BANKEN Krach im Pool
Jahrelang warb Eckart van Hooven, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, der größten des Landes, energisch um Solidarität im Geldgewerbe: »Nur gemeinsam«, so van Hooven, »sind wir stark.«
Der Appell an die Konkurrenten wirkte: Volksbanken, Sparkassen, Privatbanken und die Bundespost schlossen sich zu einem Automatenpool zusammen. Sämtliche Geldautomaten, das setzten sie 1979 vertraglich fest, sollten künftig von allen ihren Kunden mit einheitlicher Scheckkarte gemeinsam benutzt werden.
Doch jetzt, vier Jahre später, ist die Einheit wieder hin. Die Manager des Kapitals werfen sich gegenseitig vor, zuwenig Automaten aufzustellen, gleichzeitig aber zu viele Scheckkarten auszugeben. Und das macht mächtig Krach im Pool.
Das Abkommen sollte Kunden und Banken gleichermaßen Vorteile bringen. Die Geldautomaten spucken jederzeit Banknoten aus, unabhängig von den knappen Schalterstunden: tags und nachts, auch an Wochenenden.
Der Schlüssel für den Tresor ist eine spezielle Eurocheque-Karte mit einem Magnetstreifen auf der Rückseite. Dieser schwarze Strich speichert alle wichtigen Angaben über Inhaber, Konto, Bankleitzahl und »persönliche Identitäts-Nummer«, kurz PIN genannt, eine Geheimzahl, die nur der Kontobesitzer kennt.
Die Auszahlung ist simpel: Die Karte wird in einen Schlitz gesteckt, Geheimzahl S.66 und Geldbetrag werden eingetippt - und schon sprudelt computergesteuert Bares aus dem Automaten - allerdings meist nicht mehr als 300 Mark pro Tag.
Die Kreditwirtschaft rechnete sich ebenfalls Vorteile durch die Automaten aus. Ihr »institutsübergreifendes« System sollte verhindern, daß Branchenfremde in den Geldmarkt eindringen, wie in den USA geschehen, mit einer Vielzahl verschiedener Plastikkarten und Bargeldautomaten.
Außerdem wollten die Manager mit den neuen Kassen etliches an Personalkosten einsparen. Rentabel würden die Geräte schon deshalb, so ihre Prognose, weil alle Kunden mit einheitlichen Karten direkten Zugriff zu allen aufgestellten Automaten hätten.
Im Bankenalltag entwickelte sich das Geschäft indes viel schwieriger. Die Vertragspartner hatten offengelassen, wer wann wo und wie viele Geräte aufzustellen hat. Der Konflikt war programmiert.
Etliche Geldhändler dachten gar nicht daran, die teuren Automaten aufzustellen. Sie begnügten sich damit, eifrig Plastikkarten zum Stückpreis von fünf bis zehn Mark zu verteilen. Bedienen könnte sich ihre Kundschaft schließlich am Gerät der Konkurrenz.
»Eine wichtige Grundbedingung des Poolvertrages« wäre dann nicht erfüllt, klagte Wolfgang Starke, der Geschäftsführer im Deutschen Sparkassen- und Giroverband. Starke putzte eigenen Eifer heraus: »In 350 Orten knüpfen Sparkassen das Automatennetz.« Bis Ende März sollen rund 400 Geräte stehen.
Das Gegenteil sei richtig, konterte der Bundesverband deutscher Banken, die Lobby der Privaten. Das Abkommen sei »ohne Einschränkungen erfüllt«. Nach der Zählung vom Januar hätten die Privatbanken mit ihren gut 6000 Zweigstellen 92 »institutsübergreifende« Automaten aufgestellt, die Sparkassen mit mehr als 17 000 Filialen jedoch nur 100 und die Volksbanken (fast 20 000 Zweigstellen) gar nur vier.
Wer auch immer recht hat: Sicher ist, daß die Banken sich beim Aufstellen von Automaten nicht gerade beeilen. In den USA, auch in England, erleichtern weitaus mehr Geldautomaten das Abheben von Barem als hierzulande.
Die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank hat jetzt 30 Geldgeräte installiert, die Dresdner Bank 20 und die Bayerische Vereinsbank 15. Die Sparkassen stellen tatsächlich viele neue Geldkassen auf, oder sie stellen alte, die bisher nur für die eigenen Kunden galten, auf universellen Gebrauch um.
Die meisten Großbanken blieben hingegen zögerlich. Die Deutsche Bank, mit rund 1100 Zweigstellen auch im Filialnetz die größte, verfügt über elf Automaten. Die Commerzbank stützt das Bargeschäft lediglich mit sieben Geräten, ein einziges besitzt die Bank für Gemeinwirtschaft.
Die Deutsche Bundespost hat zwar schon 186 000 Plastikkarten mit Magnetpiste an die Postscheckkunden verschickt, doch Geld für einen Geldautomaten mochte der Staatsbetrieb bisher nicht lockermachen.
Insgesamt hat das Geldgewerbe mehr als zehn Millionen tresorknackende Eurokarten ausgestellt. Aber nur in Berlin, München und Stuttgart ist das Netz etwas enger geknüpft.
Ausgerechnet jene Maschinenfans, die das System einst lautstark priesen, üben nun stille Abstinenz. »Wir gehen da ganz behutsam vor«, sagt ein Direktor von der Deutschen Bank. Laut Vertrag habe S.67 »doch jede Bank die Freiheit, so viele aufzustellen, wie sie mag«.
Es gäbe Lieferschwierigkeiten, entschuldigt sich mancher Zauderer. Die M-Box, das technische Herzstück aller Geräte, sei kaum mehr zu bekommen.
Andere wiederum geben vor, die Technik wie auch die Idee des ganzen Systems sei heute schon von gestern. Der Trend weise eindeutig in die Gegenrichtung: zum bargeldlosen Zahlungsverkehr. Buchungen über den Bildschirmtext würden dazu beitragen.
Außerdem könnte die Eurokarte schon bald durch ein viel intelligenteres Produkt abgelöst werden: durch die Chipkarte. Die enthält anstelle des Magnetstreifens einen Mikroprozessor, also einen Kleincomputer.
Der Chip kann viel mehr als der Streifen. Er eignet sich zum bargeldlosen Bezahlen an Kassenautomaten in Warenhäusern oder Reisebüros; er ersetzt das Kleingeld in Telephonzellen oder an Fahrkartenschaltern; und er wäre zugleich als Reisescheck wie als Kreditkarte brauchbar. In den französischen Städten Lyon, Caen und Blois wird der Nutzen dieser Allzweckkarte derzeit schon praktisch erprobt.
Daß der Computer das Bargeld in absehbarer Zeit so stark verdrängt, glaubt indes niemand. Der wirkliche Grund für den langsamen Aufbau der Geldautomaten ist viel profaner: Die neuen Maschinen rentieren sich nicht.
Bald 90 000 Mark müssen die Kreditinstitute für eine automatische Kasse ausgeben. Einschließlich der Umbauten in den Filialen für Maurerarbeiten, Elektroleitungen und zusätzliche Sicherungsmaßnahmen steigt der Aufwand schnell auf das Doppelte. Zudem brauchen die Geräte stetige Pflege.
Selbst wenn die Banken von institutsfremden Kunden drei Mark Gebühren kassieren, sind die eisernen Kassen »nicht kostendeckend«, sagt Walter Früngel, der Direktor der Stadt-Sparkasse Solingen.
Wenigstens 3500 Kunden müßten sich im Monat an einem Automaten bedienen, bis der Einsatz lohnt, die Nutzschwelle erreicht ist. Das ist allenfalls in Großstädten möglich - bei Massenandrang, wenn die Kunden vor den Kassen wie gewohnt Schlange stehen.
»Die meisten Geräte rechnen sich nicht«, meint auch ein Automatenexperte bei der Deutschen Bank. »Unter streng betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten«, ergänzt Bernd Rodewald vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, »sollte die Installation eines Geldautomaten nur dann vorgenommen werden, wenn man damit tatsächlich einen Kassiererplatz einsparen kann.«
Das wäre nur möglich, wenn die Geldhäuser Filialen dichtmachen. Statt zusätzlichen Service gäbe es dann dank der Automaten weniger Dienst am Kunden.