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»Keiner zwingt zum Autokauf«

aus DER SPIEGEL 34/1990

SPIEGEL: Herr von Kuenheim, im Umweltlexikon steht der Satz: Straßenverkehr ist Umweltproblem Nummer eins. Sehen Sie das auch so?

VON KUENHEIM: Nein.

SPIEGEL: Autos machen Lärm. 65 Prozent der Bundesbürger fühlen sich belästigt. Sie haben einen riesigen Flächenverbrauch, das Straßennetz der Bundesrepublik beansprucht soviel Raum wie das ganze Saarland. Autos stoßen gewaltige Abgasmengen aus. Es gibt kein anderes technisches Produkt, das die Umwelt derart schädigt.

VON KUENHEIM: Vorab ein Hinweis: Die Fläche des Saarlandes umfaßt nur etwas mehr als ein Prozent der Bundesrepublik. Ist dieser Bedarf an Flächen für die Straßen nicht überraschend gering? Kommen wir zum Lärm. Das Automobil ist daran ebenso beteiligt wie die anderen Verkehrsträger, also Bahn, Flugzeug und nicht zu vergessen: Lastkraftwagen. Jedoch: Wer an einer Bundesbahnstrecke wohnt, wird mindestens so von Lärm belästigt wie der Anrainer einer Autobahn . . .

SPIEGEL: . . . Einspruch. Umfragen bestätigen eindeutig, daß Eisenbahnlärm subjektiv weniger störend empfunden wird als Straßenlärm.

VON KUENHEIM: Ich weiß nicht, ob Sie mal am Bahnhof Zoo in Berlin gewohnt haben, und den Lärm der S-Bahn dort gehört haben.

SPIEGEL: Dieser Standort ist ja wohl nicht die Regel.

VON KUENHEIM: Er ist für viele aber auch nicht die Ausnahme. Das Automobil, der Individualverkehr, erbringt nun mal eine mehr als zehnfache Verkehrsleistung als die Bahn. Das Problem ist ja nicht das einzelne Automobil. Das Problem ist die massenhafte Anwendung in einem Land, das mehr oder weniger überbevölkert ist.

SPIEGEL: Einverstanden.

VON KUENHEIM: Was das einzelne Automobil anbelangt, können wir feststellen, daß die Geräuschentwicklung in den letzten zehn, zwölf Jahren erheblich vermindert wurde. Am schlimmsten ist im übrigen das Moped, bei dem der Schalldämpfer ausgebaut worden ist und das nachts um zwei Uhr durch leere Straßen knattert - und das ist ungesetzlich, da muß die Polizei eingreifen.

SPIEGEL: Autofahren kann eine angenehme Art der Fortbewegung sein. Das einzelne Auto ist auch umweltfreundlicher geworden. Aber die Zahl der Autos ist so stark gestiegen, daß in der Summe die Belästigung - Lärm, Abgase, Flächenverbrauch - zugenommen hat.

VON KUENHEIM: Also, Kohlenwasserstoffe oder Stickoxide werden ganz rapide zurückgeführt. Der Straßenverkehr wird Mitte dieses Jahrzehnts trotz eines inzwischen um mehr als das Doppelte gestiegenen Bestands weniger dieser Schadstoffe abgeben als Anfang der siebziger Jahre. Das ist eine tolle Leistung. Ernst zu nehmen ist Kohlendioxid . . .

SPIEGEL: . . . das im Gegensatz zu den eben angeführten Stoffen nicht durch den Katalysator abgefangen wird, und das für den Treibhauseffekt mitverantwortlich gemacht wird.

VON KUENHEIM: Ja, aber die Automobile stehen bei den Kohlendioxid-Emissionen erst an dritter Stelle. Das meiste Kohlendioxid in der Bundesrepublik geben Kohlekraftwerke ab, an zweiter Stelle steht der Hausbrand . . . _(* Dietmar Hawranek, Wolfgang Kaden; vor ) _(dem Münchner BMW-Museum. )

SPIEGEL: . . . weil die Menschen nicht frieren wollen. Was den Autoverkehr zum Umweltproblem Nummer eins macht, ist doch die Zusammenballung so vieler schädlicher Folgen.

VON KUENHEIM: Die Kraftwerke stoßen etwa dreimal soviel Kohlendioxid aus wie die Automobile. Das kann man doch nicht vernachlässigen, solange Kohlendioxid als Gefahr gesehen wird - was bekanntlich sehr umstritten ist.

SPIEGEL: Könnten Sie denn wenigstens der Feststellung zustimmen, daß nach Jahrzehnten der Begeisterung das Automobil nun kritischer betrachtet wird?

VON KUENHEIM: Nicht so sehr von den Bürgern, vor allem in der Presse.

SPIEGEL: Ach ja, die bösen Journalisten . . .

VON KUENHEIM: . . . nein, das nicht. Ich wehre mich aber gegen diese Schwarzweißmalerei. Die Bürger entscheiden sich gänzlich frei für das Automobil, keiner zwingt sie zum Autokauf, zur Autonutzung. Wir haben kein Recht, das für unmoralisch zu erklären. Im letzten Jahr haben sich neun Millionen Menschen in der Bundesrepublik mit ihrem Wahlzettel fürs Auto entschieden. Der Wahlzettel war sehr teuer, denn sie haben einen Scheck ausschreiben müssen. Neun Millionen Menschen haben ein neues Auto oder einen Gebrauchtwagen gekauft. Es gibt kaum eine stichhaltigere Untermauerung der Auffassung, daß weiterhin ein sehr großer Wunsch nach dem eigenen Auto besteht.

SPIEGEL: Das bestreiten wir doch nicht. Wir stellen nur fest, daß ein vertieftes Nachdenken über dieses Verkehrsmittel nötig ist.

VON KUENHEIM: Das Nachdenken haben wir schon viel früher angefangen. Die Frage ist: Wie können wir uns die Annehmlichkeiten des Autos erhalten, ohne daß dieses Verkehrsmittel anderen zur Last wird? Es stört mich ja nicht mein Auto, es stört mich ja Ihr Auto.

SPIEGEL: Die anderen verursachen den Stau, der mich behindert.

VON KUENHEIM: Just das ist das Problem. Aus diesem Grund beschäftigen wir uns seit einigen Jahren mit der Frage: Sind wir in der Lage, ein kooperatives Verkehrssystem zu schaffen? Wir wollen nicht Auto, Flugzeug oder Bahn gegeneinander ausspielen. Wir wollen nicht, daß die Benutzung eines Verkehrsmittels einen höheren moralischen Wert bekommt als die Benutzung eines anderen. Wenn wir dahin kommen, daß jede Transportart eine Ergänzung zur anderen ist und jedes Verkehrsmittel für bestimmte Zwecke besser geeignet ist als andere, dann sind wir schon ein gutes Stück weiter.

SPIEGEL: Was wäre da konkret zu tun?

VON KUENHEIM: Wir sollten beispielsweise die Parkplatz-Sucherei in den Städten beschränken. Aus München wissen wir, daß am Samstagvormittag 75 Prozent des Verkehrs Parkplatz-Suchverkehr in der Innenstadt ist. Das muß nicht sein, mit Leitsystemen können die Autofahrer zu den freien Plätzen geführt werden. Ein anderes Beispiel: Es ist nicht einzusehen, daß so viele Menschen aus den Vorstädten zu einem Arbeitsplatz in der Innenstadt mit dem Auto fahren. Wenn es an den U- und S-Bahnen mehr bequeme Parkplätze gäbe, würden mehr Menschen Auto und Bahn miteinander verbinden. Als Automobilhersteller sind wir dafür, daß die S- oder U-Bahnen weiter ins Land verlängert und die Taktzeiten der Züge verkürzt werden.

SPIEGEL: Aufgeklärte Unternehmer wie Volvo-Chef Pehr Gyllenhammar schlagen vor, das öffentliche Verkehrssystem in den Städten erheblich zu verbessern und dann die Innenstadt ganz für den Autoverkehr zu sperren.

VON KUENHEIM: Warum nicht? Bloß, diese Diskussion sollten wir einigermaßen selbstlos führen. Daß Gyllenhammar sich derart für den Omnibus einsetzt, ist aus der Sicht von Volvo natürlich sehr verständlich . . .

SPIEGEL: . . . Volvo baut Busse.

VON KUENHEIM: Ja. Aber kommen wir aufs Thema zurück. Wir müssen uns in den Städten mehr einfallen lassen. In München arbeiten wir gegenwärtig an einem Pilotprojekt für eine intelligentere Verkehrslenkung. Wir sind der Auffassung, daß man mit etwas klügerer Verkehrslenkung etwa ein Drittel aller Staustunden verhindern kann. Auf diese Weise ginge der Treibstoffverbrauch erheblich zurück und damit auch die Produktion von Kohlendioxid.

SPIEGEL: Verkehrsleitsysteme mögen nützlich sein. Nur zeigen Sie da mit dem Finger auf die anderen, die Städte, die sollen etwas unternehmen.

VON KUENHEIM: Nein, die Initiative dazu haben wir ergriffen.

SPIEGEL: Aber die öffentlichen Hände sollen die Verkehrsleitsysteme kaufen und unterhalten.

VON KUENHEIM: Nein, wir machen auch das. Wir wollen ja durch unsere Vorleistung zeigen, daß man das Zusammenleben zwischen den Menschen erleichtern, daß man bei der Lösung von Verkehrsproblemen helfen kann.

SPIEGEL: Gibt es eine spezifische Verantwortung der Industrie für ihr Produkt? Sie vermitteln uns nicht den Eindruck, daß es die gibt. Die Autos sind immer größer geworden, die Motoren stärker und die Spitzengeschwindigkeiten immer höher. Ist dieser Trend unvermeidlich?

VON KUENHEIM: Nein, dieser Trend ist vermeidbar. Deswegen werden wir auch eine ständige Aufrüstung, die uns von der Kundschaft vorgeschlagen wird, nicht mitmachen.

SPIEGEL: BMW will sich in weiser Selbstbeschränkung üben?

VON KUENHEIM: Sie schneiden hier die Frage an: Hat die Industrie das Recht oder die Pflicht, den mündigen Bürger, der ihr Kunde ist, zu erziehen oder zu belehren? Wenn eine echte Nachfrage da ist, keine künstlich gemachte, dann haben wir doch zunächst die Pflicht, diese zu befriedigen. Wir dürfen hier nicht nur Deutschland sehen, sondern auch das Ausland, beispielsweise die ostasiatischen Wettbewerber. Diese versuchen in das Feld der großen und schnellen Limousinen, in dem sie früher nicht vertreten waren, einzudringen.

SPIEGEL: Die Zwänge des globalen Wettbewerbs veranlassen Sie zu pausenloser PS-Aufrüstung?

VON KUENHEIM: Wir lagen bisher stets vorn. Und deswegen haben wir es auch nicht nötig, dieses bis zum Ende weiterzutreiben.

SPIEGEL: Der PS-Wahn soll tatsächlich nicht weitergetrieben werden? Sie wollen sich anderen Aufgaben zuwenden?

VON KUENHEIM: Diesem Wahn sind wir nie erlegen. Vielleicht ist es Ihnen entgangen: Wir beschäftigen uns seit langem mit der Verminderung der Umweltbelastung. Dieser Weg wird weitergegangen, und langfristig erforschen wir den Elektro- und Wasserstoffantrieb, um nur zwei Beispiele herauszugreifen. BMW-Elektro-Automobile laufen in der Alltagserprobung der Bundespost. Wir reduzieren aber auch den Treibstoffverbrauch unserer Serienautomobile weiter. Die Vertreter der Automobilindustrie haben dem Bundeskanzler Ende Juni zugesagt, daran zu arbeiten, daß bis zum Jahre 2005 der Verkehr 25 Prozent weniger Kohlendioxid ausstößt.

SPIEGEL: Die Industrie ist sicherlich nur begrenzt zur Selbstbeschränkung fähig. Vielleicht wäre es viel sinnvoller, wenn der Staat endlich aufhören würde, das Automobil zu subventionieren. Der Autoverkehr wächst doch auch deswegen so stark, weil er seine Kosten nicht selbst tragen muß. Autofahren ist zu billig.

VON KUENHEIM: Stimmt Ihre These, daß der Autoverkehr subventioniert wird? Die Automobilsteuern, die Kraftfahrzeug- und die Mineralölsteuer, wurden ursprünglich eingeführt, damit der Automobilverkehr seine Kosten selbst ausgleicht. Heute ist der Gesamtertrag aus Mineralöl- und Kraftfahrzeugsteuer etwa zweimal so hoch, wie in den Verkehr, in den Straßenbau oder ähnliches hereingesteckt wird. Die Einkünfte aus einer ursprünglich zweckgebundenen Steuer fließen inzwischen in den allgemeinen Haushalt. Ich rechte nicht darüber, ich stelle es nur fest.

SPIEGEL: Die Rechnung ist unvollständig, weil noch nicht mal alle dem Straßenverkehr direkt zurechenbaren Kosten drin sind. Dazu gehört beispielsweise der Aufwand für die Verkehrspolizei, dazu gehören die Unfallfolgekosten, die über die Krankenversicherung laufen.

VON KUENHEIM: Das ist ihre Version, aber es ist fast nicht möglich, mathematisch genau zu ermitteln, wie hoch die Kosten des Straßenverkehrs sind. Schließlich müßten Sie den Kosten auch den Nutzen gegenüberstellen.

SPIEGEL: Lassen Sie uns für Sie unverdächtige Zeugen zitieren. Die Deutsche Bank hat kürzlich in einer Verkehrsstudie festgestellt: »Unbestritten ist, daß die Verkehrsträger in der Bundesrepublik in unterschiedlicher Weise belastet werden und damit der freie Wettbewerb verfälscht wird.« Allein die vom Straßenverkehr verursachten Umweltschäden, die sogenannten sozialen Kosten, taxiert die Bank auf mindestens 50 Milliarden Mark im Jahr.

VON KUENHEIM: Aber auch über diese grobe Größe wird man sich mit Sicherheit genauso streiten können, nach oben wie nach unten.

SPIEGEL: Über eine Milliarde mehr oder weniger wollen wir nicht rechten. Tatsache ist: Der Straßenverkehr wird subventioniert.

VON KUENHEIM: Wer subventioniert denn wen? Bei über 30 Millionen Automobilbesitzern in der Bundesrepublik ist doch nahezu jeder Haushalt auch Nutznießer des Automobils. Und hat die Volkswirtschaft, haben die Menschen keinen Nutzen aus der Mobilität? Die Mobilität von Menschen und Gütern ist doch einer der Faktoren unseres Wohlstandes.

SPIEGEL: Daß Nutzen entsteht, bestreiten wir nicht. Dürfen wir Sie jetzt noch mit einem weiteren Zitat belästigen? Es lautet: »Jeder Verkehrsträger muß soweit wie möglich die Kosten seiner Verkehrswege, aber auch die Kosten der von ihm verursachten Umweltbelastungen tragen.« Würden Sie dieser Aussage des CDU-Programms »Unsere Verantwortung für die Schöpfung« zustimmen?

VON KUENHEIM: Grundsätzlich ja. Ich glaube, die Bevölkerung würde verstehen, wenn man die echten Kostenerzeuger auch mit diesen Kosten belastet. Diese Spielregel muß aber für alle Systeme gelten, nicht nur für den Autoverkehr.

SPIEGEL: Der politische Druck, das Autofahren zu verteuern, wächst. Sind Sie eigentlich generell dagegen, daß Autofahren teurer gemacht wird, beispielsweise über die Mineralölsteuer?

VON KUENHEIM: Der Autofahrer achtet beim Kauf eines Wagens durchaus auf den durchschnittlichen Verbrauch, das berichten uns immer wieder unsere Verkäufer. Im täglichen Umgang mit dem Automobil gibt es jedoch einzelne Autofahrer, die ziemlich sorglos mit dem Benzinverbrauch umgehen. Vielleicht hat auch das etwas mit dem Preis zu tun. Benzin ist heute billiger als vor acht oder neun Jahren, real wie vor allem auch bezogen auf die durchschnittlichen Einkommen. Das war natürlich das falsche Signal. Die augenblickliche Preisbewegung korrigiert das bereits.

SPIEGEL: Das verstehen wir als ein Plädoyer für eine höhere Mineralölsteuer.

VON KUENHEIM: Nein, das nicht. Es geht generell um den Verbrauch von Energie. Ich möchte diese Frage trennen von Ihrer Frage der Kosten, die das Automobil verursacht. Das sind eigentlich zwei verschiedene Dinge . . .

SPIEGEL: . . . Sie sähen es gern getrennt. Wir finden, es gehört zusammen.

VON KUENHEIM: Es muß ja getrennt gesehen werden, denn Energie wird auch auf andere Weise verbraucht, über die Abnahme von Elektrizität oder die Heizung.

SPIEGEL: Es gibt die Möglichkeit den Energieverbrauch durchs Auto zu verteuern, es gibt die Möglichkeit einer allgemeinen Energiesteuer. Und Umweltminister Töpfer will das Auto mit einer Abgassteuer belasten.

VON KUENHEIM: Wobei es mir schwerfällt zu verstehen, wie man die Abgase mißt. Man kann ja nicht jedes Auto mit einem Abgasmesser ausrüsten, wie die Heizung einer Mietwohnung mit einem Wärmemeßgerät, das dann am 30. eines Monats abgelesen wird. Die Regierung muß für jedes Auto einen rechnerischen Indexwert festlegen, doch das sind nur grobe Annäherungswerte.

SPIEGEL: Das wäre sehr willkürlich?

VON KUENHEIM: Ja. Ich bin immer dagegen, wenn der Faktor Willkür entscheidend ist. Aber kommen wir zurück zur Frage, ob die verschiedenen Möglichkeiten, mobil zu sein, richtig belastet werden. Es ist eben außerordentlich schwer, die Kosten der Mobilität klar zu definieren. Mein Petitum ist, willkürliche Entscheidungen so klein wie möglich zu machen. Aber alles, was rechenbar ist, zu berechnen. Auch die Umweltkosten des Automobils können wir nicht außen vor lassen.

SPIEGEL: Wir reden im Moment mit einem Hersteller von Automobilen, nicht mit dem Chef eines Chemiekonzerns.

VON KUENHEIM: So ist es. Aber nicht das Automobil allein schafft die Belastung, sondern die Menschen verursachen sie. Dasselbe Automobil kann je nach Fahrweise 30 oder 40 Prozent mehr oder weniger Treibstoff verbrauchen.

SPIEGEL: Wenn der Preis hoch genug ist, wird die Neigung, das Auto umweltfreundlicher zu benutzen, größer sein.

VON KUENHEIM: Ja, ich möchte im übrigen darauf hinweisen: Wir dürfen dies alles nicht zu sehr auf Deutschland beschränken. In Amerika kostet der Treibstoff heute noch knapp die Hälfte dessen, was in der Bundesrepublik zu bezahlen ist. Und was Kohlendioxid anbelangt: Ganz Deutschland ist am weltweiten Kohlendioxid-Ausstoß, der von Menschen produziert wird, mit etwa drei oder dreieinhalb Prozent beteiligt. Wir müssen uns fragen: Was machen wir mit den übrigen 96 oder 97 Prozent? Nur deutsches Vorbild allein genügt da nicht.

SPIEGEL: Bleiben wir im eigenen Land. Umweltminister Töpfer forderte kürzlich, der DIN-Verbrauch müsse bis zum Jahr 2000 von neun Liter pro 100 Kilometer auf fünf Liter gesenkt werden. Sind Sie damit einverstanden?

VON KUENHEIM: Solche Ziele sind im Moment rein technisch betrachtet etwas illusionär. Der Minister sollte nicht bloß an die Autohersteller appellieren, sondern sollte auch die Gründe für großen Treibstoffverbrauch beseitigen, also beispielsweise die Staus. Der Treibstoffverbrauch und die Schadstoffabgabe bei stockendem Verkehr ist ungefähr viermal so hoch, als wenn Sie dieselbe Strecke bei flüssigem Verkehr befahren. Wir haben beispielsweise direkt vor unserer Haustür den Streit, ob ein Teil des Mittleren Rings in München kreuzungsfrei ausgelegt wird. Das würde sehr viel mehr Treibstoffersparnis bringen, als man technisch am Auto herausholen kann.

SPIEGEL: Also wieder die anderen. Was passiert in der Industrie? Werden Sie den Treibstoffverbrauch gravierend weiter senken?

VON KUENHEIM: Ja, aber was ist gravierend?

SPIEGEL: Fünf statt neun Liter wäre gravierend.

VON KUENHEIM: Ich halte bei unseren heutigen technischen Möglichkeiten diesen Schritt für nicht realistisch. Aber eine gewisse Einsparung halte ich für denkbar. Auch auf die Gefahr hin, wieder auf andere zu verweisen: Wir könnten beispielsweise den Energieverbrauch im Verkehr erheblich einschränken, wenn nicht ein Drittel aller Nutzfahrzeuge leer durch die Gegend führen . . .

