Kampf gegen die Coronakrise Darum geht es beim geplanten Konjunkturpaket

Die Große Koalition will an diesem Dienstag Ausgaben in Milliardenhöhe zur Ankurbelung der Konjunktur in der Coronakrise beschließen. Eine Übersicht über die wichtigsten Punkte, die diskutiert werden.
Bundeskanzleramt (Archivbild): Lange Nacht erwartet

Bundeskanzleramt (Archivbild): Lange Nacht erwartet

Foto: Soeren Stache/ DPA

Es könnte eine dieser langen Nächte im Kanzleramt werden. Nach den Pfingstfeiertagen treffen sich die Spitzen von Union und SPD am Dienstagnachmittag zu Beratungen über ein möglicherweise 80 Milliarden Euro schweres Programm zur Milderung der konjunkturellen Folgen der Coronakrise. Auf dem Tisch liegen Vorschläge zur Unterstützung von Familien, Unternehmen und Kommunen. Hinzu kommen die Vorschläge, die von außen an die Koalitionsspitzen herangetragen werden.

Die wichtigsten Themen:

Einige besonders griffige und umstrittene Themen haben sich in der Debatte bereits herauskristallisiert.

Kaufprämien für Autos: Viel diskutiert wurde über solche Hilfen, um die deutsche Schlüsselindustrie und von ihr abhängige Branchen wie Zulieferer zu stützen. Dafür gibt es in der Koalition auf beiden Seiten Befürworter und Gegner. Wegen der Klimakrise ist eine solche Maßnahme umstritten. Die Autoländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen schlagen eine "Innovationsprämie" vor. Gefördert werden sollten aus Sicht von Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder speziell moderne Autos mit sehr geringem CO2-Ausstoß.

Familienbonus: Im Gespräch ist außerdem ein Pauschalbetrag von 300 Euro pro Kind, um Familien in der Krise zu unterstützen und um den Konsum anzukurbeln. Besonders die SPD setzt sich für die Unterstützung ein, sie findet aber auch in den Reihen der Unionspolitiker Sympathien. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kann sich sogar 600 Euro vorstellen. Diskussionen könnte es darüber geben, ob ein solcher Bonus wirklich an alle Familien ausgeschüttet werden soll oder nur an bedürftige.

Unterstützung für Kommunen: Ein weiteres Streitthema sind Finanzhilfen für die Kommunen. Dabei ist aber unstrittig, dass Städte und Gemeinden Hilfe brauchen, weil ihnen durch die Krise Steuereinnahmen wegbrechen und gleichzeitig mehr Kosten infolge des Anstiegs der Arbeitslosenzahlungen entstehen. SPD-Finanzminister Olaf Scholz möchte Städten und Gemeinden unter anderem durch Übernahme ihrer Altschulden helfen. Aus der Union kommt ein Gegenvorschlag: Der Bund könnte die Kommunen entlasten, indem er einen größeren Anteil der Wohnkosten von Hartz-IV-Empfängern trägt und auf Anteile aus der Gewerbesteuer verzichtet.

Infrastruktur: In ihren Ausbau könnte ein großer Teil des Konjunkturpakets fließen. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) möchte um die 28 Milliarden Euro unter anderem in Bahnverkehr, Straßenbau und digitale Infrastruktur stecken. Das Problem: Planungen und Ausschreibungen erfordern extrem viel Zeit. Schon in der Vergangenheit wurden die bereitgestellten Etats deswegen nicht ausgeschöpft.

Sonstiges: Vorab diskutiert wurde außerdem über viele andere Vorschläge und Forderungen: mehr Klimaschutz, Milliardenhilfen für die Veranstaltungs- und die Kulturbranche, die unter der Krise besonders leiden, eine vollständige und schnellere Abschaffung des Solidaritätszuschlags, damit den Steuerzahlern mehr Geld zum Ausgeben bleibt, Steuererleichterungen für Unternehmen, Konsumgutscheine und Mobilitätsgutscheine für den Kauf von Fahrrädern oder für öffentliche Verkehrsmittel, Entlastung bei den Strompreisen und mehr Geld für die Forschung.

Das größte Programm der Nachkriegszeit?

Einzeln betrachtet wohl nicht. Das Volumen könnte laut "Bild am Sonntag" bei 75 bis 80 Milliarden Euro liegen. Der Umfang der bisher größten Konjunkturmaßnahmen, die 2008 und 2009 infolge der Finanzkrise auf den Weg gebracht wurden, wurde damals auf gut 90 Milliarden beziffert. Allerdings liegt der Bund in der Corona-Pandemie schon jetzt weit über dieser Summe und hat bereits 156 Milliarden Euro eingeplant. Seit März wurden mehrere Gesetze mit Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg gebracht. Für das Konjunkturprogramm, über das nun verhandelt wird, werden wahrscheinlich weitere Kredite nötig.

Neue Rezepte?

Nicht ganz. Auch in der Finanzkrise 2009 gab es einen Kinderbonus: Für jedes Kind wurden den Eltern einmalig 100 Euro überwiesen. Es gab die "Abwrackprämie": Wer sein mindestens neun Jahre altes Auto verschrotten ließ und ein neues mit Euro-4-Abgasnorm kaufte, bekam 2500 Euro. Auch ein Investitionsprogramm gab es. 18 Milliarden Euro wurden bereitgestellt für Baumaßnahmen und Infrastruktur - für Straßen, Schulen, Sporthallen, Spielplätze - damit die Baubranche zu tun hat. Dazu kamen noch einige andere Maßnahmen: Kindergeld und Kinderfreibetrag wurden erhöht, Krankenkassenbeiträge gesenkt, es gab mehr Geld für die Gebäudesanierung und Extrakredite für Unternehmen in Not. Die Zahlung von Kurzarbeitergeld wurde auf 18 Monate verlängert.

Was passiert nach einer Einigung?

Wenn Vertreter von SPD und Union nach möglicherweise langer Nacht vor die Kameras treten und ein Ergebnis verkünden, geht die Arbeit erst richtig los. Sollen die verhandelten Konjunkturmaßnahmen schnell wirken, muss die Gesetzgebung wieder mehrere Gänge hochschalten. Die Vereinbarungen müssen detailliert in Paragrafen gegossen werden und den üblichen Weg der Gesetzgebung durch Bundeskabinett, Bundestag und Bundesrat gehen. Bis zur Sommerpause hat der Bundestag nur noch zwei Sitzungswochen. Der Bundesrat tagt noch einmal.

mik/dpa-AFX
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