Kreditklemme Welche Milliardendeals jetzt wackeln
Hamburg/New York - Stephen Schwarzman, der König der Wall Street, hat erneut ein perfektes Timing bewiesen. Ende Juni brachte der Gründer des Finanzinvestors Blackstone einen Teil des Unternehmens an die Börse, zeitgleich zum Höhepunkt des Übernahmebooms - was dem Firmenjäger ein rauschendes Börsendebüt sowie Einnahmen von 4,1 Milliarden Dollar bescherte.
Schwarzman und seine Anleger feierten einen Moment lang das goldene Zeitalter für Finanzinvestoren: Geld war billig und im Überfluss im Angebot. Denn solide Unternehmensgewinne und eine brummende Weltkonjunktur ließen das Risiko eines Kreditausfalls vergessen. Zumindest noch für einige Tage.
Inzwischen aber hat sich ein Zeitenwechsel im Geschäft mit Fusionen und Übernahmen vollzogen (Mergers and Acquisitions, M&A). Zwar werden die Deals in diesem Jahr wohl noch einen Rekordwert erreichen - doch seit Mitte Juli wird bei der Finanzierung neu gerechnet. Die Risikoprämie kehrt zurück.
Die Aktie von Blackstone notiert wieder weit unter ihrem Ausgabekurs. Und auch den übrigen großen Private-Equity-Gesellschaften steht eine raue zweite Jahreshälfte bevor.
Der Auslöser: Zwei Hedge-Fonds der Investmentbank Bear Stearns, die mit schlecht besicherten Immobilienkrediten spekuliert hatten, sind zusammengebrochen. Die Krise am US-Immobilienmarkt hat nicht nur weitere US-Hypothekenfinanzierer wie zuletzt American Home Mortgage und das deutsche Kreditinstitut IKB in schwere Bedrängnis gebracht. Sie verursacht auch wachsende Unsicherheit bei kreditfinanzierten Unternehmensübernahmen. Banken, die bisher großzügig Kredite vergaben und diese wie durchlaufende Posten behandelt hatten, werden sie künftig nicht mehr so leicht an andere Investoren weiterreichen können.
Das bedeutet: Firmenjäger und expansionswillige Konzerne kommen nicht mehr so leicht an das nötige Geld, um ihre oft gewagten Deals zu finanzieren. Schon jetzt verzögern sich dadurch einige prominente Übernahmen. Viele aufsehenerregende Megadeals, die in den vergangenen Monaten bejubelt wurden, sind noch nicht abgeschlossen. Denn die beteiligten Investmentbanken haben noch milliardenschwere Überbrückungskredite in ihren Büchern und suchen händeringend nach Möglichkeiten, diese Kredite weiterzugeben.
Einen Ausweg bieten Hochzinsanleihen (High Yield Bonds). Investoren dürften jedoch künftig nur noch dann hochverzinsliche Anleihen mit entsprechendem Ausfallrisiko kaufen, wenn sie für ihr Risiko belohnt werden. High Yield Bonds sowie Kreditderivate (CDOs), die das Kreditkarussell in der Vergangenheit beschleunigt hatten, dürften künftig "konservativer strukturiert" und neu bepreist werden, heißt es in der Branche. Dies spüren derzeit auch Cerberus und DaimlerChrysler .
Denn auch bei der Übernahme von Chrysler durch den Finanzinvestor Cerberus ist die Finanzierung ins Stocken geraten. Der US-Autobauer Chrysler sollte ursprünglich Schuldverschreibungen im Wert von zwölf Milliarden Dollar herausgeben, um den Deal mitzufinanzieren. Die Ausgabe wurde mangels Nachfrage am Markt schon zweimal verschoben. Die von Cerberus beauftragten Investmentbanken Goldman Sachs , JP Morgan , Bear Stearns und Citigroup müssen die Anleihen für Investoren attraktiver machen - und bis zu einer erfolgreichen Platzierung der Anleihen den Großteil der Summe jetzt selbst vorstrecken.
Insgesamt will Cerberus über die beauftragten Banken weit mehr als 20 Milliarden Dollar am Markt einsammeln. Dieses Vorhaben dürfte nun deutlich schwieriger werden, zumal andere Konzerne mit ähnlich großen Volumen auf den Kreditmarkt drängen. Ob der Verkauf von Chrysler unter diesen Umständen bis Ende August erfolgreich abgeschlossen wird, ist fraglich.
Auch bei zahlreichen anderen milliardenschweren Übernahmen, die derzeit noch unter den Top Ten dieses Jahres rangieren, wackelt nach Angaben des US-Fernsehsenders CNN inzwischen die Finanzierung.
Die anderen Wackelkandidaten
Zum Beispiel TXU: Die Übernahme des texanischen Energieversorgers durch die Finanzinvestoren KKR, Texas Pacific Group und Goldman Sachs Capital Partners war im Februar dieses Jahres mit einem Volumen von 44 Milliarden Dollar zeitweise der weltgrößte Übernahmedeal. Doch noch haben die teilnehmenden Banken ihre Kredite nicht vollständig weitergeben können, der Deal ist nicht abgeschlossen.
Auch für die Übernahme des Anbieters für elektronische Bezahlsysteme First Data steht die Finanzierung noch aus. First Data soll Hochzinsanleihen im Wert von acht Milliarden Dollar am Markt platzieren, um dem Käufer KKR das nötige Kleingeld zuzuspielen. Hedge-Fonds, bislang verlässliche Interessenten für hoch verzinste Junk Bonds, dürften nach dem Fall Bear Stearns jedoch vorsichtiger agieren. Insgesamt ist die Übernahme von First Data rund 28 Milliarden Dollar wert.
Auch in der zweiten Reihe rumort es. Chrysler ist nicht der einzige "kleinere" Leveraged Buy-out, dessen Finanzierung zu haken beginnt. Auch die von KKR übernommene US Foodservice konnte vor wenigen Wochen eine rund 3,5 Milliarden schwere Anleihe nicht wie gewünscht am Markt platzieren, die Investmentbanken müssen einen neuen Anlauf wagen. Ebenso war die Platzierung von Schuldverschreibungen des US-Autozulieferers Allison Transmission geplatzt, den General Motors an Finanzinvestoren veräußert hatte.
Nach Schätzungen von Thomson Financial müssen in den USA bis Jahresende noch Anleihen im Wert von mehr als 200 Milliarden Dollar im Markt platziert werden. Wie glatt das geht, hängt auch vom Zustand der US-Konjunktur und der Stärke der einzelnen Unternehmen ab. Ein Kreditstau würde nicht nur Private-Equity-Gesellschaften ausbremsen, sondern auch die Expansion und Restrukturierung der Unternehmen weltweit verteuern.
Signale auch in Europa
In Europa hatte kürzlich der britische Pharmakonzern Alliance Boots Probleme, Bankdarlehen wie geplant zu platzieren. Ein Teil der vom Käufer KKR aufgenommenen Kredite konnte nur dadurch an den Markt weitergegeben werden, dass einige der nachrangigen Darlehenstranchen unter ihrem Nennwert ausgegeben wurden. Dies bedeutet in der Praxis, dass die beteiligten Investmentbanken einen Teil ihrer Provisionen an die Investoren am Kapitalmarkt weiterreichen, um die Kredite aus ihren Büchern zu bekommen.
"Fremdfinanzierte Übernahmen müssen jetzt nicht zwangsläufig platzen", sagt Matthias Volkmer, Analyst bei der Ratingagentur Fitch. Doch eine Rückkehr des Risikobewusstseins könnte dafür sorgen, dass es zu einer Kräfteverschiebung zwischen Private-Equity-Investoren und ihren Kreditgebern kommt: "Bisher konnten Finanzinvestoren die Bedingungen weitgehend bestimmen, weil Kreditgeber Schlange standen", sagt Volkmer. Er hält es für unwahrscheinlich, dass einige der schon beschlossenen Übernahmen jetzt noch scheitern. "Die beteiligten Banken haben als Kreditgeber unterschrieben und das Geld zur Verfügung gestellt - sie müssen jetzt nur sehen, wie sie die Darlehen weiterreichen", sagt der Ratingexperte.
Für die Kreditinstitute beginnt nun jedoch ein Wettlauf gegen die Zeit. "Die Akteure sind darum bemüht, die Kredite bis Jahresende aus ihren Büchern bekommen - andernfalls wird es für sie sehr schwierig, neue Deals zu finanzieren", sagt Volkmer.
Chancen für die Finanzierung neuer Übernahmen gebe es erst dann, wenn die alten abgearbeitet und Darlehen weitergereicht seien. Sonst entstünde für die Kreditgeber ein Klumpenrisiko, das sich kaum eine Investmentbank wird erlauben können. Ein solches Szenario dürfte für den Fusions- und Übernahmemarkt einen empfindlichen Rückschlag bedeuten.