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WERFTEN Keine müde Mark

Bei den Aufträgen für mehrere Fregatten muß nicht nur Bonn zuzahlen. Die Bremer Vulkan-Werft steckt in einer Finanzklemme.
aus DER SPIEGEL 27/1981

Werner Schirmer, Vorstandsmitglied der Bremer Vulkan AG, wunderte sich über die schlappen Kollegen. »Es ist erstaunlich«, fand der Werftmanager, »mit welch geringen Renditen namhafte Konzerne sich begnügen.«

Neuerdings müßte Schirmer seine Kollegen besser verstehen: Der Manager hat sich bei einem Großauftrag so deftig verkalkuliert, daß die Werft, die gut 4000 Mitarbeiter beschäftigt, in eine üble Finanzenge geraten ist.

Dabei galt der Auftraggeber in der Werftbranche bislang als Garant für sichere Gewinne: Das Bonner Verteidigungsministerium orderte Mitte der siebziger Jahre sechs Fregatten.

Da die Vulkan-Techniker noch nie ein derartiges Kriegsschiff gebaut hatten, galt die Auftragsvergabe zwar schon damals als falsche Entscheidung. Aber die Bremer erhielten den Zuschlag als Generalunternehmer, weil sie über die beste Lobby verfügten.

Die Vulkan-Werft übernahm die gesamte Planung und den Bau einer Fregatte. Die übrigen fünf Kriegsschiffe werden bis 1984 auf vier anderen Werften zusammengeschweißt. Auch in diese Schiffe bauen die Bremer die kostspielige Elektronik und zum Teil auch die Maschinen ein.

Zunächst entwickelte sich das Geschäft ganz zur Zufriedenheit der Werftmanager. Durch Extrawünsche der Militärs und steigende Preise kletterte der Auftragswert von 1,89 Milliarden Mark auf 2,58 Milliarden im Jahr 1979. Im vergangenen Jahr lagen die Kosten bereits bei gut drei Milliarden. Die neueste Hochrechnung ergibt für 1981 sogar runde 3,5 Milliarden.

Diese Preissprünge nahmen Bonns Militärplaner und das Bundeswehr-Beschaffungsamt in Koblenz offenbar als handelsüblich hin. Doch im August vergangenen Jahres wurde das gedeihliche Miteinander zum erstenmal gestört.

Abgesandte der Bremer Vulkan präsentierten in Koblenz eine offene Rechnung über 182 Millionen Mark. Begründung: Zusatzforderungen der Militärs seien ins Geld gegangen. Wenige Tage später korrigierten die Werftmanager die Zahl auf 208 Millionen.

Ende März dieses Jahres reiste eine Bremer Delegation erneut nach Koblenz. Inzwischen sei der offene Betrag, gerechnet zu Preisen von Ende 1976, auf 264 Millionen Mark angewachsen. Diesmal gaben die Werftmanager kleinlaut zu, sich auch verrechnet zu haben. Statt der vorgesehenen 1,2 Millionen Konstruktionsstunden nämlich setzen die Bremer inzwischen 1,8 Millionen Stunden an.

Auch die Produktion gestaltete sich schwieriger als gedacht. Die nur sechs Millimeter starken Außenwände der Fregatten sind mühsamer zu verschweißen, als es die Vulkan-Techniker von dickwandigen Handelsschiffen kennen. Die fieselige Handarbeit wird pro Kriegsschiff 260 000 zusätzliche Fertigungsstunden ausmachen.

Die leichtfertigen Berechnungen hatten die Bremer in der Hoffnung auf weitere Fregatten-Aufträge angestellt. In der ersten Planungsphase verhandelten Vulkan-Verkäufer auch mit dem Schah des Iran über eine Lieferung.

Überdies verließen sich die Werftmanager darauf, daß die Bundeswehr irgendwann die ursprünglich vorgesehenen 12 Fregatten ordern würde. Noch im Frühjahr versuchten sie, Bonns Militärplanern wenigstens zwei weitere Schiffe zu verkaufen, um die festen Produktionskosten zu senken.

Als die Bonner Geldnot den Zusatz-Auftrag verhinderte, suchte der Vulkan-Vorstand einen anderen Dreh: Bonn soll rund 120 Millionen Mark zahlen, weil der Fregatten-Bau auf fünf Werften verteilt und dadurch teurer geworden sei.

Doch am Mittwoch vergangener Woche waren sich alle Parteien im Bonner Haushaltsausschuß einig: »Keine müde Mark.« Die Mehrkosten seien im Preis inbegriffen.

Die Hartnäckigkeit der Bremer ist verständlich. Bis 1984, wenn die letzte Fregatte abgeliefert werden soll, dürfte die Fehlkalkulation fast 400 Millionen Mark kosten.

Zusätzliche Sorgen bereitet den bedrängten Werftmanagern ein anderer Auftrag. Am Bau des Luxuspassagierschiffes »Europa« verlieren die Bremer 80 bis 100 Millionen Mark.

Zu einem Kaufpreis von 170 Millionen hatte die Vulkan zur Verwunderung der Branche den Auftrag von Hapag-Lloyd hereingeholt. Doch bei den »Koreanern von der Weser«, so ein Konkurrent, stimmte die Konstruktion nicht. So, wie es geplant war, hätte das Schiff kaum schwimmen können.

Dreimal mußte der Rumpf um insgesamt zwei Meter verbreitert werden. Da die »Europa« auch noch etwas gelängt werden mußte, vergrößerte sich das Schiff von ursprünglich geplanten 27 000 auf 35 000 Bruttoregistertonnen.

Die Umbauten brachten die Vulkan in Zeitverzug. Nur mit kostspieligen Überstunden läßt sich der Abgabetermin im Herbst überhaupt noch einhalten. Schaffen es die Vulkan-Arbeiter nicht, droht Hapag-Lloyd mit einer ungewöhnlich hohen Konventionalstrafe: Jeder Tag Verspätung würde die Bremer knapp 100 000 Mark kosten.

Die Schwierigkeiten der Werft beschäftigen in Bremen inzwischen auch die Politiker. Da neben der Vulkan auch die zweite Bremer Großwerft AG Weser in Nöten ist -- Großaktionär Krupp schoß gerade wieder 70 Millionen Mark zu --, strebt Bremens SPD danach, die beiden Kranken zu einer gesunden Werft zu fusionieren.

Vulkan-Großaktionär Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza hat eine andere Strategie: Er setzt sich angesichts der Schwierigkeiten ab. In aller Stille verkaufte Thyssen-Bornemisza kürzlich ein größeres Aktienpaket; er besitzt nur noch gut ein Drittel der schlingernden Werft.

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