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Kaufhaus-Konzerne im Abwehrkampf

Katalog-Konzerne und Verbrauchermärkte bedrängen die Marktposition der alten Kaufhaus-Unternehmen; 1977 kassierten sie den Hauptteil des Konsumzuwachses der Deutschen. Spät erst reagierten die Manager der Kaufhaus-Gruppen: Durch Kooperation mit den Versendern wollen sie verlorene Marktanteile zurückgewinnen.
aus DER SPIEGEL 8/1978

Bernd Hebbering, Vorstandssprecher des Düsseldorfer Kaufhauskonzerns Horten, läßt neuerdings in den Wartehallen und Wandelgängen deutscher Bahnhöfe Passanten zählen.

Kollege Günter Nawrath, Chef des Hamburger Otto Versands, steckt »einige Millionen« in einen technischen Großversuch. Otto-Kunden sollen »in den achtziger Jahren« über Telephon und Television ihre Katalog-Ware ordern können.

Kaufhof-Vorstand Friedrich Roesch suchte den Kontakt zu Karl-Heinz Kipp von den umsatzschweren Massa-Märkten. Dann führte er vorsichtige Fusionsgespräche mit dem in Garmisch residierenden Großversender Werner Otto.

Konkurrent Hans Dedi, Konzernchef der Fürther »Quelle«, prüft eine unlängst unterbreitete Beteiligungsofferte von Hortens Hebbering: Im Handel mit seinen 323 Milliarden Mark Umsatz ist derzeit Wandel wie selten.

Seit der größte Kaufhaus-Konzern Karstadt Mitte 1976 den drittgrößten Versender, Neckermann, übernahm und in neue Umsatzdimensionen wuchs, basteln die Topmanager der großen Handelshäuser an neuen Verkaufskonzepten und Fusionsplänen.

Den mit einer Dreiviertelmillion Mark Jahresbezügen nicht gerade unterbezahlten Vorständen der Kaufhauskonzerne war am Ende ein unausweichlicher Branchentrend aufgefallen: Gastarbeiter-Abzug und Pillenknick vor allem werden die Konsumausgaben in Deutschland künftig etwas mehr in Grenzen halten. »Wir geraten in eine neue Dimension«, diagnostiziert Karstadt-Vorstand und Neckermann-Chefkontrolleur Bernhard Schröder, »und die heißt: Ende der bisherigen Expansion.«

Für diese Trendwende sind die jahrzehntelang von zweistelligen Wachstumsraten verwöhnten Handelsriesen schlecht gerüstet. Kosten und Konkurrenz, Überkapazitäten und Unternachfrage drücken seit zwei, drei Jahren unerwartet heftig auf die Renditen. »Marktanteile können künftig nur auf Kosten der Konkurrenz erobert werden«, prophezeit Hertie-Vorstand Hans-Ludwig Grüschow. »das aber kann in die Renditen gehen.«

Schon 1976 erreichten die Umsatzrenditen mit 1,58 Prozent (Karstadt) und 0,53 Prozent (Hertie) nur die Hälfte oder gar ein Drittel der besten Ergebnisse aus den sechziger Jahren. Das gerade abgeschlossene Geschäftsjahr war sogar noch magerer. Vorsorglich berichtete Karstadt-Sprecher Walter Deuss Mitte Januar seinem Aufsichtsrat, das »Zwischenergebnis« bleibe »bei stagnierendem Geschäftsverlauf« wegen der »Anlaufverluste« bei der Eingliederung der Neckermann-Kaufhauser »deutlich hinter der entsprechenden Zahl des Vorjahres zurück«.

Der vor sieben Monaten vom Vorstand in den Aufsichtsrat übergewechselte frühere Horten-Vorstand Fritz Seydaack hält das flaue Geschäftsjahr 1976 für das »schwärzeste seit der Währungsreform«. Die folgenden zwölf Monate werden keinesfalls freundlicher. Kaufhof-Vorstand und Warenhaus-Verbandspräsident Helmut Thoma: »Wir sind tief enttäuscht worden.«

Betreten vernahmen Thoma und sein Troß von den Konzern-Statistikern, daß sie die zu Jahresbeginn 1977 angepeilte Konzern-Wachstumsrate deutlich unterschritten hatten. Der Kaufhof etwa blieb im vergangenen Oktober um 60 Millionen Mark hinter den für diesen Monat geplanten Umsätzen zurück.

Zwar nahmen die erfolgsgewohnten Karstädter 1977 übers Jahr 5,9 Prozent mehr ein als 1976. Doch bei Berücksichtigung der 1977 erweiterten Verkaufsfläche schrumpft der Karstadt-Zuwachs auf magere 1,1 Prozent. Die drei anderen fanden sich sämtlich »im Keller« (Hebbering) wieder: Hertie mit 0.7 Prozent Umsatzminus, Kaufhof mit 1,0 und Horten mit 1,8 Prozent.

Die Deutschen nämlich lenkten ihre Kaufkraft vergangenes Jahr vorwiegend dorthin, wo im Durchschnitt billigere, aber nicht schlechtere Ware angeboten wurde.

Der Zuwachs, »das größer gewordene Stück vom Kunden-Kuchen« (Quelle-Chef Dedi) lief an den Kaufhäusern vorbei. Verbrauchermärkte wie der Branchen-Erste Massa machten bis zu 15 Prozent Plus.

Der Katalog-Konzern Quelle deklassierte mit 17 Prozent im reinen Versandgeschäft die gesamte Zunft. Quelles Generalbevollmächtigter Willi Laschet ist »sicher«, auch diesmal wieder den Bilanzgewinn des Vorjahres von 52 Millionen Mark »deutlich zu überholen«.

Die wachsende Spanne zwischen florierenden und matten Handelshäusern ist laut Kurt Fiebich, Horten-Kleinaktionär und notorischer Hauptversammlungs-Nörgler, vor allem ein Management-Problem. Im Gegensatz etwa zu den Vorständen von Versandfirmen oder SB-Warenmärkten hatten die Kaufhaus-Manager die Entwicklung »tief und fest verschlafen«.

Unbehelligt von Wettbewerbsdruck branchenfremder Konkurrenz, hatten sich die Kaufhäuser bis Ende der sechziger Jahre die Kundschaft aufgeteilt. Einträchtig stimmten sie ihre Standorte für neue Kaufpaläste ab. Monat für Monat gewährten sie einander Einblick in den geschäftlichen Intimbereich: Statistiken über Umsätze und Flächen, Kosten und Kalkulationen wurden ausgetauscht, bis zur letzten Filiale.

Ihre Marktstellung schien so unerschütterlich, daß die Handeishäuser auf Druck der Bonner Mittelstands-Lobby 1965 freiwillig dem damaligen Wirtschaftsminister Kurt Schmücker versprachen, künftig alle Städte unter 200 000 Einwohner zu meiden.

Im selben Jahr entdeckte Massa-Manager Kipp, heute mit 1,3 Milliarden Mark Umsatz Größter seines Gewerbes, die Marktnische. Er bot im rheinhessischen Alzey Kleider aus der eigenen Fabrik auf 400 Quadratmetern Verkaufsfläche zu Großhandelspreisen an.

Das Beispiel machte Schule. Während die Warenhaus-Vorstände sich auf ihren Finanzpolstern ausruhten. setzten sich binnen weniger Jahre 1640 Groß-Discounter« Selbstbediener und Verbrauchermärkte an den Stadträndern fest.

Auf billigem Boden, meist ohne teure Rolltreppen überzogen risikofreudige Newcomer wie Kipp ("Massa"), Hugo Mann ("Wertkauf") oder Jost Hurler ("Suma") das Land mit einstöckigen Verkaufsscheunen.

Das Angebot war genau kalkuliert: Die Lieferanten wurden zu Spitzenrabatten und überlangen Zahlungszielen genötigt, die eigenen Kosten für Personal und Bauten auf das Minimum gedrückt. Auf riesigen Flächen boten sie der Pkw-Kundschaft vom Affen bis zum Zementmischer eine ausgesuchte Produkten-Palette oft weit unter den Warenhauspreisen.

Der Erfolg: Nach dreizehn Jahren war die 30-Milliarden-Marke geschafft, die Neuen setzten etwa so viel um wie die Kaufhäuser. die immerhin seit hundert Jahren im Geschäft sind. Bis 1980, rechnete das Münchner Ifo-Institut hoch, werden die Neulinge ihren Marktanteil von elf auf fünfzehn Prozent ausgedehnt haben (siebe Graphik).

Schon die um rund zwölf Prozent niedrigeren Kosten für Personal und Anlagen schlagen durch. Nach Berechnungen des Bundesverbandes der Selbstbedienungs-Warenhäuser (BdSW) liegen die Kosten der SB-Firmen bei knapp 25 Prozent des Umsatzes -- die Kaufhaus-Konzerne müssen über 35 Prozent verkraften.

Nach einer brancheninternen Faustregel kalkulierten die Verbraucher-Märkte zwei bis drei Prozent des Umsatzes als Mietkosten ihrer Großflächen, die Warenhäuser das Doppelte.

