Kartoffel-Puffer
Unterstützungen im Werte von 11 Millionen Pfund zahlt die britische Regierung ihren Bauern für Kartoffeln, um die Einzelhandelspreise niedrig zu halten. Sie erntet damit Lob und Dank bei den englischen Hausfrauen.
Unterstützungen im Werte von 20 Millionen Pfund zahlt die amerikanische Regierung ihren Bauern für Kartoffeln, um die Einzelhandelspreise hoch zu halten. Sie erntet damit Schimpf und Schande bei den amerikanischen Hausfrauen.
Dabei stellt die letzte Ernte in den Vereinigten Staaten alle bisherigen Kartoffelrekorde in den Schatten. Es wurden 475 Millionen Bushel mehr geerntet als die 141 Millionen Amerikaner mit aller Gewalt verzehren könnten.
Allen ökonomischen Schulweisheiten zuwider fielen nach dieser Rekordernte die Preise nicht. Sie zogen im Gegenteil weiter an. Dem Gesetz von Angebot und Nachfrage auf dem amerikanischen Kartoffelmarkt steht ein anderes entgegen.
Es heißt »Steagall - Amendment« und ist eine Vereinbarung, die während des Krieges zwischen den Farmern und der Regierung Präsident Roosevelts getroffen wurde.
Das Gesetz war der Zuckerbonbon für
die freie amerikanische Landwirtschaft, nachdem sie die ersten bitteren Pillen der Preiskontrollgesetzgebung schlucken mußte.
Das Kriegsgetümmel in Europa und dem Fernen Osten half der USA-Landwirtschaft mit einem Schlage aus allen Absatzsorgen heraus und brachte gute Geschäfte. Eine endlose Schlange hungriger Nationen, die sich zur Zeit mit der Erzeugung und dem Verschleiß schwer verdaulicher Produkte befaßte, wartete auf Nahrungsmittel. Vom Corned Beef für die Russen bis zur Trockenmilch für die Engländer: Alles ließ sich für gute Preise an den Mann bringen.
Kein Krieg dauert ewig. Das wußten auch die amerikanischen Farmer noch vom letztenmal. Sie erinnerten sich noch gut an die Zeit zwischen den Kriegen, als der Weizen zum Heizmittel degradiert wurde und Kaffee tonnenweise ins Meer wanderte, weil die Preise durch das Ueberangebot auf dem Weltmarkt ins Bodenlose fielen.
In dem »Steagall-Abkommen« besorgten sich die Farmer aus dem wilden Westen eine sichere Police gegen Absatzschwierigkeiten nach dem Kriege. In der Vereinbarung versprach die USA-Regierung den Bauern für zwei volle Jahre nach Einstellung der Feindseligkeiten feste unveränderliche Kartoffelpreise. Noch dazu hohe Preise, die auf Grund des Durchschnitts während der Blütejahre 1909 bis 1914 festgesetzt waren.
Während dieser zwei Jahre sollte den Landwirten Gelegenheit gegeben werden, sich auf Friedensproduktion umzustellen. Dadurch wäre nach Ablauf der zwei Jahre ein einschneidender Preissturz vermieden worden, wenn die Farmer ihre Produktion tatsächlich herabgesetzt hätten.
Aber Amerika ist ein freies Land. Die Bauern dachten nicht daran, den Kartoffelanbau zu verringern. Zumal inzwischen die Preiskontrolle für den Einzelhandel großenteils aufgehoben war. Es ließen sich weit höhere Gewinne erzielen als vor dem Kriege. Sie bauten soviel Kartoffeln an wie möglich.
Eine Mißernte hätte das Ganze noch retten können. Zum Leidwesen des amerikanischen Finanzministers war die Ernte gut. Sehr gut sogar.
Der Kartoffelüberschuß drohte das mühsam gehaltene Preisgefüge für landwirtschaftliche Erzeugnisse ins Wanken zu bringen. Das USA-Landwirtschaftsministerium sprach von einer »ernsten Kartoffelkrise«.
Auf den freien Markt durften die Ueberschußmengen nicht. Sonst wären die Kartoffeln billiger geworden, und gerade das zu verhindern, hatte die Regierung den Bauern feierlich versprochen.
So mußte die Regierung in den sauren Apfel beißen. Sie organisierte den staatlichen Einkauf von 2 500 000 Tonnen Speisekartoffeln. Ein Teil dieser Menge sollte als Puffer-Vorräte im Bedarfsfalle auf den Markt kommen.
Der Hauptanteil von 2 Millionen Tonnen wurde zu großen Kartoffelhaufen zusammengefahren und verfault dort planmäßig. Es stinkt zwar in der Umgebung dieser Kartoffelberge, aber die Preise bleiben weiterhin »stabil«.
Die amerikanische Oeffentlichkeit (die Bauern ausgenommen) ist darüber erbost. Die Zeitschrift »Look« bringt diese Tatsachen unter der Schlagzeile »Hohe Gewinne für die Farmer, hohe Preise für die Hausfrauen!« Es wird die Frage aufgeworfen, was werden soll, wenn das zweijährige Abkommen abläuft.
Nur ein Fünftel der aufgekauften Kartoffeln - 500 000 Tonnen - entgehen der Vernichtung. Sie werden zu Stärke verarbeitet oder in Alkohol umgewandelt. Große Mengen bereichern den Speisezettel der amerikanischen Schweine.
Etwa ein Zehntel der Gesamtmenge wird exportiert. Natürlich möchten die Amerikaner mehr ausführen. Einmal, um den hungernden Nationen zu helfen und zum zweiten, um wenigstens einen Teil des angelegten Geldes zu retten.
Aber Kartoffeln sind empfindlich. Sie können nur in Kühlschiffen transportiert werden. Und Kühlschiffe sind knapp. Auch in Amerika.
Zwei Millionen Tonnen bester Speisekartoffeln verfaulen planmäßig nach dem Kartoffel-Vernichtungs-Programm der USA-Regierung