Kernkraftdebatte RWE-Atomchef verteidigt Uralt-AKW Biblis

RWE-Atomkraftwerk Biblis: "Alter ist nicht gleich Sicherheit"
Foto: JOHANNES EISELE/ REUTERSSPIEGEL ONLINE: Herr Jäger, interessieren Sie sich dafür, was die Menschen über RWE denken?
Jäger: Natürlich, warum?
SPIEGEL ONLINE: Wir haben unsere Leser über Atomenergie abstimmen lassen, mehr als 83.000 Menschen haben sich beteiligt. Etwa 60 Prozent fordern, die Laufzeitverlängerung zurückzunehmen und alte Atommeiler rasch vom Netz zu nehmen. Was sagen Sie diesen Menschen?
Jäger: Dass Sie sich keine Sorgen um ihre Sicherheit machen müssen. Unsere Kraftwerke haben sehr hohe Sicherheitsvorkehrungen.
SPIEGEL ONLINE: Wirklich? Biblis ist eine sehr alte Anlage - ebenso wie Fukushima. Wie kann man der Bevölkerung nach dem GAU in Japan noch weismachen, es sei verantwortungsbewusst, uralte Reaktoren zu betreiben?
Jäger: Alter ist nicht gleich Sicherheit. Die Sicherheitsanforderungen sind für alle unsere Reaktoren gleich. Und wir bessern ständig nach: Allein in Biblis haben wir über eine Milliarde Euro investiert, um die Sicherheitsreserven auszubauen.
SPIEGEL ONLINE: Die Menschen haben vor allem Angst. Jahrzehntelang wurde ihnen die Atomtechnik als beherrschbar verkauft, schlimme Störfälle in Atomkraftwerken galten bisher als Rechengröße. War der Glaube an die Beherrschbarkeit der Technik arrogant oder naiv?
Jäger: Nichts davon. Es geht darum, die Technik so zu beherrschen, dass man der Bevölkerung keine Gefahren zumutet. Wir sind überzeugt, dass unsere Kraftwerke sicher sind und genau das leisten.
SPIEGEL ONLINE: In Japan werden der Bevölkerung gewaltige Gefahren zugemutet. Und Ihr Glaube an die Kernkraft wurde nicht erschüttert?
Jäger: Ich würde nicht von Glauben sprechen, sondern von einer Überzeugung, die sich auf die Kenntnis unserer Anlagen begründet. Aber natürlich bin ich auch betroffen über das, was in Japan passiert. Deshalb sollte es in erster Linie jetzt auch darum gehen, den Menschen dort zu helfen.
SPIEGEL ONLINE: Die Bundesregierung will ihre Atompolitik neu bewerten, die Laufzeitverlängerung ist ausgesetzt. Muss die Kernenergie neu bewertet werden?
Jäger: Ich sehe keine grundsätzliche Veranlassung. Kernkraftwerke leisten einen maßgeblichen Beitrag zur Stromversorgung und zum Klimaschutz. Das muss man berücksichtigen, wenn man über Betrieb oder Nichtbetrieb diskutiert. Wir müssen jetzt sauber analysieren, was in Japan passiert ist und prüfen, ob sich daraus auch Rückschlüsse zur noch weiteren Verbesserung unserer schon heute hohen Sicherheitsniveaus ergeben.
SPIEGEL ONLINE: Reaktorgebäude sind explodiert, Strahlung ist ausgetreten. Was fehlt ihnen noch an Grundlage?
Jäger: Noch wissen wir nicht verlässlich, was die Ursache war, das Erdbeben, der Tsunami, beides zusammen? Wie ist das Unglück genau abgelaufen? Inwieweit sind die Siedewasserreaktoren von Fukushima mit den unseren vergleichbar? Bevor man das nicht sauber analysiert hat, ist man nicht in der Lage, technische Schlüsse zu ziehen.
SPIEGEL ONLINE: Drei Monate soll die Laufzeitverlängerung ruhen. Was halten Sie davon?
Jäger: Wir haben es zur Kenntnis genommen und gehen davon aus, dass die Regierung jetzt auf uns zukommt. Wir warten auf die Weisung der Behörden, auf deren Basis wir Biblis A kurzfristig abfahren werden. Wir setzen auf die Gespräche, die die Politik mit uns führen will.
SPIEGEL ONLINE: Sieben deutsche Meiler sind verzichtbar. Würden Sie Ihre Methusalem-Reaktoren Biblis A und B freiwillig schließen, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Atomkraft wieder herzustellen?
Jäger: Dafür gibt es keine Veranlassung. Wenn die Anlagen nicht sicher wären, würden sie ja schon heute nicht mehr laufen. Jetzt werden zunächst die geforderten Sicherheitsüberprüfungen vorgenommen. Danach werden wir weitersehen.
SPIEGEL ONLINE: Und wenn die Regierung Sie zur Stilllegung zwingt? Ihnen also die Betriebserlaubnis für Biblis entzieht - würden Sie sich wehren?
Jäger: Die Frage stellt sich zurzeit nicht.
SPIEGEL ONLINE: Durch das Moratorium entstehen RWE Millionenverluste. Erwarten Sie von der Regierung eine Kompensation für den kurzfristig angekündigten Not-Stopp?
Jäger: Es ist jetzt nicht die Zeit für Spekulationen über wirtschaftliche Folgen oder deren Kompensation. Jetzt liegt die Sicherheitsüberprüfung vor uns, und angesichts der Ereignisse in Japan ist es richtig, erste Erkenntnisse aus diesem Unglück an ihrer Relevanz für unsere Anlagen genau zu spiegeln.
SPIEGEL ONLINE: Juristen sagen, das Moratorium hat keine Rechtsgrundlage - ebenso wenig die Blitzabschaltungen. Werden Sie rechtlich dagegen vorgehen?
Jäger: Die Weisung der Behörden liegt uns noch nicht vor. Zur Rechtsgrundlage können wir daher zurzeit noch nichts sagen.