Kommentar Dunkle Wolken über Euroland
Urlauber mögen sich über einen starken Euro freuen, Exporteure aber sicherlich nicht. Steigt der Euro weiter, dann wird es bald vorbei sein mit den Rekordzahlen deutscher Ausfuhren. Auch wenn Deutschland einen Großteil seiner Produkte innerhalb der EU verkauft, wird sich der Nachfragerückgang aus der Dollar-Welt niederschlagen. Beruhigend ist dabei allerdings, dass die Importe billiger werden und der Ölpreis sinkt. Aus diesem Grund rechnen Ökonomen zunächst nicht mit einer Schwächung der Euro-Zone.
Ein Anlass zur Sorge ist jedoch der schnelle Abschwung in den USA. Der weiter stabile Arbeitsmarkt sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Nachfrage in der weltgrößten Volkswirtschaft längst eingebrochen ist. Davon wird Europa nicht unberührt bleiben. Es genügt ein Blick auf die tägliche Entwicklung der Börsen. Jedes Zucken der Wall Street löst in Frankfurt Hektik aus - ganz besonders am Neuen Markt. Längst sind die Märkte für Technologie- und Internetwerte so eng verwoben, dass eine eigenständige Entwicklung europäischer Anbieter fast unmöglich ist. Ein dramatisches Beispiel war der tiefe Fall von Intershop nach Absatzproblemen auf dem amerikanischen Markt.
Der Kurssturz ist symptomatisch für die gesamte Branche. Sollte sich weiter zeigen, dass die Konsumenten in den USA weniger als erwartet über das Internet kaufen, für Pay-TV bezahlen oder in neue Elektronik investieren, dann geraten auch in Europa ziemlich viele Firmen in Atemnot, die ihre Geschäftsmodelle genau auf diesen vermeintlichen Trend aufgebaut hatten. Zu dumm, wenn der Trendsetter plötzlich kürzer tritt.
Schließlich ist da noch die Europäische Zentralbank. Während Alan Greenspan als "Retter" der US-Wirtschaft gefeiert wird und seine beherzten Eingriffe allgemein anerkannt werden, wird Wim Duisenberg wenig zugetraut. Weder Duisenberg noch irgendwer aus der EZB-Mannschaft hat sich bisher als "Mr. Euro" profilieren und mit fester Stimme sagen können, wo es langgeht.
Peinlich sichtbar wird dies bei der allmonatlichen Pressekonferenz, auf der Duisenberg mit sonorer Stimme sagt, dass er nichts sagt. Lässt er sich aber dennoch zu einer Äußerung hinreißen, dann greift er so kräftig daneben, dass die Devisenhändler panisch werden. Auch die Versuche der Zentralbanker, mit Prognosen Vertrauen zu schaffen geriet zur Farce: Das Wachstum soll der EZB zufolge 2001 irgendwo zwischen 2,6 und 3,6 Prozent liegen. Die Inflation bleibt dabei aber immer schön unter zwei Prozent - gesetzt den Fall, der Wechselkurs bleibt so, wie er ist. Gleichzeitig aber werden Duisenberg und Co. aber nicht müde, über die Unterbewertung des Euro zu klagen. Mit einer solchen Mannschaft hat Europa auch in der Währungspolitik wenig Chancen, sich auf Dauer von den Vereinigten Staaten zu emanzipieren.
Es gibt also überhaupt keinen Anlass, sich über die Schwäche der US-Wirtschaft zu freuen. Es wird den Europäern wohl nicht anderes übrigbleiben als mitzufiebern und auf eine weiche Landung in den USA zu hoffen. Nichts anderes tun momentan die Börsianer.