Matthias Kaufmann

Tweet des Tesla-Chefs gegen Trudeau Trollen wie Elon

Matthias Kaufmann
Ein Kommentar von Matthias Kaufmann
Es nützt ja nix: Elon Musk hat einen Skandaltweet rausgehauen, und alle regen sich auf, irgendwas mit Hitler. Wie ernst sollte man so was nehmen?
Blick aufs Handy: Elon Musk bei einer SpaceX-Pressekonferenz

Blick aufs Handy: Elon Musk bei einer SpaceX-Pressekonferenz

Foto: John Raoux / AP

Falls Sie es nicht mitbekommen haben, etwa weil Sie gerade in Brandenburg sind und Sturm »Ylenia« den einzigen Mobilfunkmast im Umkreis außer Gefecht gepustet hat oder, für Vodafone-Kunden, weil Sie am Nordrand der Millionenstadt Hamburg leben: Elon hat mal wieder einen Skandaltweet rausgehauen, und viele regen sich auf (wenn sie Zugang zum Internet haben).

Der Kern des Skandaltweets, über den sich viele aufregen: »Hitler«. Das belegt einmal mehr die These, dass man in Internetdiskussionen nur lange genug warten muss, um endlich bei Hitler zu landen. Vermutlich war die Zeit also reif.

Wobei, »Diskussion« ist ein wenig hochgegriffen. In Kanada protestieren Trucker gerade gegen Coronamaßnahmen, und wie Kanadas Premier Justin Trudeau meint, maßgeblich angefeuert und finanziert von Extremisten aus den USA. Deshalb hat er eine Art Notstandsgesetz erlassen, das den Behörden unter anderem Zugriff auf Finanzströme erlaubt. Da könnte man sicher viel diskutieren über Bürgerrechte oder Angemessenheit.

Der Skandal! Die Aufregung!

Musk teilte in seinem Skandaltweet ein schon länger kursierendes Meme, das Trudeau mit Adolf Hitler vergleicht. Dann regten sich auf Twitter alle auf, je nach Façon empört oder begeistert. Später löschte er das Meme wieder.

Da steht man nun als Kommentator. Einerseits: ein Konzernchef! Ein Regierungschef eines demokratischen Rechtsstaats! Und Hitler! Der Skandal! Die Aufregung!

Andererseits: Inhaltlich ist da nicht viel zu sagen, der Hitler-Vergleich ist absurd und beleidigt Opfer des Nationalsozialismus. Und Musk ist auf Twitter ein Troll, das ist sowieso bekannt. Einer, der sich von der Empörung anderer Leute nährt. Der solche Tweets für seinen Markenkern setzt. Will man ihm wirklich den Gefallen tun?

Inhalte sind bei solchen Tweets erschreckend egal, solange alles nur recht skandalös ist. Die Aufregung, die folgt: wunderbar, um zu zeigen, wie sehr Musk über den Debatten steht. Auch diesmal: Dinge, die Hass auslösen, blieben besser im Gedächtnis, als solche, die Liebe auslösen, twittert er wenig später, die Asymmetrie biete Vorteile bei der Evolution. So meta, so ironisch. Und so formuliert, dass es nicht einmal dazugehören muss. Stringenz schränkt einen doch nur ein.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externer Inhalt

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Das spielt er mit schöner Regelmäßigkeit und bunter Bandbreite durch: unbegründete Pädophilievorwürfe, Plauscheinladungen an Autokraten wie Wladimir Putin, die bewusste Beeinflussung von Kryptowährungskursen, börsenrelevante Scherze wie der, die Tesla-Aktie aus dem Handel zu nehmen sowie Versuche, den Gesundheitsschutz seiner Fabrikarbeiter in der Pandemie als »faschistische« Maßnahme abzutun. Der Direktvergleich mit Hitler ist allerdings eine neue Qualität.

Ob Musk tatsächlich geschichtsvergessen ist, rechtslastig, autoritär, unempathisch, ein Taschenspieler oder ein Risiko für die Unversehrtheit seiner Mitarbeiter?

Anders als andere Manager seiner Kragenweite spricht er die Sprache der Meme-Fanbase, deren Humor gezielt gesellschaftliche Konventionen verletzt. Anders als die Kollegen hat er offenbar kein Problem damit, auch die rechte Blase in den USA anzusprechen, die Trump-Jünger von der Alt-right-Bewegung, die QAnon-Gläubigen – die Grenzen sind fließend. Das trägt zur Normalisierung dieser Bilderwelten bei. Aber er bleibt so weit im Ungefähren, dass man ihn nicht darauf festnageln kann.

Schon ein Kunststück: Für die einen ist das genial liberal, für die anderen die ideologische Verbrämung eigener Unverfrorenheit – so oder so wird kein Tesla weniger verkauft.

Vor allem macht es Musks Unternehmungen extrem intransparent. Denn auch Debatten, die sich direkt um sein Geschäft drehen, nimmt er oft nicht ernst. Für die berechtigte Frage nach der Wasserversorgung der Grünheider Tesla-Fabrik hatte er nur Gelächter übrig, Brandenburg sehe doch nicht aus wie eine Wüste. So meta, so ironisch.

Diesen Text können Sie übrigens recyceln: Beim nächsten Skandaltweet, den Musk raushaut und der alle aufregt.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren