Wirtschaftskrise »Astronomische Inflation« auf Kuba liegt bei 70 Prozent – mindestens

Die Regierung im sozialistischen Kuba kämpft gegen Knappheit und extrem steigende Verbraucherpreise. Unter anderem sollen deshalb die Gehälter schrittweise um insgesamt 450 Prozent erhöht werden.
Fahrradtaxi in Havanna: Die Menschen wissen kaum noch, wie sie ihr Leben bezahlen sollen

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Foto: YAMIL LAGE / AFP

Seit Monaten wird in Deutschland über steigende Verbraucherpreise gewettert. Verglichen mit Kuba ist die Teuerung hierzulande jedoch noch mehr als gemäßigt: Die Inflation des sozialistisch regierten Inselstaats in der Karibik soll offiziellen Angaben zufolge Ende des Jahres bei über 70 Prozent liegen. Nach Ansicht von Experten liegt sie jedoch noch viel höher.

»Offensichtlich« werde sein Land die Schwelle von 70 Prozent überschreiten, sagte Wirtschaftsminister Alejandro Gil dem Parlament. Kuba kommt damit auf eine der höchsten Teuerungsraten der Welt. Die Situation sei jedoch »mit keinem anderen Land vergleichbar, denn sie ist gewollt«, sagte er. Es handle sich um eine »astronomische« Inflation, räumte Gil ein, »aber auch die Löhne sind gestiegen«.

Pavel Vidal, früherer Wirtschaftswissenschaftler der kubanischen Zentralbank, sagte, die Regierung verwende ein veraltetes Modell zur Berechnung ihres Verbraucherpreisindexes, das den wachsenden Privatsektor und die informellen Märkte nicht richtig berücksichtige.

Die tatsächliche Inflation, die größtenteils auf den privaten und informellen Märkten stattfinde, werde unterschätzt, sagte er – und fügte hinzu, dass die Verbraucherpreise »mit Sicherheit« im dreistelligen Bereich gestiegen seien. Schätzungen zufolge könnte der Anstieg zwischen 100 und 500 Prozent betragen haben »Dies deckt sich mit den anekdotischen Informationen, die darauf hindeuten, dass die Preise der Produkte im Durchschnitt um das Vier- bis Achtfache gestiegen sind«, sagte Vidal.

Währungsreform gilt als Grund für die Teuerung

Der Besitzer eines Hamburger-Ladens in Havanna berichtete etwa der Nachrichtenagentur Reuters, wie sehr die steigenden Kosten für Rohstoffe seine Preise in die Höhe getrieben haben. »Letztes Jahr habe ich einen Schweinefleisch-Burger für 25 Pesos verkauft, jetzt kostet er 85«, sagte er.

Als Hintergrund der enormen Inflation gilt eine Währungsreform, die aus zwei Währungen eine macht. Im Zuge der Umstellungen sollen die Gehälter schrittweise um insgesamt 450 Prozent erhöht werden. Die Regierung hatte Anfang des Jahres die Preise um 44 Prozent erhöht. Zeitgleich erhöhte sie das Lohnniveau. Lag der Mindestlohn im Januar bei 2100 Pesos im Monat, war er am Ende des Jahres mit 3934 Pesos (145 Euro) fast doppelt so hoch.

Gil sagte, die Inflation sei auch auf Faktoren wie die Coronapandemie und das US-Wirtschaftsembargo gegen den Inselstaat zurückzuführen. Die ineffiziente Staatswirtschaft war 2020 deshalb um 10,9 Prozent geschrumpft, insbesondere auch weil der Tourismus zum Erliegen kam.

Er hoffte, dass das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr wieder vier Prozent betragen werde, sagte Gil nun. 2021 wuchs die Wirtschaft des sozialistischen Landes nur um zwei Prozent – und erreichte damit nur ein Drittel des angepeilten Wachstums, was Gil unter anderem auf die Wirtschaftssanktionen zurückführte. »2022 werden wir schrittweise die Inflation beseitigen. Das wird nicht einfach sein, aber es ist auch nicht unmöglich«, zeigte er sich zuversichtlich.

Kuba hatte zum Jahreswechsel sein doppeltes Währungssystem reformiert. Der Peso convertible, der mit einem Kurs von 1:1 an den Dollar gebunden war, wurde abgeschafft. Seitdem ist der kubanische Peso (Cup), mit dem die Regierung bislang unter anderem Gehälter ausgezahlt hatte, das einzige Zahlungsmittel auf der Karibikinsel.

apr/AFP/Reuters
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