Kaufhof und Karstadt Duell der Leitwölfe
Frankfurt am Main - Dass ausgerechnet Karl-Gerhard Eick sich derart verrechnen konnte! Der eingefleischte Finanzfachmann. Der so gern mit seiner schwäbischen Sparsamkeit kokettiert.
"Ich übergebe das Unternehmen am 1. März sicherlich nicht vollständig besenrein", hatte Thomas Middelhoff, Eicks Vorgänger an der Arcandor-Spitze, dem Neuen noch warnend mit auf den Weg gegeben. Eick dagegen wollte die Krise bei dem Handelskonzern damals noch "als Chance begreifen".
Schließlich war es seine große Chance. Schon als Finanzchef bei der Telekom war Eick ein mächtiger Mann - doch er durfte immer nur im Schatten der strahlenden Chefs die Strippen ziehen. Zuletzt rückte René Obermann an Eick vorbei an die Spitze des Telekommunikationskonzerns. Der Chefsessel bei Arcandor schien dem eleganten Manager mit den zurückgegelten Haaren und dem Hang zu schicken Anzügen vielleicht zu verlockend, um so pedantisch wie gewohnt nachzurechnen. Vielleicht war das Desaster bei der hochverschuldeten Karstadt-Mutter auch einfach zu groß, um es mit einem Blick zu erfassen.
Aber bei Arcandor steht Eick, keine vier Monate nach Middelhoffs denkwürdigem Abgang, mit dem Rücken zur Wand. Die Lage scheint von Tag zu Tag dramatischer zu werden. Bei der Bundesregierung musste Arcandor einen Notkredit über 437 Millionen Euro beantragen, parallel kämpft Eick um eine Staatsbürgschaft von 650 Millionen Euro. Ohne die ist, zumindest für Karstadt, am 12. Juni Schluss. Überlebensnotwendige Kreditlinien laufen aus.
Im Prinzip müsste Eckhard Cordes Eicks verzweifelte Lage gut nachempfinden können. Die beiden haben einiges gemeinsam. Beide fahren Ski und laufen regelmäßig und ausdauernd. Beide Manager gelten zudem als nüchterne Sanierer, als Männer für die harten Fälle. Eick gab bei der Telekom mehr als einmal den Feuerwehrmann. Er übernahm 2007 kommissarisch die kriselnde T-Systems-Sparte und sprang als Personalvorstand ein, als gerade 50.000 Mitarbeiter für weniger Geld länger arbeiten sollten. Cordes sezierte die Daimler-Tochter AEG, brachte die LKW-Sparte auf Vordermann und bereitete den freilich recht glücklosen Zusammenschluss mit Chrysler mit vor.
Vor allem verbindet die beiden ihre berufliche Geschichte. Schließlich schien sich der Metro-Chef, ähnlich wie Eick, vom wilden Ehrgeiz gepackt hilflos übernommen zu haben.
30 Jahre war Cordes bei Daimler , wo er sich vom Trainee zum Chef der Mercedes-Car-Group nach oben arbeitete. Dann wurde Dieter Zetsche an seiner statt Konzernchef. "Ein Leitwolf zu viel an Bord", zitiert die "Zeit" Cordes zu diesem Thema. Also heuerte der 58-Jährige mit der trügerisch brav wirkenden Brille beim Familienkonzern Haniel in Duisburg an - und sorgte dafür, dass dieser seine Beteiligung beim Handelsimperium Metro zu einer Mehrheit machte. So kam Cordes zusätzlich zu seinem Job als Haniel-Oberhaupt noch zu einem Chefsessel bei einem Dax-Dinosaurier.
Mit dem allerdings hat er seitdem ziemlich zu kämpfen.
Cordes wollte den behäbigen Handelsriesen gründlich trimmen, doch die Zahlen blieben weit hinter den ehrgeizigen Vorgaben zurück. Auch die Bemühungen um einen Börsengang der Elektroniktöchter Saturn und Media Markt waren bislang erfolglos. Die Finanzkrise setzte Metro zusätzlich zu. Bis Ende 2008 sackte der Börsenwert auf ein Drittel der ursprünglichen Summe ab.
"Tolle Idee! Auf so ein Angebot habe ich gewartet"
Es ist vielleicht den Parallelen in Charakter und Biografie zu verdanken, dass Cordes und Eick füreinander noch einiges an Respekt übrigzuhaben scheinen. Er schätze Herrn Cordes sehr, gab Eick jüngst in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zu Protokoll. Cordes verfolge eben "seine eigene Interessen", wenn er "die Chance, einen Wettbewerber auszuschalten", wittere, sagte Eick - und fügte hinzu: "Aus seiner Sicht eine logische Sache." Fast will man aus dem Satz ein bisschen Hochachtung herauslesen.
