Kakaoanbau Wie Schokoladenkonzerne die Regenwälder schützen wollen

Reste von Regenwald in der Elfenbeinküste
Foto: Mighty EarthAbholzung großer Regenwaldgebiete, Kinderarbeit auf Plantagen, Ausbeutung von Arbeitern, Gewalt und Vertreibung von Landbewohnern: Der Kakaoanbau ist höchst problematisch. Seit Jahren fordern Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, dass Konzerne wie Barry Callebaut, Mondelez, Nestlé oder Unilever ihre Lieferketten offenlegen und die Zusammenarbeit mit Händlern beenden, die solche Praktiken nicht ausschließen.
Der anhaltende Druck hat schon gewirkt: Auf der Klimakonferenz 2017 in Bonn gründeten die Regierungen der Elfenbeinküste, von Ghana und Kolumbien gemeinsam mit mehr als 30 der weltweit größten Kakaoverarbeiter und Schokoladenhersteller die "Cocoa and Forests Initiative" (CFI) . Die Mitglieder verpflichteten sich unter anderem dazu, die Regenwaldrodung für den Kakaoanbau zu beenden.
Jetzt, mehr als ein Jahr später, verspricht die Initiative, Ernst zu machen und die Aktionspläne der einzelnen Unternehmen vorzulegen. "Ein Meilenstein wurde erreicht, um die Transparenz und Rechenschaftspflicht in der Kakaolieferkette zu stärken", heißt es in der Erklärung, die dem SPIEGEL vorliegt. Die Hauptziele: "Schutz und Wiederherstellung der Wälder, nachhaltige Kakaoproduktion und Existenzgrundlage der Landwirte". Das soll in enger Zusammenarbeit mit den Regierungen Ghanas und der Elfenbeinküste geschehen.

