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IOS Kasse in Costa Rica

Auch dieses Jahr kann die Kundschaft des bankrotten IOS-Imperiums nicht auf Entschädigung hoffen. Die Liquidatoren des Unternehmens genießen währenddessen spesenreiche Jet-Set-Tage.
aus DER SPIEGEL 23/1975

»Hoffentlich wird es in Quebec auch wieder so delikat«, schwärmte Mitte Mai im Luxemburger Aerogolf-Hotel ein Nachlaßverwalter des bankrotten Investment-Trusts IOS beim Schlemmermahl.

Delikat wird es gewiß. wenn der Jet-Set der IOS-Liquidatoren sich Mitte August in Kanada wiedertrifft. Dort nämlich wollen die Sachverwalter des Gläubiger-Vermögens beschließen, worauf 250 000 geprellte Investmentsparer seit mehr als zwei Jahren warten: die Auszahlung der ersten Quoten aus den vier von dem Investment-Phantom Bernard Cornfeld gegründeten und 1972 geschlossenen Dollar-Fonds FOF, ITT, Growth und Venture Fund.

Mit guten Worten nämlich statt mit Geld sind die Opfer von Bernie Cornfelds Finanzakrobatik (früheres Bruttovolumen der IOS-Gelder: rund 2,6 Milliarden Mark) bislang immer wieder vertröstet worden, denn die Behörden an den wichtigsten Drehplätzen des IOS-Krimis hatten sich inzwischen auf ein ebenso zeitraubendes wie kostspieliges Abwicklungsverfahren geeinigt.

Schon bald nämlich, nachdem Börsenkontrolleure und Regierungsbeamte auf ihrer ersten Luxemburger Vollversammlung beschlossen, in allen Heimatländern der diversen IOS-Gesellschaften separate Liquidatoren-Teams samt Rechtsberatern und Gutachtern zu installieren. Und sich selbst gelobte das vielköpfige Plenum ein regelmäßiges Wiedersehen alle drei bis vier Monate in Toronto, Washington, New York. Montreal, Luxemburg und demnächst in Quebec City, wo die neunte Sitzung des »IOS-Völkerbundes« -- so ein beratender Wirtschaftsprüfer -- zelebriert werden soll.

Der harte Kern der IOS-Liquidatoren fügt den Vollversammlungen noch diskrete Treffs auf den Bahamas, in London, Paris, Genf oder auf den niederländischen Antillen und künftig auch in Costa Rica zu. »Unser perfektes internationales Abwicklungsprogramm lassen wir uns knapp 800 000 Mark im Monat kosten«. protzte ein Liquidatorenanwalt auf der Luxemburger Versammlung der Nachlaßverwalter. und ein sektseliger Tischnachbar sagte auch warum: »Wegen der Finanzen haben wir keine Probleme, denn die gesperrten Barreserven der Fonds werfen noch viel höhere Zinserträge ab.«

Die so gutes Leben auf Kosten der IOS-Sparer genießen, sind trotz allen Aufwands bisher aber noch nicht dahintergekommen, wann, wie und wohin der Hauptbegünstigte des IOS-Bankrotts, der Finanzschwindler

Robert Lee Vesco, die Cornfeld-Millionen verschoben hat.

Schon bald nämlich, nachdem Bernie Cornfeld am 9. Mai 1970 zum Ausscheiden aus dem IOS-Verwaltungsrat gezwungen worden war, hatte Vesco Cornfelds IOS-Aktien erworben und die Kontrolle über den sanierungsbedürftigen Konzern übernommen. Schon bis zur IOS-Aktionärsversammlung am 30. Juni 1971 in Toronto hatte der im Sanieren seiner eigenen Firma International Controls Corporation erprobte Geld-Rastelli die Alleinherrschaft.

Mit Hilfe dieser Majorität schob Vesco mindestens 230 Millionen Mark IOS-Gelder über unsichtbare Finanzkanäle in sein eigenes Portemonnaie: »Bisher«. so klagte der kanadische Liquidator John A. Orr aus Toronto, der seit 1973 für den Fund Of Funds (FOF) und den IOS Growth Fund verantwortlich ist, »haben wir erst 514 Millionen Mark sichergestellt, weitere 230 Millionen Mark wurden von Vesco umdirigiert«, und: »Die Aufteilung der Gelder auf die einzelnen Fonds ist noch immer nicht gelöst.«

Um allein 140 Millionen Mark erleichterte Vesco die Vermögenssubstanz des FOF und investierte diese Gelder in gemeinsamen Firmen mit Costa Ricas früherem Staatspräsidenten José Figueres sowie in mancherlei anderen Ländern.

Auf Costa Rica auch hat der gebürtige US-Bürger Vesco seine neue Fluchtburg gefunden. Dort bewohnt er an der Flamingo Bay nahe der Stadt Guanacosta eine von elektrischen Drahtzäunen und vier mit Maschinenpistolen bewaffneten Gorillas gesicherte Prunkvilla. Doch gar so ernst ist die Lage für den Steuerflüchtling, der unlängst seine amerikanische Staatsbürgerschaft vorsichtshalber zurückgab, noch nicht. Zwar ordnete ein Gericht im Mai die Liquidation der von seinem Clan kontrollierten Bahamas Commonwealth Bank an, doch diese Entscheidung kann Vesco mit Einsprüchen lange hinausschieben. Andere Gerichtsurteile über den IOS-Nachlaß sind frühestens diesen Herbst zu erwarten, »denn erst einmal gehen die Herren des Obersten Gerichtshofes von Ontario in ihre zweimonatigen Sommerferien«. erläutert Liquidator Orr, und »so lange weigern sich die Banken in Toronto und Montreal, wo allein Vermögenswerte von rund 140 Millionen Dollar liegen, den geringsten Schritt zu tun«.

Das filzige Abwicklungsverfahren ist denn auch frühzeitig schon auf Kritik insbesondere deutscher Anleger gestoßen. Die inzwischen auf 9038 Mitglieder angewachsene Internationale IOS-Schutzgemeinschaft (IASIF) aber focht vergeblich für einen »Abwicklungsplan aus einem Guß«. Eine solche »globale Abwicklung«, sagt IASIF-Sprecher Gerold Bezzenberger, »hätte unnötige Kompetenzüberschneidungen, erhebliche Zeitverluste und zusätzliche Kosten vermeiden helfen«.

Wäre es nach den Plänen des Berliner Anwalts gegangen, »dann wären schon im Herbst 1973 mehr als 300 Millionen Mark frei geworden und hätten vorab an die Fondsbesitzer ausgeschüttet werden können.« Jetzt sind für die rund 110 000 deutschen Anleger Währungs- und Aktienverluste entstanden, die durch Zinsgewinne längst nicht ausgeglichen werden. Die möglichen Mindestquoten beziffert Bezzenberger auf 7,10 Dollar für die ITT-Zertifikate, auf 3,30 für FOF, auf 4,20 für Venture und auf 7,50 Dollar für die IOS Growth-Papiere.

Obwohl der luxemburgische Bankenkommissar Albert Dondelinger in den vergangenen beiden Jahren schon viermal »eine baldige Ausschüttung« angekündigt hatte, liegen selbst solche Teilbeträge noch in weiter Ferne.

Statt Barschecks erhalten die 143 000 ITT-Kunden, 77 000 FOF-Anleger, 22 700 Venture-Besitzer und 5600 IOS Growth-Sparer in den nächsten Wochen erst einmal die angeblich endgültigen Kontoauszüge aus dem früheren 105-Hauptquartier Ferney Voltaire in der Schweiz. Bis sämtliche Konten abgestimmt und beglaubigt sind, vergeht mindestens noch ein halbes Jahr. Kommissar Dondelinger will sich nicht einmal darauf festlegen lassen, ob das kleine Geld vor oder nach dem Weihnachtsfest ins Haus kommt.

Ein Ende der »Leichenfledderei«, so ein deutscher IOS-Geschädigter, ist ohnehin nicht abzusehen. Erstens weil die von Vesco geplünderten IOS-Schätze verschwunden sind, zweitens weil Schwarz- und Steuerfluchtgelder in IOS-Fonds landeten, zu denen sich nun niemand mehr bekennen will. Finanzjongleur Vesco hat allein diesen Posten sachkundig auf 260 Millionen Mark taxiert. Kommissar Albert Dondelinger sieht in der 105-Liquidation denn auch schon echte Lebensaufgaben: »Wir liquidieren bis zum letzten Dollar, selbst wenn das 20 Jahre dauert.«

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