SPIEGEL: . . . Sie reden vom Werkfernverkehr, der nur Lasten des eigenen Unternehmens transportieren darf?

VON KUENHEIM: Ja. Das sind mittelalterliche Konzessionsrechte. Wenn wir dieses völlig überholte System aufheben würden, täten wir Erhebliches, um Lärm, Treibstoffverbrauch und Abgas zu reduzieren. Wir müssen auch an solche heiligen Kühe heran.

SPIEGEL: Einverstanden. Doch wir wollen gern bei Ihrer Branche bleiben. Töpfer hat das Stichwort des Flottenverbrauchs in die Debatte geworfen: Wie in den USA sollen alle Modelle eines Unternehmens nicht über einem bestimmten DIN-Verbrauch liegen. Was halten Sie davon?

VON KUENHEIM: Nichts. Weil dies in den USA zu einer völligen Fehlentwicklung geführt hat. Weil die einzelnen Automobilie und vor allem die einzelnen Autofahrer damit nicht direkt beeinflußt worden sind. Und weil es zudem zu grotesken industriellen Fehlentwicklungen führt. Um auf den erlaubten Durchschnitt zu kommen, geht ein Hersteller, der größere Autos baut, eine Kooperation mit dem Produzenten kleinerer Fahrzeuge ein. Das ist eine Augenwischerei. Es hat in Amerika die Treibstoffverbrauchs-Reduzierung überhaupt nicht beeinflußt.

SPIEGEL: Wir gewinnen zunehmend den Eindruck, daß Sie am liebsten nichts ändern würden. Das Verursacherprinzip im Umweltschutz soll auf das Automobil nicht angewendet werden, das Autofahren soll nicht teurer werden.

VON KUENHEIM: Das ist geschickt von Ihnen formuliert, aber das habe ich so nicht gesagt.

SPIEGEL: Wir wollen nur wissen, wo Sie stehen.

VON KUENHEIM: Ich habe ganz klar gesagt: Es macht keinen Sinn, das Automobil allein weiter zu belasten. Wenn die Kosten eindeutig definierbar sind und nicht nur ideologisch behauptet werden . . .

SPIEGEL: . . . sind die Autoren der Deutsche-Bank-Studie Ideologen?

VON KUENHEIM: Wenn es klar zurechenbar ist, dann muß derjenige, der den Umweltschaden verursacht, die Kosten tragen. Das gilt aber dann für alles, es gilt nicht nur fürs Auto. Dann gilt es auch für Eisenbahn, Straßenbahn, Omnibus und Fahrrad.

SPIEGEL: Die Deutsche Bank errechnete »eine Subvention des Straßenverkehrs von rund sechs Pfennig je Tonnen-Personenkilometer, für die umweltschonende Bahn und die Binnenschiffahrt von knapp einem Pfennig«.

VON KUENHEIM: Ich weiß nicht, wie die Deutsche Bank auf diese Zahlen gekommen ist, und ich kann sie nicht nachvollziehen.

SPIEGEL: Wir müssen uns mit Aussage gegen Aussage abfinden, Kuenheim gegen die Deutsche Bank.

VON KUENHEIM: Daran trage ich nicht schwer. Darf ich noch an folgendes erinnern? Die Automobilindustrie hat bereits 1972 und danach immer wieder vorgeschlagen, die Kraftfahrzeugsteuer abzuschaffen und den entsprechenden Betrag aufs Benzin zu legen, damit der, der weniger ökonomisch oder mehr fährt, das auch tragen muß.

SPIEGEL: Das ist vernünftig.

VON KUENHEIM: Es ist damals und später von der politischen Seite abgelehnt worden. Sie kennen den Grund. Die Mineralölsteuer steht dem Bund zu, die Kraftfahrzeugsteuer den Ländern. Es sind eben auch politische Entscheidungen mit Mut zu fällen, um die anstehenden Probleme zu lösen. Es ist zwar populär, aber auch falsch, einen Durchschnittsverbrauch von fünf Litern vorzuschreiben. Man muß die Probleme umfassend angehen.

SPIEGEL: Herr von Kuenheim, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

* Dietmar Hawranek, Wolfgang Kaden; vor dem Münchner BMW-Museum.

D. Hawranek, W. Kaden
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