Klammer Unternehmer Merckle angeblich kurz vor Ratiopharm-Verkauf

Adolf Merckle kommt um den Verkauf von Ratiopharm offenbar nicht herum: Insidern zufolge musste er einer Veräußerung zusagen, um Zeit für Kreditverhandlungen zu gewinnen. Der Konzernchef soll bei spekulativen Börsengeschäften viele Millionen verzockt haben. Ratiopharm droht jetzt ein Jobabbau.

Ulm/Frankfurt am Main - Beim Pharmahersteller Ratiopharm machen sich nach Angaben der Muttergesellschaft VEM Vermögensverwaltung mehrere Banken für einen Verkauf des Unternehmens stark. Laut der Nachrichtenagentur Reuters ist ein Verkauf sogar schon "schriftlich fixiert". Das zumindest habe eine mit der Angelegenheit vertraute Person gesagt. Möglich sei auch ein Teilverkauf von Ratiopharm.

Nachdem der Unternehmer Adolf Merckle bei Spekulationen einen dreistelligen Millionenbetrag verloren hatte, soll er derzeit von Banken Kredite erbitten. Rund 40 Institute sollen an Gesprächen über die Stabilisierung des Firmenimperiums beteiligt sein.

Merckles Sohn Ludwig, Geschäftsführer der Ratiopharm-Muttergesellschaft VEM, informierte die Mitarbeiter am Montag auf einer Betriebsversammlung: Die Banken würden in den Verhandlungen massiv auf einen Verkauf von Ratiopharm oder anderer Beteiligungen drängen. Er bestätigte damit erstmals offiziell Spekulationen, dass Merckle sich mit der Veräußerung der Perle seines Familienimperiums beschäftigt. VEM-Geschäftsführer Ludwig Merckle äußerte sich ähnlich.

"Dass nun auf einen Verkauf gedrängt wird, zeigt, wie dringend der Finanzbedarf bei Merckle ist", sagte eine weitere mit der Angelegenheit vertraute Person.

Gewerkschaftssekretär Peter Stolhofer von der IG Bergbau, Chemie, Energie äußerte dagegen Zweifel, ob ein Verkauf wirklich nötig sei. "Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hat, müssen wir jetzt mit Sorgfalt und Ruhe alle Fragen diskutieren." Viele Ratiopharm-Angestellte verstünden nicht, weshalb sie für Spekulationsverluste des fünftreichsten Mannes in Deutschland geradestehen sollten.

Adolf Merckle hatte bei Wetten mit VW-Aktien nach Angaben seines Unternehmens einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag verloren. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) hatte am vergangenen Donnerstag bereits finanzielle Hilfe zugesagt. Die Bankenkrise und die Turbulenzen auf den Finanzmärkten führten bei der VEM nach eigenen Angaben zu einer Liquiditätsverknappung (Details: siehe Grafik).

Foto: SPIEGEL ONLINE

Eine Veräußerung des Arzneimittelherstellers gilt in der Finanzkrise als sehr schwierig. Unlängst hatten Analysten geschätzt, dass für Ratiopharm derzeit nur etwa das Doppelte des Jahresumsatzes erlöst werden kann, also rund 3,6 Milliarden Euro. Ein Insider sprach gar von weniger als drei Milliarden Euro. Dies ist deutlich weniger als jüngst erzielte Bewertungen.

Ratiopharm, die weltweite Nummer vier im Geschäft mit Nachahmermedikamenten, stellte ihre Mitarbeiter jedenfalls schon auf schwierigere Zeiten ein. "Um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und damit auch den Standort Ulm/Weiler zu sichern, wird das gesamte Unternehmen über alle Ebenen hinweg auf den Prüfstand gestellt", sagte Geschäftsführer Oliver Windholz, der Merckles Sohn Philipp Daniel im Frühjahr an der Spitze von Ratiopharm abgelöst hatte.

Mit einer grundlegenden Restrukturierung wolle der Konzern seine Wettbewerbsfähigkeit sichern. Das schließe auch einen Stellenabbau ein, über den zum jetzigen Zeitpunkt aber noch keine Details bekanntgegeben werden könnten.

Windholz betonte, dass das operative Geschäft des Unternehmens von der Situation bei VEM nicht betroffen sei. Ratiopharm habe sich in den ersten neun Monaten positiv entwickelt und seinen Marktanteil in Deutschland deutlich ausgebaut, die Ziele für das laufende Jahr würden erreicht. Im vergangenen Jahr setzte der Generikahersteller mit rund 5400 Mitarbeitern 1,8 Milliarden Euro um.

Der schwäbische Milliardär Adolf Merckle, laut "Forbes" mit einem jüngst geschätzten Vermögen von 9,2 Milliarden Dollar fünftreichster Deutscher, kontrolliert mit seiner Familie über ein Firmengeflecht neben Ratiopharm auch den hochverschuldeten Baustoffkonzern HeidelbergCement und den Pharmagroßhändler Phoenix.

ssu/dpa/Reuters

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten