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BANKIERS Kein Wort

Hans Friderichs, Chef der Dresdner Bank und Angeklagter in der Flick-Affäre, klebt an seinem Sessel. Seine Kollegen trauen sich nicht, ihm den Rücktritt nahezulegen. *
aus DER SPIEGEL 28/1984

Hans Friderichs ließ sich nichts anmerken. Routiniert spulte der Dresdner-Bank-Chef am letzten Dienstag die dreistündige Vorstandssitzung ab.

Ausführlich erörterten die elf Bankiers die Lage auf den internationalen Kreditmärkten, die Folgen der Diskontsatzerhöhung und die Auswirkungen des Streiks auf Kunden der Bank.

Tags zuvor hatte das Bonner Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Ex-Flick-Manager Eberhard von Brauchitsch und die beiden ehemaligen FDP-Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff und Hans Friderichs bekanntgegeben. Doch im Spitzengremium der zweitgrößten deutschen Bank kam das Thema mit keinem Wort zur Sprache.

Ungewöhnlich ist das schon: Einer der einflußreichsten deutschen Bankiers muß sich demnächst, vermutlich im Oktober, wegen Bestechlichkeit vor Gericht verantworten - und bleibt im Amt. »Das schadet nicht nur unserer Bank«, erboste sich ein Aufsichtsrat, »damit kommt das gesamte deutsche Bankgewerbe in Verruf, so etwas hielt ich bisher nur in Südamerika für möglich.«

Vergleichbar mit dem Fall Friderichs ist im deutschen Bankwesen allenfalls die Affäre um den Rücktritt des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Westdeutschen Landesbank, Ludwig Poullain. Der Düsseldorfer Staatsbankier war Ende 1977 über einen Beratervertrag mit einem süddeutschen Finanzmakler und WestLB-Kunden gestolpert.

Im Unterschied zu Friderichs wurde Poullain vom Aufsichtsrat der WestLB gezwungen, sein Amt unverzüglich aufzugeben. Erst später beschäftigte sich ein Gericht mit den Vorwürfen; Poullain wurde rehabilitiert. Doch unter den Bankiers der Bundesrepublik galt sein Rücktritt stets als unausweichlich. Die ungeschriebenen Regeln des sensiblen Bankgewerbes sind besonders pingelig.

Für Hans Friderichs allerdings scheinen sie außer Kraft gesetzt. Die Vorwürfe gegen den ehemaligen Bonner Wirtschaftsminister sind die gleichen, die Otto Graf Lambsdorff zum Rücktritt zwangen: Er soll Geld, während seiner Ministerzeit genau 375 000 Mark, vom Flick-Konzern bekommen haben und zugleich die Steuerbefreiungsanträge des Konzerns genehmigt haben.

Vor Gericht soll nun geklärt werden, ob Friderichs als Minister Geld von Flick erhalten hat. Unstrittig ist, daß der allgegenwärtige Konzern durch seinen langjährigen Generalbevollmächtigten von Brauchitsch im Umkreis des FDP-Politikers häufiger Geld streute. Flick stiftete einen 50 000-Mark-Brunnen in Mainz-Lerchenberg, wo Friderichs sich um die Stadtpflege verdient machte. Flick bezahlte das Gehalt einer Sekretärin im FDP-Bezirksbüro Bad Kreuznach, wo Friderichs seinen Wahlkreis hatte.

Als die Ermittlungen der Staatsanwälte auf hohen Touren liefen, machte sich Friderichs durch einen seltsamen Auftritt in Bad Kreuznach verdächtig: Er ließ ein paar Seiten aus dem örtlichen FDP-Kassenbuch heraustrennen und durch den Reißwolf der Dresdner Bank in Frankfurt drehen.

Zwangsläufig zog Friderichs den Namen der Bank, die er seit sechs Jahren leitet, in die Affäre hinein. So bot er Helmut Haeusgen, den Aufsichtsratschef, zu seiner Verteidigung auf. Friderichs erklärte den Staatsanwälten sein häufiges Hantieren mit Flick-Geldern auch damit, daß er sich, freilich nicht als Minister, um die Abwicklung einer Drei-Millionen-Mark-Spende an die FDP gekümmert habe.

