Streit über Griechenland-Hilfe Das falsche Spiel des IWF

Proteste in Griechenland: Euro-Retter streiten über Sparkurs
Foto: YIORGOS KARAHALIS/ REUTERSGemeinsam haben sie mehrere Pakete zur Euro-Rettung geschnürt. Doch jetzt bildet sich ein Riss zwischen den Partnern: Nachdem der Internationale Währungsfonds (IWF) am Mittwoch in einem Bericht das Krisenmanagement der Euro-Retter angeprangert hatte, schoss die EU-Kommission am Donnerstag zurück. Die IWF-Vorwürfe seien "falsch und unbegründet", sagte Simon O'Connor, der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn.
Der IWF hatte unter anderem bemängelt, dass der Schuldenschnitt in Griechenland nicht schon 2010, sondern erst verspätet 2012 erfolgte. Auch habe man die wirtschaftlichen Folgen des Sparkurses unterschätzt, hieß es in dem Bericht. Beides habe die Lage in Griechenland verschlimmert. Es war eine selbstkritische Bestandsaufnahme drei Jahre nach dem ersten Rettungspaket für das Land.
Die EU-Kommission hingegen, die zusammen mit dem IWF und der Europäischen Zentralbank (EZB) die Troika der Geldgeber bildet, wollte in die Mea Culpa nicht einstimmen. Man habe 2010 keine andere Wahl gehabt, sagte Rehns Sprecher. Die beiden Alternativen, eine Pleite des Landes oder ein sofortiger Schuldenschnitt, hätten "vernichtende Folgen" für die Euro-Zone haben können. Da es damals den Euro-Rettungsfonds ESM noch nicht gab, habe eine "systemische Ansteckungsgefahr" bestanden.
Der offene Streit zwischen den beiden Troika-Partnern zeigt, wie groß auch intern die Unsicherheit der Euro-Retter ist. Die Rezession in Griechenland geht ins sechste Jahr, die Arbeitslosigkeit steigt, und der Schuldenberg wird dieses Jahr voraussichtlich auf 175 Prozent der Wirtschaftsleistung anwachsen. Kein Wunder, dass Zweifel an der Strategie aufkommen.
Der Konsolidierungskurs wird zunehmend kritisch gesehen
Das Eingeständnis des IWF, Griechenlands Rezession mit dem Spardiktat verschlimmert zu haben, passt zum neuen Trend in der Euro-Zone. Der Konsolidierungskurs wird zunehmend kritisch gesehen. Im Namen des Wirtschaftswachstums werden Sparvorgaben in vielen Ländern inzwischen gelockert.
Das Eingeständnis von Fehlern gilt in Brüssel jedoch als wohlfeil. Denn erstens hat der IWF allen Rettungspaketen zugestimmt, obwohl Kritiker von Anfang an darauf hingewiesen hatten, dass die zugrunde gelegten Prognosen für das Wirtschaftswachstum illusorisch seien. Und zweitens räumen selbst die Autoren des Berichts ein, dass ein anderes Vorgehen politisch nicht möglich war. "Wenn wir heute in der gleichen Lage wären, würden wir genau das Gleiche wieder tun", sagte der zuständige IWF-Chefunterhändler Poul Thomsen dem "Wall Street Journal".
Der Bericht hat daher vor allem zwei Zwecke:
Erstens soll das Papier den angeschlagenen Ruf des IWF reparieren. Der Fonds steht unter erheblichem Rechtfertigungsdruck. Viele der 188 Mitgliedsländer sehen nicht ein, wieso 60 Prozent der Hilfskredite in die Euro-Zone fließen. Der Führung wird vorgeworfen, im Fall Griechenland die eigenen Kreditvergabekriterien verletzt zu haben. Damals waren extra die IWF-Regeln geändert worden, um die 36-Milliarden-Euro-Beteiligung an dem ersten Griechenland-Paket zu ermöglichen. "Der IWF kämpft um seine Glaubwürdigkeit", sagt Megan Greene, Chefvolkswirtin von Maverick Intelligence. Es gehe darum, die Schuld an der verpatzten Griechenland-Rettung auf die anderen Beteiligten abzuwälzen. Das sei aber "unfair", schließlich habe der IWF selbst seine Prinzipien aufgegeben.
Zweitens soll der Bericht den Druck auf die europäischen Partner erhöhen, einem weiteren Schuldenschnitt für Griechenland zuzustimmen. Ökonomen gehen seit längerem davon aus, dass ein weiterer Schuldenerlass unumgänglich ist, um die Staatsschulden bis 2020 wie vereinbart auf 124 Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken. Die Euro-Länder sperren sich bislang dagegen, weil dies die eigenen Steuerzahler treffen würde.
Sonderlich glaubwürdig ist die Selbstkritik des IWF schon deshalb nicht, weil der Fonds bei der Zypern-Rettung jüngst erneut fragwürdige Prognosen abgesegnet hat. Schon im Jahr 2015 soll die Wirtschaft auf der Mittelmeerinsel nach der offiziellen Troika-Schätzung wieder wachsen. So soll der Schuldenstand dann bis 2020 auf rund hundert Prozent der Wirtschaftsleistung gedrückt werden. Doch niemand weiß, was passiert, wenn die Kapitalverkehrskontrollen auf der Insel aufgehoben werden. Ein massiver Geldabfluss könnte die Wirtschaft auf Jahre hinaus in die Rezession stürzen. Zumal Zypern mit der Offshore-Finanzbranche der wichtigste Wachstumstreiber abhandenzukommen droht.
Dass der IWF dennoch zugestimmt hat, eine Milliarde Euro zu dem Zehn-Milliarden-Euro-Hilfspaket für Zypern beizusteuern, wertet Ökonomin Greene als Beweis, dass der Fonds aus der Griechenland-Rettung nichts gelernt hat. "Es gibt keinerlei Anzeichen, dass der IWF seinen Kurs ändert".