Krisenbank Hypo Real Estate droht Klagewelle
München/Frankfurt am Main - Die Hypo Real Estate (HRE) kommt nicht zur Ruhe. Die Münchner Kanzlei Rotter rechnet laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" bis Mitte Januar mit mehr als 40 Klagen über etwa drei Millionen Euro gegen die sieche Immobilienbank. Weitere Schadenersatzforderungen dürften nach Einschätzung der Anwälte folgen. Die Kanzlei strebe daher ein Musterverfahren an, um die Abläufe zu beschleunigen, berichtet die "SZ".
Auch andere Kanzleien bereiten offenbar Klagen vor. Die Schadenersatzansprüche richten sich sowohl direkt gegen die Bank als auch gegen einzelne Manager wie den früheren HRE-Chef Georg Funke. Insgesamt könne "die Höhe der Schadenersatzforderungen sehr schnell im dreistelligen Millionenbereich liegen", sagte Janos Morlin von der Kanzlei Rotter der Zeitung.
Die Schadensersatzforderungen begründete Morlin so: "Wir haben ganz klar den Eindruck, dass bei der Hypo Real Estate wider besseren Wissens die Kapitalmärkte falsch informiert wurden."
Ähnliche Vorwürfe erhebt auch die Münchner Staatsanwaltschaft gegen Ex-Konzernchef Funke und den bisherigen Finanzvorstand Markus Fell. Diese stehen im Verdacht, eine zu riskante Geldpolitik betrieben zu haben und diese auch nicht geändert zu haben, als sich die Finanzkrise weltweit ausweitete. Die Folge: Funke, Fell und weitere HRE-Manager hätten die Bank so beinahe in die Pleite geführt und auf diese Weise Unternehmensvermögen veruntreut.
Der Immobilienfinanzierer hatte am Samstag bekanntgegeben, dass er sich mit sofortiger Wirkung vom ehemaligen Vorstandschef Funke und dem noch amtierenden Vorstand Fell trennt. Auch das frühere Vorstandsmitglied Bo-Heide Ottosen und Vorstand Frank Lamby müssen gehen.
Das Münchner Kreditinstitut lässt bereits seit einigen Wochen prüfen, ob Funke und ein weiterer kurz zuvor ausgeschiedener Vorstand gegen ihre Dienstpflichten verstoßen haben. Dem "SZ"-Bericht zufolge wirft die Staatsanwaltschaft Funke, Fell und anderen Managern vor, gegen insgesamt sieben Vorschriften des Aktiengesetzes, des Strafgesetzbuches und des Wertpapierhandelsgesetzes verstoßen zu haben.
Unter anderem sollen sie Paragraf 93 des Aktiengesetzes verletzt haben, der Vorstände zur "Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters" verpflichtet. Im Durchsuchungsbeschluss, der zur Großrazzia bei der HRE führte, wird dieser Vorwurf laut "SZ" mit einer zu riskanten Geldpolitik der Finanzgruppe begründet. Als die Bankenkrise sich ausweitete, hätten Funke, Fell und der übrige damalige Vorstand seit Mai die Strategie ändern und so die Liquidität der HRE sichern müssen.
Die Ermittler hatten die Bank sowie Büros und Privaträume von Ex-HRE-Managern am Mittwoch durchsucht. Neben Untreue werfen sie den Ex-Managern auch Marktmanipulationen und falsche Darstellungen nach dem Aktiengesetz vor. Laut "SZ" drohen den Verdächtigen neben den hohen Schadensersatzforderungen im für sie schlimmsten Fall auch Geldstrafen und bis zu fünf Jahre Gefängnis.
Vorstand und Aufsichtsrat der HRE verkündeten am Samstag zudem eine strategische Neuausrichtung und Restrukturierung der Bankengruppe. Die Zahl der Mitarbeiter solle im Verlauf der kommenden drei Jahre von derzeit 1800 auf zunächst 1000 sinken.
Die Bank ist wegen der Finanzkrise in Schieflage geraten und auf Hilfe aus dem Banken-Rettungsfonds der Bundesregierung angewiesen. Das neue Geschäftsmodell soll die jährlichen laufenden Kosten bis 2011 um rund 200 Millionen Euro und bis 2013 um rund 250 Millionen Euro verringern.