IWF-Prognose Ukrainekrieg kann Weltwirtschaftsordnung fundamental ändern

Kriegszerstörungen in Kiew: »Der Konflikt ist ein schwerer Schlag für die Weltwirtschaft«
Foto: Vadim Ghirda / APRusslands Angriffskrieg in der Ukraine könnte dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge zu tiefgreifenden Veränderungen führen. »Der Krieg kann die weltweite wirtschaftliche und geopolitische Ordnung grundlegend verändern, wenn sich der Energiehandel verschiebt, sich Lieferketten verändern, Zahlungsnetzwerke zerfallen und Länder neu über ihre Währungsreserven nachdenken«, teilte die Organisation auf ihrer Website mit.
Der Konflikt sei »ein schwerer Schlag für die Weltwirtschaft«, der das Wachstum beeinträchtigen und die Preise in die Höhe treiben werde, so der IWF weiter. Er verwies auf ein erhöhtes Risiko von Unruhen in einigen Regionen – von Afrika über Lateinamerika bis zum Kaukasus und Zentralasien. Zudem werde die Ernährungsunsicherheit in Teilen Afrikas und des Nahen Ostens zunehmen, da Länder wie Ägypten 80 Prozent ihres Weizens aus Russland und der Ukraine importieren.
Länder im Kaukasus und in Zentralasien mit engen Handels- und Finanzverflechtungen zu Russland dürften zudem stärker von der dort erwarteten Rezession und den Sanktionen betroffen sein, unter denen Warenaustausch, Überweisungen, Investitionen und Tourismus leiden könnten.
Für die Ukraine und Russland sagt der IWF eine tiefe Rezession voraus. In Europa könne es zudem zu Unterbrechungen bei den Erdgasimporten und größeren Störungen der Lieferketten kommen. Der IWF hat bereits signalisiert, seine bisherige Prognose für das globale Wirtschaftswachstum von 4,4 Prozent für das laufende Jahr zu senken. Die neuen Vorhersagen sollen am 19. April veröffentlicht werden.
Bundesregierung sieht massive Gefahren für den Aufschwung
Auch die Bundesregierung warnt wegen des russischen Einmarsches vor Gefahren für den Aufschwung in Deutschland. »Der russische Angriffskrieg in der Ukraine birgt substanzielle Risiken für die deutsche Konjunktur«, heißt es im am Mittwoch veröffentlichten Monatsbericht des Bundeswirtschaftsministeriums. Die genauen Auswirkungen ließen sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht seriös beziffern. »Sie hängen stark von der Dauer und der Intensität des Konflikts ab.«
Seit Beginn der militärischen Invasion habe es extreme Preissteigerungen bei Energie und Rohstoffen gegeben, schreiben die Experten von Ressortchef Robert Habeck. »Auch Handelsströme und Lieferkettenbeziehungen sind stark beeinträchtigt«, Die Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung bleibe hoch.
Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland spürten den Konflikt vor allem an den stark gestiegenen Energiepreisen. »Die hohen Inflationsraten dürften den privaten Konsum im Jahresverlauf dämpfen«, sagte das Ministerium voraus. Im Februar war die Inflationsrate auf 5,1 Prozent hochgeschnellt, getrieben vor allem durch teure Energie. Die weitere Entwicklung lasse sich kaum verlässlich vorhersagen.
Bundesbankchef Nagel erwartet weiterhin Aufschwung
Bundesbankchef Joachim Nagel rechnet unterdessen nicht mit einer Mischung aus Konjunkturflaute und starker Inflation in Deutschland. »Eine Stagflation erwarte ich derzeit nicht, auch wenn die Auswirkungen des Kriegs die Inflationsrate erhöhen und das Wirtschaftswachstum schwächen werden«, sagte Nagel dem »Handelsblatt «. Zwar sei der Arbeitsmarkt bereits angespannt. Zudem seien auch wegen des Fachkräftemangels Probleme in Deutschland absehbar. »Wir haben aber gegenwärtig keine Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale«, sagte der Notenbanker. »Und wir gehen weiterhin von einem Aufschwung aus – er wird sich wohl nur verzögern.«

Bundesbankpräsident Nagel (Archivbild): »Der Aufschwung wird sich nur verzögern«
Foto:Britta Pedersen / dpa
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt war 2021 wegen der Erholung von der Coronakrise um 2,9 Prozent gewachsen. Für 2022 haben viele Ökonomen ihre zuvor optimistischen Wachstumsprognosen wegen des Kriegs in der Ukraine gesenkt.