Wegen »unserer preisdämpfenden Art« fühlt sich Günter Mössner, BdSW-Sprecher und Vorstand der Saarbrücker Verbrauchermarkt-Kette Asko, »reif für einen Orden von Helmut Schmidt«.

Selbst die vom Bundeskabinett vor einem halben Jahr zum Schutz des Mittelstandes und zur Wiederbelebung der Citys verhängten Erschwernisse bei der Baugenehmigung konnten die weitere Expansion der V-Märkte allenfalls ein wenig eindämmen.

Schier unaufhaltsam wachsen die Betonbunker und Blechscheunen in neue Dimensionen. Der Bayer Hurler eröffnete nach dem Kanzler-Verdikt in St. Augustin vor Bonn eine Kaufhalle seiner Suma-Märkte mit 28 000 Quadratmeter Ladenfläche, in Neuß bei Düsseldorf waren es noch einmal 2000 Quadratmeter mehr.

Als Ende November vergangenen Jahres vor den Mainzer Stadttoren, neben dem Neubau des ZDF, die neugegründete deutsch-französische Konsum-Kette Stüssgen-Carrefour einen Kaufladen mit 60 nebeneinander installierten Registrierkassen eröffnete, waren alsbald die Autobahn-Zufahrten verstopft. Am Abend registrierte Chefmanager Amt Klöser 1,2 Millionen Mark Einnahmen und 25 000 Kunden. Darunter Schaulustige wie Roesch von Kaufhof. Hortens Hebbering, Karstadt-Direktor Walter Röhrkasten und ein halbes Dutzend »Massa«-Einkauf er.

Auf diese »großen, anonymen Verkaufsmaschinen am Stadtrand« (Deuss) reagierten die einstigen Massen-Verkäufer der Innenstädte erst, als ihr eigenes reales Umsatzwachstum bereits abnahm -- Anfang der siebziger Jahre. Statt sich »ganz neue Vertriebswege« auszudenken, kritisiert Bernd Hebbering von Horten, mit 39 Jahren der Youngster des Gewerbes, hätten die Vorgänger »kräftig drauflos-, in den eigenen Verkaufskanal«, investiert.

Karstadt verdoppelte in den letzten sieben umsatzmageren Jahren seine Ladenfläche, Kaufhof und Hertie legten jeweils mehr als ein Drittel zu. Horten nahm auf einen Schlag dem Hamburger Otto-Versand fünf Warenhäuser ab, von denen nur zwei Gewinne abwerfen.

Die Branche steigerte ihre Verkaufsflächen um 45 Index-Punkte -- gut doppelt so schnell, wie ihr von Preissteigerungen bereinigter Umsatz zunahm.

Hebbering zog als erster die Expansionsbremse und trennte sich rigoros »von den Fehlern der Vergangenheit": Vor gut zwei Jahren schloß Horten seine Filiale in Wuppertal. Wenig später zog Hertie im holsteinischen Geesthacht (25 000 Einwohner) nach: In. einem Umkreis von wenigen Kilometern hatten sich 20 Supermärkte mit 16 000 Quadratmetern Ladenfläche niedergelassen.

»Das Abspecken der Fehlinvestitionen« (Hebbering) wurde zur neuen Kaufhaus-Philosophie. Hertie wandelte sein nagelneues Haus in Hannover am Raschplatz in ein Möbelgeschäft um, als die Verluste auf 23 Millionen Mark kletterten; Horten machte fünf Verkaufspaläste dicht, weitere drei sollen bis Jahresende zumachen.

Der Versuch, die Herausforderung der Newcomer anzunehmen, schlug zumeist fehl. Als die Warenhäuser in »maßloser Selbstüberschätzung« (Massa-Kipp) die auf Selbstbedienung und Billigbau spezialisierten Konkurrenten mit eigenen Niedrigpreis-Häusern kopierten, wuchs fast immer das Defizit.

Drei Jahre nach Gründung der Karstadt SB Warenhaus GmbH mußten die billigen Töchter ihre Selbständigkeit wieder aufgeben und wurden wieder zu Anhängseln der Karstadt-Warenhäuser degradiert. Karstadt-General Deuss: »Erst rein in die Kartoffeln und dann raus.«

Am Ende mußten sich die Kaufhaus-Konzerne sogar um ihre Hochburgen sorgen: »Für uns alle überraschend« (Thoma) steigerten sogar die Innenstadt-Fachgeschäfte ihren Umsatz binnen zwei Jahren um 18 Prozent.