Rodungen für Kakaoplantagen: Schokolade statt Regenwald
Die beiden westafrikanischen Länder sind besonders wichtig, sie produzieren rund zwei Drittel der Kakaobohnen weltweit, und in beiden Länder geht die Abholzung von Regenwald immer schneller voran. Nach jahrzehntelanger Untätigkeit haben sie jetzt zwar mehr und größere Waldschutzgebiete ausgewiesen, in denen neue Plantagen verboten sind und sogar eine Software angeschafft, die Satellitenbilder auswertet und die Waldverluste dokumentiert - aber es hapert an der Durchsetzung der Regeln.
Geht es nach der Zahl der Absichtserklärungen, wird sich das ändern. Die CFI ist nicht die einzige Initiative für nachhaltigen Kakao: Im April 2018 verabschiedeten die 1500 Teilnehmer der vierten Weltkakaokonferenz die "Berliner Erklärung" , in der sie eine nachhaltige Entwicklung der Branche forderten. In Deutschland haben sich dem "Forum Nachhaltiger Kakao" mehr als 70 Mitglieder angeschlossen, vom Handel über Süßwarenkonzerne bis zu Gewerkschaften und Umweltschützern.
Auch die Bundesministerien für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sind dabei und veröffentlichten jüngst einen Zehnpunkteplan für einen nachhaltigen Kakaosektor. Die zehn Punkte sind allerdings - offenbar auf Betreiben von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) - sehr vage. Kein internationaler Konzern dürfte sich unter Druck gesetzt fühlen, wenn die Ministerien sich "im Rahmen von Projekten, internationalen Prozessen sowie im Politikdialog mit den Produzentenländern für einen Kakaoanbau ohne missbräuchliche Kinderarbeit" einsetzen.
Klare Erklärungen, unklare Finanzierung
Wie ernst es der CFI wirklich ist, wird sich aber erst zeigen müssen: In den kommenden Wochen veröffentlichen die einzelnen Unternehmen schrittweise, welche Maßnahmen sie ergreifen und wie viel Geld sie investieren werden.
Nachfragen des SPIEGEL an die CFI beantwortet Richard Scobey, Präsident der World Cocoa Foundation (WCF), die sich als Nichtregierungsorganisation bezeichnet, in Wirklichkeit aber vor allem ein Zusammenschluss der weltgrößten Kakao-, Schokoladen- und Süßwarenunternehmen ist und selbst wiederum Teil der CFI. Die Höhe der Investitionen lässt Scobey offen, betont aber, dass die CFI-Mitglieder seit Anfang 2018 keine Kakaobohnen mehr aus Nationalparks beziehen.
Bei den weniger streng geschützten Waldgebieten wird Scobey vage: "Die Unternehmen verpflichteten sich, die Beschaffung von Kakao aus Waldreservaten (Ghana) und Klassifizierten Wäldern (Elfenbeinküste) im Einklang mit den überarbeiteten Rechtsrahmen, die die Regierungen derzeit entwickeln, dem Ausbau der betrieblichen Betriebskartierungen und Rückverfolgbarkeitssysteme sowie der Entwicklung alternativer Lebensgrundlagen für alle betroffenen Landwirte einzustellen." Nach schneller Umsetzung klingt das nicht.
Immerhin haben sich Unternehmen und Regierungen laut Scobey jetzt dazu verpflichtet, bis Ende des Jahres Systeme einzuführen und Vorschriften zu erlassen, die eine lückenlose Rückverfolgbarkeit der Kakaobohnen vom Erzeuger ermöglichen. Zudem sollen hochauflösende Satellitenbilder eingesetzt werden, um Abholzung in Echtzeit zu erkennen, bis Ende des Jahres sollen zudem die genauen Geokoordinaten von einer Million Betrieben erfasst werden.
Sicherlich braucht die Industrie die Veränderung nicht nur, um kritische Konsumenten oder Umweltschutzgruppen zufriedenzustellen: Der Kakaoanbau weltweit ist bedroht. In vielen Herkunftsländern stagniert die Produktion. Kakaobäume bringen erst nach einem guten Jahrzehnt den vollen Ertrag, ein schnelles Hochfahren der Erntemengen ist schwierig. Zudem fehlt den Kakaobauern angesichts der geringen Einkünfte der Nachwuchs, und zunehmend bedrohen Schädlinge und Krankheiten sowie Klimaveränderungen ganze Plantagen.
World Cocoa Foundation verschickt Framing-Manual an Mitglieder
Auch wenn jetzt mehr Schokoladenkonzerne in Nachhaltigkeit investieren, ist Skepsis durchaus angebracht. Anfang Dezember berichteten der SPIEGEL und andere internationale Medien über einen Report der Organisation Mighty Earth , der unter anderem zeigte, dass von den wortreichen Verpflichtungserklärungen seit der Klimakonferenz 2017 nur wenige umgesetzt wurden.
Diese Transparenz hatte die WCF, deren Präsident jetzt so gern Auskunft gibt, offenbar aufgeschreckt: Sie schickte ihren Mitgliedern damals ein Dokument mit einer Art Sprachregelung für "unsere Hauptbotschaften in Erwiderung auf den Bericht".
Darin heißt es beispielsweise, "die Entwaldung zu beenden, ist eine komplexe soziale, wirtschaftliche und ökologische Herausforderung - wir müssen, während wir 'die Erde schützen', auch 'die Menschen schützen'". Soll heißen: Hunderttausende Bauern und ihre Familien sind vom Kakaoanbau abhängig - auch in Waldschutzgebieten.
Allein dieses Beispiel zeigt, wie schwierig es ist, Probleme zu lösen, die durch jahrelange Untätigkeit entstanden sind. Ein zweiter Punkt in dem "Fragen-und-Antworten-Dokument" belegt, wie wichtig es der Organisation ist, die Deutungshoheit über die Ergebnisse des Reports zu erlangen. Es geht dabei um die Frage, ob die Rodung seit Ende 2017 zurückgegangen ist. Dazu heißt es: "Die Daten von Mighty Earth bestätigen einen Rückgang der Entwaldung in der Mehrheit der Nationalparks und geschützten Gebiete der Elfenbeinküste." Das sei schließlich auch das Hauptziel gewesen.

Die Daten lassen sich allerdings auch ganz anders interpretieren: Tatsächlich ist die Abholzung im Tai-Nationalpark, dem letzten großen Regenwaldgebiet Westafrikas, fast vollständig gestoppt. In anderen Schutzgebieten schreitet die Entwaldung dagegen sogar schneller voran. Und, das räumt auch die WCF ein, vor allem außerhalb dieser speziell geschützten Wälder legt die Abholzung an Tempo zu.
Auch hier verweist die WCF darauf, dass in diesen Gebieten "arme Bauern versuchen, mit der Ausweitung ihrer Anbaufläche für Kakao ein Einkommen zu erzielen". Diese "zulässige Praxis" könne durch intensivere Nutzung der bestehenden Plantagen vermieden werden. Die Tatsache, dass der Preis für Kakaobohnen seit Jahren fällt und Bauern von dem, was bei ihnen ankommt, nicht leben können, könnte die Industrie allerdings auch viel einfacher ändern: Sie könnten für ihre Rohstoffe schlicht mehr zahlen.
Dieser Punkt fehlt in den Selbstverpflichtungen.