Konjunktur US-Notenbank lässt Leitzins unangetastet

Fed-Chef Powell: Dem Markt Liquidität entziehen
Foto: JIM LO SCALZO/EPA-EFE/REXDie US-Notenbank Fed will zunächst nicht an der Zinsschraube drehen. Der Leitzins bleibe in der Spanne von null bis 0,25 Prozent, teilte die Federal Reserve am Mittwoch nach ihrer Zinssitzung in Washington mit.
US-Notenbankchef Jerome Powell kann sich eine erste Zinsanhebung in der Coronapandemie aber bereits im März vorstellen. »Ich würde sagen, der geldpolitische Ausschuss ist dazu bereit, die Federal Funds Rate auf der März-Sitzung anzuheben – vorausgesetzt, die Bedingungen sind dafür geeignet«, sagte Powell nach der Zinssitzung der Fed am Mittwoch in Washington.
Auf Rückfrage schloss Powell nicht aus, sogar auf jeder der kommenden Sitzungen an der Zinsschraube zu drehen. Allerdings sagte der Fed-Chef auch, er habe derzeit noch keinen konkreten Zinspfad vor Augen. Dieser hänge von der konjunkturellen Entwicklung ab.
Ungeachtet der aktuellen Entscheidung hat die Fed ihre Kehrtwende hin zu einer strafferen Geldpolitik bereits eingeleitet. Monatliche Wertpapierkäufe von bis zu 120 Milliarden US-Dollar, um Finanzmärkten Liquidität zu verschaffen und die Konjunktur zu stützen, sollen nach einer Drosselung im März auslaufen. Und Mitte Januar hatte US-Notenbankchef Jerome Powell erklärt, nach Abschluss der Anleihekäufe sei es Zeit, »den Leitzins im Lauf des Jahres zu erhöhen«. In der Folge soll auch rasch die durch Krisenprogramme angeschwollene Bilanz der Fed abgebaut werden, was den Märkten weiter Liquidität entziehen wird.
Not auf dem Arbeitsmarkt
Die wichtigsten Ziele, denen die Fed verpflichtet ist, sind Preisstabilität und Vollbeschäftigung. Der Arbeitsmarkt entwickelt sich sehr positiv: Die Arbeitslosenquote fiel im Dezember auf 3,9 Prozent, und viele Unternehmen klagen bereits über einen Mangel an Bewerbern. Vor der Coronakrise hatte die Arbeitslosenquote bei 3,5 Prozent gelegen, dem niedrigsten Stand seit Jahrzehnten.
Fed-Chef Jerome Powell zur Leitzins-Strategie
Die Inflation allerdings macht der Fed zu schaffen. Bis Ende vergangenen Jahres hatte die Notenbank die hohe Teuerungsrate noch als »vorübergehendes« Phänomen infolge der Coronakrise bezeichnet. Doch die Preise steigen seit Monaten immer weiter, weswegen die Fed die Geldpolitik nun schneller strafft. Eine Erhöhung des Leitzinses würde die Inflation drosseln, aber auch das Wirtschaftswachstum ausbremsen. Die Inflation war im Dezember im Vergleich zum Vorjahr auf sieben Prozent gestiegen. Das ist der höchste Wert seit Jahrzehnten. Experten machen unter anderem die rasche wirtschaftliche Erholung von der Coronakrise, großzügige Konjunkturprogramme sowie Unterbrechungen globaler Lieferketten für den Anstieg der Preise verantwortlich.
Gefahr für Biden
Die Teuerungsrate ist auch für Präsident Joe Biden problematisch, denn viele Wähler machen die Regierung dafür verantwortlich. Vereinfacht könnte man sagen: Je höher die Preise, desto mehr fallen Bidens Umfragewerte. Das macht dem Präsidenten und den Demokraten zu schaffen, denn sie bemühen sich bei der Kongresswahl im November, ihre knappen Mehrheiten in beiden Parlamentskammern zu verteidigen.
Obwohl sich viele Menschen in Umfragen unzufrieden über die wirtschaftliche Entwicklung äußern, brummt die US-Konjunktur bislang: Am Donnerstag wird die Regierung die erste Schätzung zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2021 bekannt geben. Finanzministerin Janet Yellen erwartet ein rasantes Wachstum von rund 5,3 Prozent, die Fed rechnete zuletzt mit einem Plus von 5,5 Prozent.
Etwas im Schatten der Federal Reserve gab bereits die Zentralbank Kanadas ihre Entscheidungen bekannt. Sie hat ihren Leitzins trotz der hohen Inflation nicht angehoben. Er bleibt bei 0,25 Prozent, was Analysten allerdings in der Mehrheit auch erwartet hatten. In ihrer Mitteilung gab die Notenbank jedoch Hinweise auf eine baldige Zinserhöhung: »Die Wirtschaft ist mit beträchtlichem Schwung in das Jahr 2022 gestartet, und ein breites Spektrum von Indikatoren deutet nun darauf hin, dass die Konjunkturflaute wettgemacht wurde.« Die Rendite zehnjähriger kanadischer Staatsanleihen geriet nach dem Zinsentscheid zunächst deutlich unter Druck, machte jedoch im weiteren Handelsverlauf einen Teil der Verluste wieder wett.