Über diese Flick-Gabe sei mit von Brauchitsch bei einem Abendessen geredet worden, an dem auch Haeusgen teilgenommen habe. Haeusgen konnte »keine konkreten Angaben« machen. Aber »aufgrund der Kenntnis der Person Dr. Friderichs'« hielt er »die gegen ihn erhobenen Vorwürfe für nicht zutreffend«. Vorletzte Woche, Friderichs' Minister-Nachfolger Lambsdorff war gerade zurückgetreten, stellte sich Haeusgen erneut demonstrativ vor seinen Vorstandssprecher: Er sehe keinen Grund für einen Rücktritt zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

Und um nur ja keine Zweifel aufkommen zu lassen, schrieb Chef-Kontrolleur Haeusgen Ende Juni an seine 19 Aufsichtsratskollegen: Es bleibe bei der alten Absprache, »Herrn Friderichs von seinen Aufgaben vorübergehend freizustellen, wenn und sobald das Verfahren in Gang gekommen ist«. Und das könne bis zum Spätherbst dauern.

Endgültig ausgeschieden ist Friderichs, so will es Haeusgen, auch dann noch nicht. Der Aufsichtsratschef will sich immer noch ein Hintertürchen offenhalten, um seinen Vorstandssprecher im Falle eines Freispruchs wieder auf den Chefsessel zu setzen. So lange sollen die Vorstandsmitglieder Wolfgang Röller und Wolfgang Leeb die Bank führen.

Doch ganz so glatt, wie Haeusgen sich die Lösung des Problems an der Spitze seiner Bank vorstellt, wird es wohl nicht ablaufen. Intern formiert sich der Widerstand. Einige Aufsichtsratsmitglieder, aber auch leitende Angestellte der Bank melden schwere Bedenken an. »Wir brauchen an der Spitze einen Mann«, so ein Dresdner-Bank-Kontrolleur, »der für die Probleme des Hauses den Kopf frei hat und sich nicht nur um Prozeßakten und Anwaltstermine kümmert.«

Auch im Vorstand der Bank gibt es Überlegungen, wie man es dem Mann an der Spitze am besten nahebringt, daß sein rascher Abgang für die Bank von Nutzen wäre.

Doch den Kritikern fehlt bislang der Mut, das Problem offen anzusprechen. Ausgerechnet jetzt nämlich ist Friderichs' fachliche Stellung in der Bank so unangefochten wie noch nie. Nachdem der Ex-Politiker zunächst als »Deutschlands teuerster Banklehrling« innerhalb der Branche verspottet wurde, hat Friderichs die Bank inzwischen fest im Griff. Die Fehler, die der ungelernte Bankier beim Sanierungsfall AEG machte, sind vergessen.

Überdies fühlt sich Friderichs durch mancherlei Zuspruch von außen in seiner Position gestärkt: Die Flick-Affäre gilt in weiten Teilen der Wirtschaft als ein aufgebauschtes Kavaliersdelikt.

Neuerdings glaubt Friderichs sogar, daß Volkes Stimme auf seiner Seite ist. Seine Ehefrau Erika hat als FDP-Kandidatin im Mainzer Kommunalwahlkampf vergleichsweise gut abgeschnitten.

Helmut Haeusgen, der Aufsichtsratschef, der Friderichs schon so lange und demonstrativ verteidigt, wäre von Amts wegen der Mann, der den Bank-Chef zur Aufgabe bewegen müßte. Doch Haeusgens Autorität hat in letzter Zeit gelitten. In der überaus empfindsamen Bankenzunft wird ihm übelgenommen, daß er sehr eng mit dem Frankfurter Bankier Ferdinand Graf von Galen befreundet war, der im Geldgewerbe seit seiner Pleite als Unperson abgestempelt ist.

Der einzige Friderichs-Rivale im Vorstand der Bank, der ebenso gescheite wie ruppige Manfred Meier-Preschany, war bereits Anfang April ausgeschieden. »Meier-Presch«, wie er in der Branche heißt, war des monatelangen Gezerres um den Chef-Stuhl der Dresdner Bank leid. Kein Wunder, daß er letzte Woche als einziger offen redete: »Ich kann das Verhalten von Herrn Haeusgen schon seit Monaten nicht begreifen.«

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