Klimaschutz So könnte eine deutsche CO2-Steuer funktionieren

Braunkohlekraftwerk Niederaußem in Nordrhein-Westfalen
Foto: imago images / blickwinkel"Die Idee ist, dass CO2 einen Preis bekommt, also dass man auf Treibhausgase eine Steuer erhebt." So hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) im SPIEGEL das Konzept einer CO2-Steuer umrissen . Als erstes Regierungsmitglied bekannte sie sich klar zu der Abgabe und löste damit eine Debatte aus.
Denn schon beim Koalitionspartner gibt es Vorbehalte gegen die Steuer. Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann warnte via "Süddeutscher Zeitung" vor "teuren und ineffektiven nationalen Alleingängen". Die Grünen hingegen sind für die CO2-Bepreisung, halten sie allein aber für nicht ausreichend.
Wie eine CO2-Steuer konkret aussehen könnte, welche Vorbilder es gibt und was die Steuer für Bürger bedeuten würde: die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Warum wird eine CO2-Steuer gefordert?
Deutschland hat sich zwar dem Klimaschutz verpflichtet und treibt den Ausbau erneuerbarer Energien voran. Dennoch verfehlt die Bundesrepublik bislang ihre Klimaziele. Statt im kommenden Jahr wie geplant 40 Prozent weniger Treibhausgase als 1990 auszustoßen, wird die Minderung voraussichtlich nur 32 Prozent betragen.
Durch eine einheitliche Abgabe auf CO2 sollen Verbraucher und Unternehmen deshalb motiviert werden, stärker auf die Vermeidung von Emissionen zu achten. Die Einnahmen könnten zudem genutzt werden, um den Umstieg auf klimafreundliche Technologien zu fördern.
Gefordert wird die Steuer unter anderem von der Schüler-Organisation Fridays for Future. Zu den Unterstützern gehört aber beispielsweise auch der Chef der sogenannten Wirtschaftsweisen, Christoph M. Schmidt. "Alle für den Klimaschutz relevanten Marktteilnehmer bekämen dasselbe Preissignal", sagte er der "Wirtschaftswoche". Selbst der Bundesverband der Industrie sprach sich schon 2016 für eine "wirksame CO2-Bepreisung" aus, die von den G20-Ländern organisiert werden müsse.
Wie könnte eine CO2-Steuer aussehen? Welche Vorbilder gibt es?
Grundsätzlich hat der Gesetzgeber zwei Möglichkeiten: eine komplett neue Steuer zu schaffen oder aber bestehende Steuern und den Emissionshandel so zu reformieren, dass sie den CO2-Ausstoß stärker begrenzen, als sie es bisher tun. (Mehr über die bestehenden Abgaben lesen Sie in der nachfolgenden Frage.)
Ein mögliches Vorbild , auf das sich auch Umweltministerin Schulze beruft, ist die Schweiz. Dort gibt es seit 2008 die sogenannte Lenkungsabgabe auf fossile Brennstoffe wie Heizöl, Kohle oder Erdgas. Ihre Höhe hängt vom jeweiligen Kohlenstoffgehalt ab, pro Tonne CO2 werden derzeit 96 Franken fällig. Zu Beginn hatte der Preis lediglich 12 Franken betragen. Weil angestrebte Reduktionsziele aber verfehlt wurden, hat sich die Abgabe über einen automatischen Korrekturmechanismus mehrfach erhöht.
Einen anderen Weg wählte Frankreich: Dort wurden verschiedene Energiesteuern 2014 um einen CO2-Aufschlag ergänzt, die sogenannte contribution climat énergie (CCE). Von zunächst 7 Euro soll sie bis 2030 auf 100 Euro pro Tonne CO2 steigen, zuletzt lag der Aufschlag bei 44,60 Euro. Die Erhöhungen wurden von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron jedoch angesichts der Gelbwesten-Demonstrationen ausgesetzt, die sich insbesondere gegen die Anhebung der Zulage richteten.

Kein Fan von Steuern: Gelbwesten-Demonstrant in Nantes
Foto: Stephane Mahe / REUTERSIn Großbritannien wiederum versucht man seit 2013 die viel zu niedrigen Preise im Emissionshandel auszugleichen. Der sogenannte Carbon Price Floor (CPF) legt einen nationalen Mindestpreis für die Zertifikate fest, der bislang immer über den Preisen im europäischen Handel lag. Die Differenz zwischen CPF und Handelspreis müssen Unternehmen ans britische Finanzministerium überweisen. Der CPF sollte eigentlich jährlich erhöht werden. Seit 2015 ist er aber bei 18 Pfund pro Tonne CO2 eingefroren. Begründet wurde das mit Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit der britischen Industrie - die durch den Brexit noch deutlich zugenommen haben.
Gibt es in Deutschland nicht längst ähnliche Abgaben?
Doch, aber sie betreffen nicht gezielt den CO2-Ausstoß, sind uneinheitlich oder ineffizient. So führte die rot-grüne Bundesregierung bereits vor 20 Jahren die sogenannte Ökosteuer ein. Unter diesem Oberbegriff wurden einerseits Steuern auf Benzin und Diesel und in geringerem Maß auch Gas und Heizöl erhöht. Zum anderen wurde eine neue Stromsteuer eingeführt. Die Einnahmen wurden genutzt, um die Rentenversicherungsbeiträge zu senken.
Nicht nur wegen dieser Zweckentfremdung der Einnahmen ist die Ökosteuer umstritten. Die Steuererhöhungen reichten laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) auch nicht aus, um den Energieverbrauch und damit den CO2-Ausstoß dauerhaft zu senken. "Umweltpolitisch war die Ökosteuer ein Flop", sagte DIW-Klimaexpertin Claudia Kemfert. Eine CO2-Bepreisung muss den Autoren zufolge "der nächste Schritt" sein.
Dass Klimaschutz in der Steuerpolitik bislang keine große Rolle spielt, zeigt auch die Tatsache, dass Flugbenzin (Kerosin) bislang komplett steuerbefreit ist. Das kritisieren mittlerweile auch Unionsvertreter wie die CSU-Umweltexpertin Anja Weisgerber. "Da bin ich der Meinung, da müssen wir schleunigst an das Thema rangehen", sagte sie der "Augsburger Allgemeinen" .
Ein anderes Instrument ist der Emissionshandel, der 2005 innerhalb der EU eingeführt wurde: Rund 12.000 Kraftwerke und andere energieintensive Betriebe wie etwa Raffinerien oder Zementwerke müssen dabei für jede Tonne CO2, die sie freisetzen, ein Zertifikat vorlegen. Die Gesamtzahl der Zertifikate ist begrenzt und sinkt im Laufe der Zeit, sie können jedoch unter den Unternehmen weiterverkauft werden. So soll mit marktwirtschaftlichen Mitteln ein Anreiz zur CO2-Einsparung geschaffen werden.
Doch das funktionierte bislang kaum, weil der Preis für eine Tonne CO2 zeitweise bei nur 2,46 Euro lag. Seit einiger Zeit steigt er nun deutlich und lag in Deutschland im vergangenen Jahr bei durchschnittlich 15 Euro. Nach Berechnungen der "High-Level Commission on Carbon Prices" müsste er aber mindestens gut 35 Euro (40 Dollar) betragen, damit der weltweite Temperaturanstieg auf zwei Grad begrenzt werden kann. Als Hauptgrund für die niedrigen Preise gilt, dass zu viele Zertifkate ausgegeben wurden. Ein weiterer Kritikpunkt am Emissionshandel ist, dass er nicht den CO2-Ausstoß von Verkehr oder Gebäuden erfasst.
Was würde die CO2-Steuer für Verbraucher und Unternehmen bedeuten?
Prinzipiell müsste eine Steuer klimaschädliche Aktivitäten verteuern, sonst hätte sie nicht die beabsichtigte Lenkungswirkung. Wie stark Verbraucher dadurch belastet werden, hängt jedoch davon ab, welchen CO2-Preis die Regierung festlegt - und was sie mit den Steuereinnahmen macht.
Umweltministerin Schulze zitierte im SPIEGEL einen CO2-Preis von 20 Euro pro Tonne, den Wirtschaftsweisen-Chef Schmidt ins Spiel gebracht hat. Dieser hätte nach Berechnungen des Thinktanks Agora Verkehrswende keine größeren Auswirkungen. So würde eine Fahrt von Berlin nach München für Autofahrer mit Normalbenzin rund 1,70 Euro teurer, für Dieselfahrer rund 1,60. Die Heizkosten für eine 100-Quadratmeter Wohnung würden für Heizöl um rund 82 Euro steigen, für Erdgas um 64 Euro.
Ähnlich wie in der Schweiz würde die Steuer aber im Laufe der Zeit wohl deutlich angehoben, wenn die Klimaziele verfehlt werden. Dann kommt es darauf an, ob Verbraucher an anderer Stelle für ihre Mehrkosten entlastet werden. In der Schweiz werden schon heute zwei Drittel der Steuereinnahmen aus der Lenkungsabgabe wieder an Bevölkerung und Unternehmen ausgeschüttet. So bekam im vergangenen Jahr jeder Bürger über seine Krankenversicherung einen Betrag von 88,80 Franken ausgezahlt.
Auch in den USA fordert eine überparteiliche Gruppe von Politikern, eine CO2-Steuer mit direkten Auszahlungen an die Bürger zu verbinden. "Benzin und Energie würden teurer, trotzdem hätten die Bürger am Ende nicht weniger Geld", lobte der US-Ökonom Gilbert Metcalf im Gespräch mit dem SPIEGEL. "Sie werden nicht das Gefühl haben, dass ihnen etwas weggenommen wird."
Dass genau dieses Gefühl bei einer CO2-Steuer durchaus entstehen kann, zeigte sich in Frankreich. Dort sollte der Klimazuschlag CCE erhöht werden, obwohl die Preise für Benzin und Diesel ohnehin anstiegen. Das traf Haushalte mit niedrigem Einkommen besonders hart. Sie wurden von der Regierung von Präsident Macron außerdem belastet, indem Sozialbeiträge erhöht und Wohngeldzuschüsse gesenkt wurden; zugleich entlastete man Reiche durch die Abschaffung der Vermögenssteuer. Erst nach den wochenlangen und zum Teil gewalttätigen Protesten der Gelbwesten nahm Macron die Steuererhöhung zurück.
Der steigende CO2-Preis war laut einer Analyse von Agora Energiewende (PDF) ein zentraler Auslöser der Proteste. Diese hätten sich "ganz überwiegend nicht gegen Klimaschutz, sondern gegen eine soziale Umverteilung" gerichtet. Frankreich habe die Einnahmen genutzt, um seinen Haushalt zu sanieren. Diese sollten aber - wenn überhaupt - für Klimaschutz verwendet werden. Zugleich solle die Einführung einer CO2-Bepreisung "von gezielten Rückverteilungen der Einnahmen an betroffene Privathaushalte begleitet werden". Kurz: Eine CO2-Steuer sollte nicht für zusätzliche Einnahmen eingeführt werden, sondern, um Wirtschaft und Bürger in eine klimafreundliche Richtung zu lenken.