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KARTELLE Kuchen geteilt

In einem Knebelvertrag mit der Stadt Detmold versucht der Karstadt-Konzern, Konkurrenten aus dem Markt zu drängen.
aus DER SPIEGEL 13/1976

Der Drohbrief kam am vergangenen Dienstag mit der Morgenpost: Falls Walter Deuss, Vorstand des umsatzstärksten westdeutschen Handelshauses Karstadt, nicht umgehend für »Aufklärung des Sachverhalts« sorge, müsse er mit rechtlichen Schritten rechnen.

Für die Antwort bleibt dem Handelsherrn nur wenig Zeit. Bis zum Donnerstag dieser Woche, verlangt Hans Georg Gelberg, Kartellreferent im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium, müsse der »Verdacht kartellrechtswidrigen oder -mißbräuchlichen Verhaltens« ausgeräumt sein.

Der Streit zwischen dem Kartellfahnder und dem Kaufhauskonzern entzündete sich just an der hundertsten Karstadt-Filiale. Ende 1976 sollte das Jubiläumsstück in der Detmolder Innenstadt hochgezogen werden. Und damit der Laden auch so richtig läuft, versuchte der Konzern beizeiten, sein jüngstes Projekt gegen unliebsame Konkurrenz abzuschirmen.

Dabei war Deuss, seit neun Jahren führendes Mitglied der »stets am Rande des Machtmißbrauchs segelnden Handelsbranche« (Direktor Willi Mülder vom Bundeskartellamt), nicht zimperlich gewesen. In einem drei Seiten starken Brief an den Vorsitzenden des Detmolder Einzelhandelsverbandes, Fritz Jäger, gestand er Ende Oktober 1975 freimütig, wie er sich die Aufteilung des Marktes vorstelle: »Nach verschiedenen Gesprächen« mit den Besitzern der Selbstbedienungsgruppe Deutsche SB-Kauf sei immerhin erreicht worden, daß der am Rande von Detmold geplante SB-Verbrauchermarkt seine Verkaufsfläche auf 6500 Quadratmeter beschränkt und auch bis 1983 nicht weiter ausbaut.

Deutlicher wurde der Karstadt-Chef im Umgang mit Detmolds Stadtvätern. Sein Konzern werde die City nur dann sanieren helfen, wenn die Stadtverwaltung schriftlich verspreche, »weitere Ansiedlungen von Verbrauchermärkten, SB-Häusern und ähnlichen Betrieben ... nicht zuzulassen«.

Ende Januar unterschrieb Stadtdirektor Johann Kross, SPD, den Knebelvertrag: Die Stadt Detmold verpflichtete sich, Karstadt zuliebe die Ansiedlung von neuen Verbrauchermärkten oder Einkaufszentralen bis zum Jahre 1983 »nicht zu fördern und nicht zuzulassen«.

Um sicherzugehen, hatte Deuss sogar eine detaillierte Aufstellung der auszusperrenden Konkurrenten durchgesetzt. So heißt es im Paragraphen zwei der vertraulichen Abmachung: »Auch die weitere Ansiedlung von Waren-, Kaufhäusern, Verbrauchermärkten« und SB-Warenhäusern oder umfangreiche Erweiterungen bestehender Waren-, Kaufhäuser, Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser im Stadtgebiet von über 1000 qm reiner Verkaufsfläche bis zum 1.1.1983« werde die Stadt Detmold nicht fördern. Bis zum 1. Januar 1990 würden nur »angemessene« Erweiterungen oder Neuansiedlungen genehmigt.

Zwar gibt auch Kross zu, daß sein vertraulicher Kontrakt mit Karstadt die »Aufteilung des Detmolder Kuchens« endgültig regelt. Zugleich aber hält er die Absprache für »legitim«, weil sie in die »Planungshoheit der Stadt« falle. Parteifreund Helmut Steinert aus dem Stadtparlament ist da anderer Ansicht: »Die Karstadt-Forderung grenzt an Erpressung.«

Auch Wettbewerbshüter Gelberg will den Handel zwischen den ungleichen Partnern nicht gelten lassen: »Falls eine dahingehende Vereinbarung getroffen worden sein sollte«. wäre sie nach Paragraph eins des Kartellgesetzes unwirksam. Denn diese Vorschrift untersagt jede Wettbewerbsbeschränkung. Darüber hinaus glaubt der Kartellbeamte, noch andere Paragraphen ins Feld führen zu können.

Ihm scheint der Verdacht naheliegend, Karstadt mißbrauche seine ohnehin marktbeherrschende Stellung und habe überdies durch seine Kontakte mit der Konkurrenz gegen das Verbot abgestimmten Verhaltens verstoßen.

Ein Konkurrent fühlt sich durch die Karstadt-Klausel denn auch schon vom Detmolder Markt abgedrängt. Karl Heinrich Kuhlmann, Chef der 84 Läden langen Selbstbediener-Kette Ava, hatte gemeinsam mit dem Grundbesitzer Walter Brandt in Detmold sein 85. Geschäft aufmachen wollen.

Als Brandt im vergangenen November mit dem Bau beginnen wollte, bekam er den Einfluß seines übermächtigen Konkurrenten zu spüren. Stadtdirektor Kross, der zu jener Zeit Deussens Bedingungen bereits telephonisch akzeptiert hatte, ließ Brandt mitteilen, die erbetene -- Baugenehmigung könne »leider nicht« erteilt werden. Um eine Begründung waren seine Beamten nicht verlegen: Der geplante Verbrauchermarkt, beschieden sie Brandt, werde »zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs führen«.

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