Krisenwährung Gier nach Gold

Der Goldpreis kennt derzeit nur eine Richtung: nach oben. Weil die Wirtschaftskrise die Anleger verunsichert, investieren sie in das solide Edelmetall. Experten sind überzeugt, dass der Preis noch weiter steigt - obwohl es weder Zinsen noch Dividenden gibt.
Von Astrid Lipsky

"Kündigen Sie, lösen Sie auf, was geht, und holen Sie Ihr Geld da raus. Kaufen Sie lieber Gold und Silber, parken Sie das Geld auf Tagesgeldkonten oder legen Sie einen Teil in Schweizer Franken an." Gerhard Spannbauer, Buchautor und selbsternannter Experte für Krisenvorsorge, ist radikal - und pessimistisch: "Die wirkliche Krise ist noch nicht eingetreten", heißt es auf seiner Internet-Seite.

Neben der Vorsorge gegen leergefegte Depots liefert er Tipps für den Fall leergefegter Geschäfte und dem daraus folgenden Chaos. Er empfiehlt, Lebensmittel und Medikamente zu bunkern, den Kauf eines Brotbackautomaten und mobiler Wasserfilter sowie von Pfefferspray oder eines Teleskop-Abwehrstocks.

Spannbauer mag übertreiben, aber auch renommierte Experten sind in Krisenstimmung. Und Gold ist die Währung dieser Gemütslage. "Ich bin überzeugt, dass sich in den kommenden Jahren eine der wenigen Chancen bietet, auf steigende Edelmetallpreise zu setzen. Einfach, weil sich Edelmetalle als sichere Häfen anbieten und es keine Alternativen gibt", so Ökonom Michael Panzer, Mitglied des New York Institute of Finance.

1000-Dollar-Marke in Sicht

Dabei bringt Gold weder Zinsen noch Dividenden. Gewinne gibt es nur, wenn der Preis steigt. Und dass er weiter steigt, ist sehr wahrscheinlich. Seine Höhe bestimmen neben psychologischen Faktoren vor allem die Fördermengen der Goldminen, die Nachfrage der asiatischen Länder und institutionellen Investoren sowie das Verhalten der Notenbanken.

Die Nachfrage ist hoch: Anleger sind seit Monaten im Goldrausch. Die schiere Zukunftsangst hat die Menschen schon immer in die sicheren Häfen getrieben. Und ein Ende der globalen Wirtschaftskrise ist nicht in Sicht. Nach Berechnungen des World Gold Council (WGC) ist die Nachfrage nach physischem Gold 2008 um 87 Prozent gestiegen. Barren und Münzen waren so beliebt, dass die Prägeanstalten bereits Ende vergangenen Jahres nicht mehr hinterherkamen und es in vielen Teilen der Welt Angebotsengpässe gab. Einige börsengehandelte Fonds lagern inzwischen mehr Gold, als im Tresor so mancher Zentralbank liegt. Insgesamt kletterte die Goldnachfrage im vergangenen Jahr um vier Prozent auf 3659 Tonnen. Tendenz steigend.

Das Angebot hingegen ist begrenzt: "Alle sprechen davon, dass ein 'Oil-Peak' erreicht ist. Das ist sicher richtig, aber die Goldproduktion dürfte noch viel eher ihren Höhepunkt überschritten haben. Ich bin mir sicher, dass die meisten Minen nur für wenige Jahre Vorräte haben", sagt Vermögensverwalter Jens Ehrhardt, Manager des DJE Gold & Ressourcen. 2008 lag das Angebot laut WGC bei 3468 Tonnen und war damit bereits niedriger als die Nachfrage. Tendenz fallend.

Gold wird immer knapper. Beste Voraussetzung für einen weiter steigenden Preis. Kurzfristig kommt noch hinzu: Die enorme Verschuldung der Staatshaushalte setzt die Währungen unter Druck. Davon profitiert das Edelmetall ebenfalls.

Anfang März kostete eine Feinunze (31,1 Gramm) Gold 915 Dollar. Das ist billig: Berücksichtigt man das gestiegene Preisniveau, würde das im Januar 1980 erreichte Allzeithoch von 850 Dollar heute einem Preis von 2200 Dollar pro Unze entsprechen. Ehrhardt ist sich darum sicher, dass "der Goldpreis schon in Kürze deutlich über die 1000-Dollar-Marke steigen wird".

Dann allerdings dürften auch die Kurse der Minenaktien anziehen. Sie haben einen starken Hebel: Steigt der Goldpreis, können die Minen ihre Ausbeute teurer verkaufen, während die Kosten annähernd gleich bleiben. Die steigenden Gewinne werden an der Börse belohnt. Jedoch dürfen weder Grubenunglücke noch Umweltauflagen, Arbeitskämpfe oder ein schlechtes Management dazwischenkommen, sonst ist der Hebel schnell wieder verschwunden.

Positiv zu bewerten sind die gefallenen Schwellenländer-Währungen. Liegen die Minen in diesen Ländern, sinken die Kosten der Betreiber, während der Verkaufspreis steigt.

Über eines allerdings sollten sich Goldsucher bewusst sein. Wer Aktien oder Fonds mit entsprechendem Schwerpunkt kauft, bewegt vor allem Papier und kein Gold. Wer also wie Krisenexperte Spannbauer mit dem Zusammenbruch des Weltfinanzsystems rechnet, ist mit dem Kauf von physischem Gold besser beraten. Investiert werden sollte dann allerdings vor allen Dingen in Münzen. Bricht das System zusammen, wird der Supermarkt um die Ecke kaum Goldbarren wechseln können.

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