Zur Ausgabe
Artikel 29 / 81

AUTOERSATZTEILE Ist ein Teufelskreis

Viele Autohändler verlangen deutlich höhere Ersatzteilpreise als von den Konzern-Zentralen empfohlen. Insbesondere VW-Vertretungen forcieren das Aufschlagspiel.
aus DER SPIEGEL 46/1977

Das Ding hat knapp DIN-A 4-Format und wird aus fester Kunststoff-Folie gestanzt. Es kostet bei der Firma Deukula in München 17,50 Mark -- und kann einem VW-Audi-Reparaturbetrieb auf einen Schlag zu erstklassigen Renditen verhelfen.

Die Deukula-Folie ist ein getreues Abbild der miniaturisierten Computer-Preisliste für alle Ersatzteile des Volkswagenwerkes. Das Münchner Produkt hat allerdings einen entscheidenden Vorteil: Steckt ein Händler die Deukula-Folie statt der Wolfsburger Original-Folie in seinen Computer, dann druckt das Gerät auf Knopfdruck für jedes Ersatzteil einen Rechnungsbetrag aus, der um den bei Deukula bestellten Prozentsatz die vom Konzern empfohlenen Preise überbietet.

Deukulas Folie wird in drei Varianten angeboten -- mit Zuschlägen von 5, 7,5 und 10 Prozent auf die unverbindlichen Preisempfehlungen des Volkswagenwerkes. Varianten mit 15 und 20 Prozent sollen in Arbeit sein.

Genügend Nachfrage auch für die höherwertigen Folien scheint heute schon garantiert. »Seit 1975 hat sich das Aufschlag-Unwesen wie ein Schwelbrand ausgebreitet«, klagt Max Danner, Reparatur- und Schadens-Experte der Allianz-Versicherung. Zuerst waren es relativ wenige Reparaturbetriebe, die meist nur bescheidene Zuschläge auf die Werkspreise riskierten.

Doch bald kamen immer mehr Autohändler auf den Geschmack, die Aufschläge wurden immer deftiger. Danner: »Das ist ein Teufelskreis.«

Der Kreisverkehr wurde ausgerechnet durch ein Gesetz gestartet, das den Konsumenten niedrigere Preise bringen, die Händler und Werkstätten unter Konkurrenzdruck setzen sollte. Die Aufhebung der Preisbindung der zweiten Hand auch bei Automobilen und Autoteilen, so hoffte der Gesetzgeber, werde in der Branche zu mehr Wettbewerb und damit zumindest tendenziell zu niedrigeren Preisen führen.

Doch was bei Schnaps und Zahnpasta funktionierte, konnte bei den Autoteilen nicht aufgehen. Kaum ein Kunde kennt die Preisempfehlung des Autoherstellers.« Die Händler glauben«, meint VW-Verkaufschef Werner P. Schmidt, »die Kunden sehen bei den Teilen nicht so genau hin.«

Die Kalkulatoren in den Werkstätten nutzten diese Chance. Nach Bedarf oder Belieben zogen sie ihre Preisforderungen hoch.

Von steigenden Reparaturrechnungen aufgeschreckt, startete die Allianz 1976 eine erste Groß-Untersuchung. Ergebnis: Die Unsitte, mehr zu verlangen als empfohlen, war schon ein Jahr nach dem Gesetz zur Aufhebung der Preisbindung weit verbreitet. Rund 65 Prozent der geprüften VW-Betriebe kassierten Aufschläge. Jeder dritte Ford-Händler und jede vierte Opel-Vertragswerkstatt gab sich mit den von den Konzernzentralen empfohlenen Preisen nicht zufrieden.

Auf Preisdisziplin stießen die Allianz-Rechercheure nur bei den Import-Marken und bei Daimler-Benz: Die einen standen unter heftigem Konkurrenzdruck der deutschen Autofirmen (der Anteil der Ausländer sank bei den Neuzulassungen von 1974 bis 1976 von 26,7 Prozent auf 21,7 Prozent), die Stuttgarter dagegen haben dank einer Vielzahl eigener Niederlassungen weitgehende Kontrolle über die Werkstatt-Preise.

Eine zweite Allianz-Aktion brachte bald darauf den Beleg dafür, daß der Trend immer breiter und steiler wurde. Von 180 VW-Werkstätten begnügten sich nur noch 7,5 Prozent mit den empfohlenen Preisen, weitere 7,5 Prozent waren mit kleineren Aufschlägen zufrieden. Der Rest gönnte sich Zusatz-Gagen von fünf bis 15 Prozent.

Gespielt wird das Aufschlag-Spiel, so Danner, nach festen Regeln. Sobald in einer Region einer der führenden Händler zuschlägt, folgen in kürzester Frist alle anderen nach. Damit ist das überhöhte Preisniveau »ortsüblich« und ein Prozeß gegen einzelne Händler völlig aussichtslos. »Das Gericht«, so Danner, »entscheidet immer nach dem ortsüblichen Preisniveau und nimmt als Basis nicht etwa den vom Hersteller empfohlenen Preis.«

Die VW-Händler freilich wollen vom Vorwurf ungerechtfertigter Preistreiberei nichts wissen. Sie schieben die Schuld nach Wolfsburg.

»In den letzten beiden Jahren«, meint der Sprecher des VW-Händler-Beirates Hans Turnwald, »ist es so geworden, daß die empfohlenen Preise heute sicherlich zu niedrig angesetzt sind.« Im Reparaturgeschäft würden von vielen Firmen »Verluste gemacht werden«.

Derlei Argumenten vermögen die Wolfsburger nicht zu folgen: Die Teilepreise seien regelmäßig angepaßt worden. Und die Händler hätten je nach Größe und Art des Ersatzteils immerhin eine Spanne zwischen 28 und 40 Prozent. VW-Vorstand Schmidt: »Diese Rabatte sind völlig ausreichend.«

Allianz-Experte Danner will sich in den Streit nicht einmischen. Lediglich in einem Punkt ist er seiner Sache sicher: Die Versicherungen werden die Aufschläge in den Reparaturrechnungen den Autofahrern weiterreichen. Und die müssen dann »die Früchte in Form höherer Prämien« verdauen.

Mehr lesen über

Zur Ausgabe
Artikel 29 / 81
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren