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LUFTFAHRT Keramik statt Plastik

Die Fluggesellschaften umwerben die Vollzahler. Doch die haben oft nicht viel davon. *
aus DER SPIEGEL 52/1983

Für die Konkurrenz hatten die Manager der Schweizer Fluggesellschaft Swissair bis vor kurzem nur Spott übrig. Sie bräuchten, so verkündeten die Schweizer in ganzseitigen Anzeigen, »keine King-Lounge-Class, keine Klapper-Flopper-Class und keinen Golden-Edelweiß-Service einzuführen«.

Nun sind auch die Schweizer beim Klapper-Flopper-Spiel dabei. Vom 1. April 1984 an, so beschloß vergangene Woche der Swissair-Verwaltungsrat, bietet die Schweizer Gesellschaft ebenfalls eine dritte Klasse zwischen erster und Economy an.

Die ist, wie bei den anderen großen Fluggesellschaften, auch den sogenannten Vollzahlern vorbehalten. Das sind vor allem Geschäftsleute, die ohne irgendeine Tarifermäßigung zum regulären Preis fliegen.

Allerlei wohlklingende Namen sollen den Geschäftsreisenden den Eindruck von Exklusivität und einen Hauch von Luxus vermitteln. Bei der Air France heißt es »Le Club«, bei TWA »Ambassador Class« und »Connaisseur Service« bei den Kanadiern. Die SAS bietet eine »First Business Class«, die Lufthansa, etwas schlichter, eine »Business Class«.

Selbstbewußt hatte die Swissair vor kurzem noch geprahlt, sie bedauere, »nicht etwas einführen zu können, das sie schon immer hatte: eine Klasse für Geschäftsleute«. Das Zweiklassenkonzept, schrieb das Swissair-Management anläßlich der Vorlage seines Geschäftsberichts (Verlust im Luftverkehr: rund 70 Millionen Franken), sei »noch immer eine bessere Lösung als eine zwar werbewirksamere, aber zwangsläufig unzulängliche Drei-Klassen-Einteilung«.

Die Kehrtwende der Swissair zeigt, wie hart der Wettbewerb um die Spesen-Flieger geworden ist. Die meisten Fluggesellschaften können längst nur über die Vollzahler eine ausreichende Rendite verdienen.

So mühen sich die Werbemanager unablässig, den angeblich einmaligen Service der jeweiligen Gesellschaft herauszustreichen. »Unser neues Angebot hebt uns ab«, beteuert Air France für den am 1. November eingeführten »Club« in einer »exklusiven Kabine mit nur acht Sitzen in einer Reihe«.

Alitalia preist ihre Vollzahler-Klasse an als »wirklich nicht zu unterscheiden von First Class«. Die Italiener bieten viel Raum, zwei Sitze auf jeder Seite, vorn im Bug, wo einst die erste Klasse lag.

British Airways lockt für seinen »Super Club« auf den Nordatlantikstrecken mit den »breitesten Sitzen in der Luft« - immerhin 61 Zentimeter. Enger ist es mit 46 Zentimetern im Lufthansa-Jumbo, neun Sitze in einer Reihe.

Was die Luftfahrt-Manager auf Langstrecken außer Bein- und Armfreiheit zu bieten haben, stimmt bei allen Gesellschaften fast völlig überein: zwei Menüs nach Wahl, serviert auf Keramik oder Porzellan statt auf Plastik, freie Getränke an Bord, kostenlose Kopfhörer, ein bißchen Schnickschnack wie Zahnbürste, Kamm und Bordpantoffeln.

Auch am Boden soll der vollzahlende Oftflieger das Gefühl vermittelt bekommen, besser behandelt zu werden als der gewöhnliche Minderzahler, den die Lufthansa etwa auf dem Ticket mit einem »M« kennzeichnet. So checken die Passagiere der Business Class zumeist an eigenen Schaltern ein. Nur in Südamerika glückt das nicht - Vollzahler, die mit der Lufthansa fliegen, müssen sich bei der Gepäckabgabe unter die Touristen mischen.

Der Extraservice ist oft nur schöner Schein. Die besonderen Gepäckanhänger, die den Business-Class-Reisenden am Zielort angeblich schneller zu ihrem Gepäck verhelfen, nutzen meist wenig. Auf das Ausladen des Gepäcks und den Transport zum Kofferband haben die Gesellschaften zumeist keinen Einfluß.

»Plötzlich steht dann der Koffer-Behälter mit den Vorzugsanhängern ganz hinten«, bekennt ein Japan-Airlines-Manager. »Da kann man gar nichts machen.«

Für die Luftlinien zahlte es sich jedenfalls nicht aus, daß sie ihre Maschinen um jeden Preis mit Discount-Fliegern auszulasten versuchten. »Ohne einen hohen Anteil an Normalzahlern«, meint SAS-Manager Günter Schmidt, »sind keine Gewinne zu machen.« Etwa die Hälfte aller Passagiere der renommierten Fluggesellschaften sind derzeit Vollzahler.

Die umworbenen Kunden werden jedoch nicht nur mit kleinen Annehmlichkeiten verwöhnt - sie dürfen auch etwas draufzahlen. Die Tarife sind so vielfältig, daß es selbst Experten schwerfällt, Leistung und Preise zu vergleichen.

Die Lufthansa etwa verlangt bei Transatlantikflügen einen Aufpreis von etwa fünf Prozent auf den Normaltarif, auf den übrigen Routen jedoch keinen Zuschlag. Bei British Airways ist der »Super Club«-Tarif von Deutschland nach Nordamerika gut 13 Prozent teurer.

Den Super Club gibt es aber nur auf den Routen nach Nordamerika. Auf den übrigen Strecken gilt Normaltarif, in Europa werden fünf bis acht Prozent draufgeschlagen.

Die Air France verlangt für den Flug Paris-New York in »Le Club« fast die Hälfte mehr als für das Economy-Ticket. Nach Tokio dagegen kostet die Club-Reise nur rund zehn Prozent mehr.

Der Preiswirrwarr ist ärgerlich für manchen Reisenden. Wer schnell buchen und umbuchen muß und auch beliebig die Airline wechseln möchte, muß womöglich langwierige Rechnereien in den Verkaufsbüros der Fluggesellschaften in Kauf nehmen.

Auch sonst ist der Geschäftsreisende gegen Unbill nicht gefeit. So kann es passieren, daß »die Touristen-Klasse überläuft«, bekennt ein Lufthansa-Manager. »Ehe wir dann mit leeren Sitzen in der Business Class fliegen, setzen wir Minderzahler drauf.«

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