»Hinter dieser Entwicklung«, berichteten Marktforscher des Fürther Versenders »Quelle« ihrer Geschäftsführung, »ist die Bereitschaft der Konsumenten zu erkennen, für bessere Qualität und besseren Service mehr Geld auszugeben.«

Das »durch bewußte Sparsamkeit beim Einkauf von Gütern des lebensnotwendigen Bedarfs geprägte Verbraucherverhalten«, registrierte der Karstädter Deuss, sei begleitet von einem »neuen Trend zu höherer Qualität«, insbesondere wenn »jene Bedürfnisse angesprochen werden, die nach mehr Lebensfreude und Selbstverwirklichung streben«.

Neue Autos, häufige und längere Reisen zählen dazu, auch komfortable Eigenheime und alles, was mit Freizeit und Familie, Sport und Spiel zu tun hat. Beim Kauf von Möbeln und Stereoanlagen, Gardinen und Herren-Parfüms, Küchen und modischen Kleidern seien »Einkaufserlebnisse« gefragt, beobachtete der Chef des Hamburger Otto Versands Günter Nawrath.

Textilgeschäfte zum Beispiel, ermittelte die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), dehnten ihren Umsatzanteil binnen zweieinhalb Jahren von 61,7 auf 63,3 Prozent (Mitte 1977) aus. Der Textilabsatz der Warenhäuser sank in der gleichen Zeit von 12,3 auf 10,8 Prozent.

Obwohl nach Ansicht des Nürnberger Konsumforschers Hans-Jürgen Anders langlebige Haushaltsgeräte vielfach nur noch ersetzt werden, weil sie »bereits mehr oder weniger zur Grundausstattung der Haushalte gehören«, gewinnt Quelles Chef-Managerin Grete Schickedanz der »flauen Konsum-Konjunktur erfreuliche Seiten ab«.

Wenn der Verbraucher verschlissene Geräte ersetze, dann »steigt er auf ein technisch höherwertiges Produkt um und zahlt dafür auch mehr«. Der teuerste Quelle-Farbfernseher etwa laufe derzeit am besten. Eine vor 18 Monaten verkaufte » einfache« Waschmaschine mit Trockner werde inzwischen von vielen Katalogkunden durch eine 500 Mark teurere »Maschine mit Turbo-Trockner« ersetzt. Mit dem »frühen Schwenk zum guten Teuren« erklärt sich Quelle-Chef Hans Dedi seine »antizyklischen Wachstumsraten mitten im Konsum-Koma«.

Selbst die Quelle-Warenhäuser und -Verkaufsstellen, die immerhin für knapp die Hälfte des Konzernumsatzes (1977: 7,4 Milliarden Mark) gut sind, verkauften auf unveränderter Fläche 2,8 Prozent mehr: Die vier Großen aus den Citys, die überwiegend im flächenbereinigten Minus landeten, hatten auch Quelle), Nawrath

den neuen Qualitätstrend nicht voll erwischt.

Bei ihrer hektischen Suche nach neuen Verkaufskonzepten fiel den Konzern-Managern die Entscheidung, wen sie »in dem Zwei-Fronten-Krieg zwischen Verbrauchermärkten und Fachgeschäften« (Deuss) annehmen sollten, offenbar leicht. Alle vier Konzerne beschlossen fast gleichzeitig, den Fachhandel ins Visier zu nehmen.

Karstadt baut seine unrentable Kleinpreis-Tochter Kepa in gut gelegene Spezialgeschäfte für Heimwerker-Bedarf, Sportartikel, Autozubehör und Mitnahmemöbel um. Der Kaufhof startet Ende des Jahres in seinen Kaufhallen an noblen City-Plätzen eine Modehauskette ("Mauricius"), die Boutiquen und Bekleidungshäusern rund 200 Millionen Mark Umsatz im Jahr abjagen soll.

Schlußlicht Horten plant den größten Coup: In rund hundert, später 240 deutschen Bahnhöfen will Vorstandssprecher Hebbering Mini-Warenhäuser für den »täglichen Bequemlichkeits- und Vergessensbedarf« wie Strümpfe und Schirme, Suppen und Seifen einbauen. Geplanter Umsatz: 100 Millionen Mark.

Das »relativ geringe Risiko« und niedrige Personalkosten durch Selbstbedienung werden seinem Unternehmen »hohe Renditen« einspielen, hofft Hebbering. Das Geschäft mit dem Pendler sei schon deshalb gewinnträchtig, weil in Bahnhöfen die üblichen Ladenschlußzeiten nicht gelten.

Seinem Gönner und Aufsichtsrat Andreas Kleffel (Deutsche Bank) machte er das Projekt mit einer Passanten-Zählung schmackhaft: Am 9. Dezember letzten Jahres eilten am ersten geplanten Standort im Wuppertaler Bahnhof (Krefeld und Mönchengladbach sollen folgen) 12 960 »potentielle Kunden« vorbei. Beeindruckt von Hebberings Hochrechnung, willigte Kleffel am vorletzten Donnerstag ein.

Vergangenen Dienstag fiel die nächste Entscheidung. Weil Bundesbahn-Präsident Wolfgang Vaerst darauf bestanden hatte, daß wegen »des zu erwartenden Geschreis der Konkurrenz« eine zweite Handelsfirma einsteigt, prüfte Hebberings Wunschpartner Quelle das Bahnhofsgeschäft.

Dem renditeschwachen Horten-Konzern kommt die Auflage des Staatsmanagers gerade recht. Bislang ist der Branchenvierte lediglich über gemeinsame Anteile an dem Urlaubs-Trust Touristik Union International (TUI) mit Europas größtem Versender verschwistert. Eine gemeinsame Warenhaus-Tochter für die Bahnhofskundschaft würde die Bindung stärken.

Wegen der kartellrechtlichen Brisanz wollen die Freunde der Fusion ihre Anteile an der geplanten Tochter in Etappen ordnen. Zunächst geht Quelle in eine nicht genehmigungspflichtige 24,9-Prozent-Position.

Wenn dann die drei Test-Bahnhofsgeschäfte Gewinne einfahren, soll mit der Bundesbahn gedrittelt werden. Ist erst einmal die Bundesbahn beteiligt -- das offenbar hoffen die Kartellierer -,wird auch das Berliner Bundeskartellamt den Bund der Handelsriesen gutheißen. Am Ende des Prozent-Puzzles, meinen Branchenkenner, könnte gar eine Beteiligung der »Quelle« an Horten stehen.

Die beiden Sparten-Zweiten, Kaufhof und Otto, sind schon etwas weiter. In den ersten Adventstagen verreiste Kaufhof-Vorstand Roesch, um mit dem Otto-Großaktionär Werner Otto (50 Prozent) Einzelheiten zu besprechen. Seinen Aufsichtsräten Karl-Ludwig Bresser (Dresdner Bank) und Paul Lichtenberg (Commerzbank) erschien der Kaufpreis für die Hälfte des Otto-Pakets mit rund 150 Millionen Mark allerdings reichlich hoch.

Ottos Vorstandsvorsitzender Nawrath, der den Konzern von einer halben auf mehr als drei Milliarden Mark Umsatz trieb, will nur »etwas wissen von Unterhaltungen mit dem Kaufhof auf der unteren Ebene von Kundendienst und Spedition«. Doch »Kooperationen auf Teilgebieten, die wegen der Härte des Wettbewerbs die Wirtschaftlichkeit verbessern«, mochte der Katalog-Verkäufer nicht ausschließen.

Selbstbewußt zählt der Otto-Mann seine Mitgift auf: Der Versandhandel sei die »Verkaufsform der Aufsteiger«, weil sie »an Rationalität und Verbrauchernähe« allen anderen Vertriebsformen überlegen sei.

»Rein hypothetisch« sieht auch Wolfgang Bühl er, Schickedanz-Schwiegersohn und Kronprinz im Quelle-Clan, die Vorteile einer Liaison zwischen Warenhaus und Versender vor allem im »Einkauf, Lagerwesen und Kundendienst«.

»Irgendwann in den achtziger Jahren«, schwärmt einer der Fusionsfreunde, »ist aus den alten Warenhäusern und Versandhändlern eine ganz neue Vertriebsform entstanden.« Gehen die Giganten des Handels tatsächlich zusammen, dann wäre der Markt wohl endgültig verteilt.

Dann nämlich würden bislang für unmöglich geltende Vertriebskombinate zwischen bankengesteuerten Aktiengesellschaften und den immer noch mächtigen Versenderfamilien entstehen, die mit jeweils rund zehn Milliarden Mark Umsatz amerikanische Dimensionen erhielten -- ohne die Größe des amerikanischen Marktes.

Die Aussicht, es demnächst mit den Einzelhandelsmächten Karstadt/ Neckermann, Kaufhof/ Otto und Quelle/ Horten zu tun zu haben, ängstigt den obersten Wettbewerbsschützer des Landes schon jetzt. Wolfgang Kartte, Präsident des Bundeskartellamts: »Das wäre eine mittlere Katastrophe.« ·

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