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Computer Klein und rundlich

Mit einem Commodore begann für viele das Computerzeitalter. Jetzt ist die Elektronikfirma am Ende.
aus DER SPIEGEL 19/1994

Das Ende zeichnete sich seit langem ab. Doch Karola Bode mag es immer noch nicht glauben. »Wir machen auf jeden Fall weiter«, sagt die Marketing-Managerin der abgestürzten Computerfirma Commodore.

Die Durchhalteparolen der Commodore-Statthalter zeigen bei den Mitarbeitern der Frankfurter Niederlassung aber kaum Wirkung. »Die machen sich und uns doch was vor«, meint einer der 50 verbliebenen Angestellten.

Monatelang suchte Irving Gould, der Hauptaktionär des offiziell auf den Bahamas residierenden Unternehmens, einen finanzstarken Partner für die immer stärker ins Trudeln geratene Firma. Vergangene Woche gab der Kanadier, der knapp 20 Prozent der Commodore-Aktien besitzt, die Suche auf.

In einer knappen Notiz teilte die Firma mit, die in Pennsylvania ansässige US-Tochter werde einen Konkursantrag stellen. Damit verschwindet eine der schillerndsten Firmen aus der Welt der Bits und Bytes. Ihr waren einfach die Kunden ausgeblieben. 70 Millionen Dollar Umsatz kamen im letzten Quartal 1993 zusammen. Zehn Jahre zuvor waren es im gleichen Zeitraum gut 430 Millionen.

Damals zählte Commodore zu den Großen der Branche. Zeitweilig lehrte die Firma sogar Branchenriesen wie IBM oder Apple das Fürchten.

Die wechselvolle Geschichte begann 1958 im kanadischen Toronto mit der Gründung der Commodore Portable Typewriter Company. Kopf des Unternehmens, das mit dem Verkauf von Schreibmaschinen sein Geld machen wollte, war ein kleiner, rundlicher Mann namens Jack Tramiel, ein Jude aus dem polnischen Lodz.

Tramiel, der als Kind in den Konzentrationslagern der Nazis überlebt hatte, war Anfang der fünfziger Jahre nach Amerika ausgewandert. Mit einem winzigen Laden in der New Yorker Bronx begann der Schreibmaschinen-Mechaniker seine Karriere als Unternehmer. Einige Jahre später zog er nach Toronto, wo er mit Partnern die Firma mit dem militärischen Namen gründete.

Tramiel steuerte das Unternehmen wie ein Diktator nach dem Motto: »Geschäft ist Krieg«. Mal konnte er sich dank seines guten Riechers als Pionier profilieren, etwa als erster Hersteller von elektronischen Taschenrechnern, mal schlitterte er nur knapp an der Pleite vorbei. So konnte die Firma 1965 nur dank einer Kapitalspritze des finanzstarken kanadischen Rechtsanwalts Irving Gould überleben. Als Gegenleistung erhielt er das größte Aktienpaket.

Ebenso frühzeitig wie den Boom bei den Taschenrechnern hatte Tramiel den Beginn des Computerzeitalters erkannt. Schon 1977 brachte Commodore mit dem »Personal Electronic Transactor« (PET) einen der ersten wirklich funktionstüchtigen Kleincomputer auf den Markt.

Der große Durchbruch gelang 1982 mit dem Modell »C 64«. Es war relativ leistungsfähig und konkurrenzlos billig. In den achtziger Jahren wurden 17 Millionen Stück davon verkauft. In einem mörderischen Preiskampf boxte Tramiel schließlich fast alle anderen Hersteller von Homecomputern aus dem Geschäft.

Doch auf dem Höhepunkt des Erfolgs kam es zum Krach mit dem Hauptaktionär Gould. Dem Kanadier war der aggressive Kurs des ruppigen Firmengründers zu riskant geworden. Anfang 1984 verließ Tramiel die Firma und übernahm den härtesten Konkurrenten, die Computerfirma Atari.

Ohne den kauzigen Firmenpatriarchen verlor Commodore bald den Anschluß an die immer schnellebigere Computerwelt. Zwar gelang 1985 mit der Entwicklung des stark grafikorientierten Computers »Amiga« noch einmal ein großer Wurf. Doch gegen die Übermacht der sogenannten IBM-kompatiblen Personalcomputer konnte sich die Amiga-Serie nicht behaupten.

In ihrer Not begannen die deutschen Commodore-Manager, die stets den größten Teil zum Umsatz und Gewinn des Unternehmens beitrugen, eigenmächtig mit der Montage von IBMkompatiblen Personalcomputern. Da Gould jedoch die Gewinne abzog, blieb kein Geld für die Entwicklung übrig. Das Ende war vorprogrammiert.

»Für einen Nachruf auf Commodore ist es noch zu früh«, sagt der Commodore-Techniker Peter Kittel. Seine vage Hoffnung gilt einem asiatischen Investor. Der wolle dafür sorgen, daß es auch in Zukunft »Amigas« gebe.

Doch die Chance, daß von der Firma mehr übrigbleibt als ein schillernder Markenname, ist verschwindend gering. Für die Fans des betagten »C 64« allerdings bleibt ein Trost.

Gerade rechtzeitig zum Ende bei Commodore hat der slowenische Programmierer Miha Peternel ein Programm entwickelt, das den meistverkauften Homecomputer der Welt auf einem modernen PC simuliert. Nun können Nostalgiker ihre angejahrten Spiele wieder aus der Diskettenbox kramen und auf einem PC weiterspielen. Y

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