Konsumunlust Wieso keiner den Verbrauchern wirklich helfen kann
Hamburg - Der Aktionismus ist groß. Von Heizkostenzuschüssen ist die Rede. Die Wiedereinführung der Pendlerpauschale wird wieder ins Gespräch gebracht. EU-Energiekommissar Andris Piebalgs legt die Idee von Energiesozialtarifen für einkommensschwache Haushalte neu auf - mit der dramatischen Begründung: "Wenn die Leute wählen müssen zwischen Heizen oder Essen, dann muss etwas passieren."
Viel Sinn machen solche Vorschläge nicht, um die boomenden Energie- und Lebensmittelpreise abzumildern, findet Alfred Boss: "Das ist Kokolores - ein Herumdoktern an Symptomen", sagt der Konjunkturexperte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) zu SPIEGEL ONLINE.

Preissenkung in München: Wie soll man den Verbrauchern helfen?
Foto: DPAAuch Christian Dreger, Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), ist überzeugt: Die Politik ist machtlos. Die Stimmung der Verbraucher ist so schlecht wie seit drei Jahren nicht mehr, der GfK-Konsumklimaindex im Juli auf 3,9 Punkte gerutscht - und dagegen lasse sich wenig tun.
Die Laune der Konsumenten ist vor allem deshalb so mies, weil derzeit die hohe Inflation jede Einkommensteigerung zu großen Teilen auffrisst. Dazu kommt, dass jeder Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln sofort bemerkt - weshalb der GfK-Indikator zur persönlichen Einkommenserwartung besonders stark einbrach, binnen eines Monats von plus 2,9 auf minus 7,2 Punkte. Im Vorjahr lag er noch bei plus 33,6 Punkten. Und die Aussichten sind nicht gut: Je länger die Inflation bei drei Prozent verharre, umso größere Kaufkraftverluste seien zu erwarten, warnt die GfK.
Lieber den Verbrauch senken und die Zinsen erhöhen
Dass da zum Beispiel Heizkostenzuschüsse auf Dauer helfen könnten, glauben die Volkswirte von DIW und IfW nicht. Die Preissteigerungen seien nun mal "die Folge globaler Entwicklungen", sagt Dreger. Wenn die Nachfrage in Schwellenländern stetig steige, könne man in Deutschland wenig dagegen tun.
Dass die hohen Energiekosten für Arbeitslosengeld-II-Empfänger oder mittellose Erwerbsunfähige ein Problem sind, ist auch den Experten klar. Aber sie schlagen andere Lösungen vor.
Es gehe nicht darum, wie man Energie bezuschussen könne, sagt Boss - "sondern wie man weniger verbraucht". Und wenn die Regierung jetzt wirklich zu der Überzeugung gelange, dass Hilfsbedürftige mit den hohen Preisen nicht mehr klarkämen, "dann muss man überlegen, ob man das gesetzliche Existenzminimum nach oben schraubt - anstatt immer neue Maßnahmen für kleine Grüppchen vorzuschlagen". Boss fände eine generelle Senkung der Einkommensteuer am besten, um die Verbraucher wieder in Kauflaune zu versetzen.
Davon freilich ist derzeit nicht die Rede. Wahrscheinlicher ist erst mal, dass die Europäische Zentralbank (EZB) demnächst die Zinsen erhöht, zur Inflationsbekämpfung. Diesen Schritt hatte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet kürzlich schon angedeutet, musste dafür aber auch Kritik einstecken - weil höhere Zinsen der allgemeinen Lehre zufolge das Wirtschaftswachstum dämpfen.
Dreger findet eine Zinserhöhung zumindest eine Überlegung wert - auch wenn sie allenfalls eine Linderung des Problems sein könne, keine endgültige Lösung. Die Gefahren für die Konjunktur hält der DIW-Experte für kontrollierbar: "Die Frage ist nur, wie man einen solchen Schritt kommuniziert und ihn zum Beispiel mit der US-Notenbank abstimmt."
Trotz der trüben Stimmung - 2008 ist das Wachstum gut
Wie problematisch ist die Wirtschaftslage nun wirklich? Der Konsum wird in diesem Jahr sicher hinter den Schätzungen der meisten Volkswirte zurückbleiben und damit das Wachstum bremsen, da sind sich die Experten einig. So erwartet die GfK nur noch einen Konsumzuwachs von 0,5 Prozent - im Gegensatz zu 1,5 Prozent zu Jahresbeginn. Thorsten Polleit, Volkswirt bei Barclays Capital, glaubt gar, der Konsum werde dieses Jahr stagnieren.
Bisher allerdings lindern der überraschend stabile Außenhandel und das hohe Investitionsniveau die Probleme. Außerdem gab es im ersten Quartal 2008 einen überraschenden Konjunkturschub, der der Bilanz des gesamten Jahres helfen werde, glaubt Dreger.
Das Bruttoinlandsprodukt war in den ersten drei Monaten im Vergleich zum Vorquartal so stark gewachsen wie seit zwölf Jahren nicht mehr - für den DIW-Volkswirt Grund zu Optimismus: "Wir werden in diesem Jahr eine überraschende Wachstumsrate hinbekommen." Das DIW wird seine aktuelle Prognose für 2008 von etwa zwei Prozent in Kürze nach oben revidieren, "bis zu 2,5 Prozent sind möglich". Das Münchner ifo-Institut hat das an diesem Dienstag schon getan, es geht jetzt von 2,4 statt 1,8 Prozent aus.
Für die Zeit danach werden die Prognosen allerdings schlechter. Das IfW zum Beispiel sagt für dieses Jahr 2,1 Prozent Wachstum voraus, für 2009 dann nur noch 1,9 Prozent. Das ifo-Institut korrigierte seine Vorhersage für das kommende Jahr an diesem Dienstag von 1,5 auf 1,0 Prozent.
Die Gründe sind klar: Die Finanzkrise und die Wirtschaftsflaute in den USA treffen allmählich auch den deutschen Export, sagt IfW-Volkswirt Boss. Und damit wird die miese Laune der Verbraucher zum Problem.
Wenn sie denn so schlecht bleibt. Denn auch darin sind sich die Experten einig: Der GfK-Index ist nur eine Momentaufnahme - und deshalb ausgesprochen volatil.