Krieg gegen die Ukraine Ungarn lehnt EU-Pläne für härtere Sanktionen gegen Russland ab

Ungarn-Premier Viktor Orbán (Archivfoto)
Foto:Attila Kisbenedek/ AFP
Ungarn will die von der EU-Kommission geplante Verschärfung der Sanktionen gegen Russland nicht mittragen. Die Ausweitung der Einfuhrbeschränkungen für Öl und Gas aus Russland sei für ihn eine rote Linie, sagte Ministerpräsident Viktor Orbán. Er zeigte sich zudem bereit, für Gaslieferungen – wie von Russland verlangt – in Rubel zu bezahlen. Andere EU-Staaten, wie Deutschland, lehnen dies ab und wollen ihre Rechnungen weiterhin in Euro oder Dollar begleichen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zuvor in Reaktion auf mutmaßliche Kriegsverbrechen russischer Truppen neben einem Importstopp von Kohle auch ein Ölembargo angedroht. »Diese Sanktionen werden nicht unsere letzten Sanktionen sein«, sagte sie im Europa-Parlament in Bezug auf den vorgeschlagenen Importstopp für russische Kohle. »Jetzt müssen wir uns Öl anschauen und die Einnahmen, die Russland aus fossilen Brennstoffen bezieht.«
Ähnlich äußerte sich EU-Ratspräsident Charles Michel: »Ich denke, dass Maßnahmen zu Öl oder sogar Gas früher oder später gebraucht werden.«
»Keine gemeinsame Haltung nötig«
Ungarns Außenminister Peter Szijjarto erklärte dagegen, die Gasversorgung des Landes sei durch einen Vertrag mit der staatlichen MVM und dem russischen Konzern Gazprom geregelt. In diesem Vertrag spiele die EU keine Rolle. Aus seiner Sicht sei eine gemeinsame Haltung der EU-Staaten, die russisches Gas importieren, nicht nötig.
Aus der Europäischen Union sind nach Angaben ihres Außenbeauftragten Josep Borrell seit Kriegsbeginn 35 Milliarden Euro für Energieimporte nach Russland geflossen. Dies zeige, wie wichtig es sei, die Abhängigkeit der EU von Energieimporten zu reduzieren, sagte der Spanier im Straßburger Europaparlament.
Dieser Summe stellte Borrell »nur eine Milliarde Euro« gegenüber, in deren Wert man der Ukraine Waffen und militärische Ausrüstung gewährt habe. »Heute stoppen wir die Kohle, aber das ist nur ein sehr kleiner Teil der Rechnung«, sagte er.
Die EU-Kommission hatte ein Kohle-Embargo der Mitgliedstaaten vorgeschlagen, über den nun die EU-Staaten einstimmig entscheiden müssen. Vorgesehen ist, dass es für das Kohle-Importverbot eine dreimonatige Übergangsfrist gibt, in der Lieferungen noch möglich sein sollen.
Die EU kauft vor allem fossile Energieträger aus Russland – daher kann sie hier einen hohen Druck über Sanktionen ausüben. Laut der Statistikbehörde Eurostat sind fast zwei Drittel der gesamten Importe aus Russland in die EU Energie. Dafür zahlten die Länder im vergangenen Jahr demnach 99 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr war die Energie teils viel billiger als in diesem Jahr. Die EU-Kommission kündigte am Mittwoch an, dass sie 17 Staaten technische Unterstützung leisten wird, um russische Importe fossiler Brennstoffe möglichst schnell zu verringern.
EU-Parlamentsvizepräsidentin Katarina Barley sagte dem ZDF-Morgenmagazin, sie erwarte als Nächstes einen EU-Importstopp für Öl aus Russland. »Öl wird auch, denke ich, relativ schnell kommen.« Ein Einfuhrstopp für russisches Gas wäre hingegen schwierig, sagte Barley. Damit hätte nicht nur Deutschland ein Problem, sondern auch andere Länder.
Wenn Gas-Embargo, dann schnell
Ifo-Präsident Clemens Fuest forderte hingegen ein sofortiges Gas-Embargo. »Falls es überhaupt sinnvoll ist, Gasimporte aus Russland einzustellen, dann sofort«, schreibt Fuest in einem Aufsatz des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. »Ob wir 2024 diese Importe beenden wollen, wie die Bundesregierung jetzt plant, erscheint heute sehr zweifelhaft.« Nach dem Ende des Ukrainekriegs sei es klüger, wieder Gas aus Russland zu importieren – um weiter Druck auf Russland ausüben zu können.
Die deutsche Industrie unterstützt die angedachten Kohle-Sanktionen gegen Russland, warnt aber vor einem Gas-Embargo. Zwar sei der Verzicht auf russische Kohle nicht einfach umzusetzen und habe seinen Preis, »aber die Entscheidung ist vor dem Hintergrund der Eskalation der Gewalt mehr als nachvollziehbar«, sagte Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Völlig anders sei die Situation beim Gas, so Russwurm: »Ein Komplettausfall russischer Gaslieferungen, die andere Lieferanten nicht kurzfristig ersetzen können, wäre ein gewaltiger Stresstest für die EU – mit unabsehbaren Folgen für Versorgungssicherheit, Wachstum, Beschäftigung und unsere politische Handlungsfähigkeit.« Auch die Bundesregierung lehnt ein Embargo russischer Gasimporte ab und warnt vor schweren Schäden für die Wirtschaft.
Nach Angaben der deutschen Importeure wäre ein vollständiger Verzicht auf russische Kohle möglich, allerdings erst ab nächsten Winter, und es drohten höhere Preise. »Die russische Steinkohle kann durch Kohle aus anderen Ländern wie USA, Südafrika, Australien, Kolumbien, Mosambik und Indonesien ersetzt werden«, sagte Alexander Bethe, Vorstandsvorsitzender des Vereins der Kohlenimporteure, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.