Telekom Kräftig bedient
Wolfgang Bötsch wundert sich über die Anrufe, die zur Zeit andauernd in seiner Behörde eingehen. Vorwürfe, Hinweise, Fragen, immer zum gleichen Thema: dem Korruptionsskandal beim Staatsbetrieb Telekom.
Die Leute regt auf, daß sich hochrangige Telekom-Beamte offenbar jahrelang mit Luxusgütern bestechen ließen, mit Cartier-Uhren für mehrere zehntausend Mark und teurem Parfum, Whisky und Ledertaschen - Geschenke dankbarer Kunden, denen die Beamten einträgliche Aufträge zuschanzten.
Seit Darmstädter Staatsanwälte solche Wertsachen fanden, sitzen drei Beamte in Haft. Vorletzte Woche kam auch noch ihr Chef dazu, der Marketing-Direktor der Bonner Generaldirektion. Gut möglich, daß bald weitere Kollegen folgen: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 20 Personen.
»Eine äußerst unerfreuliche Geschichte«, findet Minister Bötsch, mit der er nicht viel zu tun habe: »Wenn das Ganze bei der Lufthansa passiert wäre«, sagt er, »käme doch auch keiner auf die Idee, zum Finanzminister zu rennen.«
Vermutlich werden sich Bötsch und Telekom-Chef Helmut Ricke noch einige Zeit mit erbosten Fragern herumschlagen müssen. »Lieferwagenweise belastendes Material«, so Oberstaatsanwalt Georg Nauth, liege den Ermittlern vor. Außerdem gehen ständig neue Hinweise ein. »Wir stehen noch immer ganz am Anfang der Ermittlungen«, sagt Nauth. Der Umfang der Affäre sei »noch nicht absehbar«.
Sieben Haftbefehle hat die Staatsanwaltschaft bisher erlassen. Zuletzt traf es einen von drei Geschäftsführern der DeWe-Filmstudios in Hildrizhausen bei Stuttgart. Die Schwaben hatten unter anderem Beiträge über den Fernmeldesatelliten Kopernikus gedreht - und sich offenbar für die besonders großzügige Vergütung mit üppigen Geschenken bei den Auftraggebern revanchiert.
Drei Beamte der Telekom haben sich anscheinend besonders kräftig bedient: ein Oberamtsrat aus der Bonner Generaldirektion und zwei Mitarbeiter des Forschungs- und Technologiezentrums (FTZ) in Darmstadt. Gemeinsam waren sie für den 230-Millionen-Mark-Werbeetat des Postunternehmens zuständig.
Das FTZ hat sich - anders als der Name vermuten läßt - in den vergangenen Jahren zu einer Art ausführendem Organ der Bonner Generaldirektion entwickelt. Werbeaufträge beispielsweise wurden in Bonn zwar im Grundsatz beschlossen, die Darmstädter aber pflegten die Kontakte zu den Lieferanten, schrieben Rechnungen, vereinbarten vertragliche Details.
Ohne Absprache mit Bonn konnten die FTZ-Mitarbeiter keine Aufträge vergeben. Bei den drei inhaftierten Postlern funktionierte die Kommunikation offensichtlich besonders gut. Die Darmstädter konnten angeblich jahrelang für bestimmte Zulieferer - wie etwa die Stuttgarter Filmproduzenten - fingierte Rechnungen ausstellen und Scheinbeträge buchen. Der Bonner Kollege muß wohl alles genehmigt haben.
Offenbar war für solche Schiebereien bei der Commerzbank ein dubioses Konto eingerichtet worden. Die Telekom hatte zehn Millionen Mark eingezahlt. Das Konto wurde von der Münchner Werbeagentur HM1 Heuser, Mayer + Partner verwaltet.
Über dieses Konto sollen die Beamten zum Teil ihre Luxusartikel finanziert haben: Da wurde auch als HM1-Leistung abgerechnet, was in Wirklichkeit nicht der Telekom, sondern nur dem Privatvergnügen einiger Mitarbeiter diente.
Über dieses Konto lief zwar auch ein Teil des eigentlichen Geschäftsverkehrs zwischen HM1 und Telekom - für verschiedene Werbeprojekte zum Kabelbereich. Aber das war der geringere Teil. Vier Fünftel der Überweisungen gingen an andere Telekom-Zulieferer, zum Teil an Firmen, von denen die Münchner gerade mal die Namen gekannt haben wollen.
Die HM1-Leute kümmerten sich um die Bezahlung aller Rechnungen, die ihnen aus Darmstadt vorgelegt wurden. Wofür das Geld ausgegeben wurde, wollen sie in vielen Fällen jedoch nicht gewußt haben.
»Wir sind von der Telekom als Geldwaschanlage mißbraucht worden«, sagt ein Mitarbeiter. Als das Konto eingerichtet wurde, habe man sich wenig dabei gedacht: »Wenn so ein mächtiger Auftraggeber Wünsche äußert, dann macht man das eben.«
Solche Erklärungen nützten den Münchnern bislang nicht viel. Zwei HM1-Geschäftsführer gehörten zu den ersten, die festgenommen wurden. Zur Zeit sind sie gegen Kautionen von 300 000 und 400 000 Mark frei.
Noch bleibt vieles aufzuklären, unter anderem auch die Rolle der Parlamentarier aus dem Postausschuß des Deutschen Bundestages. Die Staatsanwaltschaft in Darmstadt hatte in der vergangenen Woche zeitweise angedeutet, daß ihr Angaben über Zuwendungen an Abgeordnete vorliegen.
Die Ausschußmitglieder wehren sich gegen solche Vorwürfe. »Wir kriegen für unsere Privatanschlüsse ein paar zusätzliche Freieinheiten, und wir bekommen bei Dienstreisen auch schon mal Reisegeschenke von den Postunternehmen«, sagt der SPD-Abgeordnete Arne Börnsen. »Aber dabei geht es um kleine Beträge.«
Selbst wenn einer doch mehr genommen hätte: Rechtswidrig wäre das nicht. Anders als Beamte können Abgeordnete nicht wegen Bestechung belangt werden. Y