Denn Cordes zieht alle Register. Die Schieflage von Karstadt bietet ihm unverhofft die Möglichkeit, wenigstens eines seiner eigenen Sorgenkinder endlich zu verarzten: die Warenhaustochter Kaufhof. Die will der frühere Daimler-Manager schon lange loswerden, trägt sie doch nur noch fünf Prozent zum Metro-Umsatz bei. Allein: Ein Käufer mit einem akzeptablen Angebot ist nicht in Sicht. Da kommt die Karstadt-Krise wie ein Geschenk des Himmels. Der Masterplan: eine Übernahme des Konkurrenten. Der letzte große Wettbewerber wäre weg, und eine mit gut laufenden Karstadt-Filialen aufgehübschte Deutsche Warenhaus AG wäre nach der Krise sicher gut an die Börse zu bringen, so das Kalkül.
Also schrieb Cordes, als Eick noch mitten in den Vorbereitungsarbeiten für einen Antrag auf Staatshilfe steckte, Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) persönlich. "Für die Zukunftssicherheit der Karstadt-Häuser" sei die Metro AG "zu konstruktiven Gesprächen für eine privatwirtschaftliche Lösung" - etwa "einen möglichen Zusammenschluss von Kartstadt und Galeria Kaufhof" - bereit.
Die "privatwirtschaftliche Lösung", die Cordes sich vorstellt, ist freilich keineswegs die großmütige Offerte, nach der sie im ersten Moment aussieht. "Er will die Zentralverwaltung nicht haben, und er will schon gar keine Schulden übernehmen. Geld möchte er uns auch keines geben", empörte sich der sonst so ausgeglichen wirkende Eick im "Welt"-Interview. Vielen Filialen drohe unter Cordes zudem das Aus. "Tolle Idee! Auf so ein Angebot habe ich gewartet."
Cordes kann nur gewinnen
Es waren wohl Eicks letzte, verzweifelte Versuche, die eigene Verhandlungsposition zu verbessern. Auch der ehemalige Telekom-Manager hat offenbar eingesehen, dass das alterwürdige Warenhaus der Wirtschaftswunderzeit seine besten Zeiten hinter sich hat. Mit der Jahrtausendwende ist die Ära der Shoppingmalls angebrochen. Horten und Wertheim sind schon verschwunden, auch Hertie und Woolworth sind insolvent. Mit einer sanierten und den neuen Zeiten angepassten Deutschen Warenhaus AG könnten wenigstens die gut gelegenen Kaufhof- und Karstadt-Häuser den Trendwechsel noch überstehen, sagen Experten.
Es wundert deshalb wenig, dass Eick und Cordes am 21. Mai gerade einmal eineinhalb Stunden brauchten. Danach hatte man sich geeinigt, dass das Zusammengehen von Kaufhof und Karstadt "grundsätzlich" ein vernünftiger Weg sei.
Nun läuft es also erneut darauf hinaus, dass Eick sich die Bedingungen weitgehend von jemand anderem vorschreiben lassen muss. Denn Cordes sitzt in diesem Spiel eindeutig am längeren Hebel. Er kann nur gewinnen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Guttenberg stehen hinter ihm - eine privatwirtschaftliche Lösung sei wünschenswert, ließ die Kanzlerin am Freitag über Vizeregierungssprecher Thomas Steg ausrichten. Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zufolge erwägt die Regierung, einen Zusammenschluss mit einer Kreditbürgschaften über 450 Millionen Euro zu begleiten.
Schon am Sonntag soll ein Krisengipfel tagen, Eick und Konzern-Aufsichtsratschef Friedrich Carl Janssen wollen mit Cordes und dem Deutschland-Chef der Investmentbank Goldman Sachs, Alexander Dibelius, einen groben Rahmen abstecken und die Zahlungsunfähig in letzter Minute abwenden.
Sollte der Deal gelingen, wäre das Kaufhof-Problem auf einen guten Weg gebracht, und Cordes könnte sich noch als strahlender Arcandor-Retter feiern lassen. Und sollte Arcandor doch noch in die Insolvenz rutschen, pickt er sich am Ende einfach die Rosinen aus der Konkursmasse heraus.
Immerhin - vielleicht kann auch Eick sein Gesicht wahren. Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zufolge soll Cordes wohl doch noch hundert Millionen Euro für Karstadt geboten haben. Vor kurzem hieß es noch, er wolle gar nichts zahlen.