der Straße tragen.

SPIEGEL ONLINE: Wirklich? Golf ist ja nun nicht gerade ein Massensport.

Zeitz: Da haben Sie wohl vor allem Deutschland vor Augen. In Japan und in den USA ist Golf viel weniger elitär. Außerdem ist Puma ja immer noch eine Marke für Individualisten.

SPIEGEL ONLINE: Lässt sich dieses Image halten? Immerhin peilen Sie mittelfristig einen Jahresumsatz von 3,5 Milliarden Euro an. Dafür müssen sie eine ganze Menge Sportsachen verkaufen.

Zeitz: Selbst mit einem solchen Umsatz werden wir im Vergleich zu anderen Wettbewerbern noch ein kleinerer Spieler sein. Unser stärkstes Wachstum werden wir außerdem eher in den Märkten erzielen, wo Puma bislang noch nicht so stark präsent ist, in den USA und China zum Beispiel.

SPIEGEL ONLINE: Sportartikelhersteller - Puma eingeschlossen - stehen nach wie vor in der Kritik wegen der vermeintlich bitteren Arbeitsbedingungen bei ihren Zulieferern in Asien.

Zeitz: Bei uns gibt es weltweite Standards für die Produktionsbedingungen, da nehmen wir eine Vorreiterrolle ein. Aber perfekt ist man nie, der Weg ist das Ziel.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben in Asien auch noch mit einem anderen Problem zu kämpfen: der Produktpiraterie.

Zeitz: Es ist ja auch eine Art Kompliment, dass Puma kopiert wird. Vor 13 Jahren hat das niemand gemacht. Aber trotzdem entsteht uns dadurch natürlich Schaden. Wir haben letztes Jahr eine Million Plagiate in China beschlagnahmt. Ich glaube aber, dass sich das Problem in fünf bis zehn Jahren von selbst erledigt hat. China soll in den nächsten Jahren zu einem unserer drei größten Absatzmärkte werden - dadurch wird die Marke präsenter, so dass sich die Verbraucher mit Kopien nicht mehr zufrieden geben werden.

SPIEGEL ONLINE: Sie glauben, dass das Markenbewusstsein dort genau so hoch ist wie hier?

Zeitz: Ja, absolut. Alle, die es sich leisten können, haben genau so ein modisches Markenbewusstsein entwickelt wie Europäer auch. Und die Mittelschicht wird in China immer stärker.

SPIEGEL ONLINE: Kann man denn die Marke in China so positionieren, wie in Europa oder den USA? Individualismus spielt in den asiatischen Kulturen doch eher eine untergeordnete Rolle.

Zeitz: Die Bedenken teile ich nicht. Der Markt in China stellt sich derzeit schon so dar wie der europäische Sportmarkt vor zehn Jahren. Wenn man heute durch die Straßen von Shanghai oder Peking läuft, sieht man, wie modisch viele Chinesen schon heute orientiert sind.

Das Interview führten Michael Kröger und Anne Seith

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