BRUNEI Kurz und bündig
Der Sultan von Brunei, Sir Muda Hassan al-Bolkiah, 38, »ist ein anständiger Mensch, ein wirklicher Gentleman«, lobt der Zürcher Unternehmer Carl Hirschmann, »nur hat er leider schlechte Berater«.
Hirschmann war verärgert, weil der Umbau eines Flugzeugs nicht so glatt gelaufen war wie geplant. Der Auftrag war plötzlich storniert worden, und Hirschmann fürchtete um sein Geld. Daran waren nach seiner Ansicht des Sultans böse Ratgeber schuld.
Der Herrscher des 5800 Quadratkilometer großen Zwergstaates im Norden Borneos ist allerdings auf Berater angewiesen: Er braucht sie zur Verwaltung seines ständig wachsenden, märchenhaften Vermögens.
Im Erdgas- und Erdölgeschäft verdient das Sultanat Tag für Tag netto 20 Millionen Dollar - mehr als sieben Milliarden im Jahr. Rund vier Milliarden davon fließen in des Sultans Familienkasse. Sir Hassan ist, laut Guinness Buch der Rekorde, derzeit der reichste Mann der Welt.
Ein solcher Reichtum bringt Verwertungsprobleme. Dem ist mit bloßen Extravaganzen nicht beizukommen. Was heißt da schon Luxus, was bedeuten teure Liebhabereien wie Autos oder Polo-Pferde? Das Geld wird einfach nicht weniger.
Daß er mit Schecks und Scheinen klotzen muß, weiß der junge Fürst zwar von Kindesbeinen an. Doch seine britische Erziehung und die Londoner Maklerfirma Crown Agents sorgten jahrelang dafür, daß alles solide und mit rechten Dingen zuging.
Sie lehrten ihren Schützling, daß er seinen Reichtum nicht allein für sich und seine weitverzweigte Sippe verpulvern darf. Seinen 220 000 Untertanen, versichern Kenner des Landes, geht es denn auch materiell prächtig.
Das Bruttosozialprodukt beträgt umgerechnet 75 000 Mark pro Kopf und Jahr. Schulbesuch und Gesundheitspflege sind kostenlos. Steuern und Sozialabgaben muß niemand zahlen - trotzdem gibt es eine Alterspension für jedermann. Und bei Pilgerreisen nach Mekka zahlt die Staatskasse, wie auch für Hochzeiten und Begräbnisse, Zuschüsse.
Das Landesoberhaupt, das einen märchenhaften 1788-Zimmer-Palast bewohnt - mit einem Thronsaal so groß wie zwei Fußballfelder -, fliegt natürlich nicht wie ein ordinärer Millionär in einem schlichten Privat-Jet. Sir Hassan bestellte im Juni 1983 bei Carl Hirschmann eine Boeing 727 für seine Königliche Luftflotte. Hirschmanns Firma »Jet Aviation« ist auf Einrichtung, Wartung und Betrieb von Privat- und Geschäftsflugzeugen spezialisiert.
Die Schweizer Qualitätsarbeit gefiel dem Sultan ausnehmend gut, und er bestellte bei Hirschmann, der seit 20 Jahren nahe Brunei auf malaysischem Staatsgebiet eine riesige Kakaoplantage betreibt, ein halbes Jahr später eine zweite Maschine gleichen Typs.
Die Spezialisten der »Jet Aviation« hatten Anfang letzten Jahres in ihrem Hangar auf dem Flughafen Basel-Mülhausen kaum mit der Arbeit begonnen, als sich der Krösus wieder bei Hirschmann meldete. Es ärgere ihn, erklärte
der Sultan, daß er auf dem Weg zu seinem englischen Landsitz, wo er sich vor allem dem Polospiel widmet, beim Zwischenstopp zum Auftanken kostbare Zeit verliere.
Der Schweizer wußte Rat: Eine speziell für Langstrecken-Betrieb ausgerüstete Version des Jumbo-Jet, die Boeing 747 »SP« ("special performance"), könne nonstop von Brunei nach London fliegen. Da ließen sich neben Familie und Hofstaat gleich auch einige Sportwagen und ein repräsentativer Rolls-Royce mitnehmen. Für Kauf und Einrichtung des fliegenden Teppichs kalkulierte Hirschmann rund 90 Millionen Dollar.
Einige Wochen später, bei »Jet Aviation« hatte man den jüngsten Spleen des exotischen Kunden schon fast vergessen, erschreckte ein Scheck aus Brunei über 130,5 Millionen Dollar Hirschmanns Buchhalter. Der war für Kauf, Umbau und Wartung einer Boeing 747 SP gedacht.
Hirschmann setzte sofort Ingenieure in Trab, die den seltenen Vogel bei Trans World Airlines fanden. Der 34 Millionen Dollar teure Jet wurde bis auf die Pilotenkanzel ausgeweidet und zum Umbau nach Basel geflogen.
Dort warteten schon 100 zusätzlich engagierte Facharbeiter und Hilfskräfte auf ihren Einsatz. Architekten hatten schon Entwürfe parat, Ingenieure ihre Pläne in Arbeit. Die »Jet Aviation« vergab Zuliefer-Aufträge für 20 Millionen Dollar, vor allem in die USA.
Doch nichts lief wie vorgesehen. Verärgert über die Weigerung der Briten, seinem persönlichen Kommando ein Kontingent Gurkha-Soldaten zu unterstellen, hatte der Sultan nämlich im Juli 1983 über Nacht den seit Jahrzehnten gültigen Vertrag mit seinen Vermögensverwaltern, Crown Agents, gekündigt und sofort sein Guthaben über 3,5 Milliarden Dollar abgezogen.
Als Anlageberater engagierte der Sultan zunächst - für ein fünfmal höheres Honorar - zwei US-Banken sowie japanische Broker, später stellte er die beiden ägyptischen Brüder Mohammed und Ali al-Fayed an. Die transferierten einen Teil des Vermögens zur Schweizerischen Bankgesellschaft und steckten sich das Ziel, den Sultan vom Image eines einfältigen Prassers zu befreien.
Als schlecht fürs Ansehen stuften die Brüder vor allem auch den neuen Jumbo-Jet ein. Unmöglich, fanden die Ägypter, könne der Sultan des Zwergstaates Brunei ein ebenso großes Flugzeug besitzen wie der saudische König Fahd, die Nummer eins unter den Herrschern der islamischen Welt.
Am 22. August 1984 traf in Zürich ein Fernschreiben ein, in dem kurz und bündig der Auftrag für den Jumbo annulliert wurde. Ohne Angabe von Gründen wurde auch der Fünf-Jahres-Vertrag zum Betrieb der Königlichen Luftflotte aufgelöst. Jetzt ist die Lufthansa für die Jets des Sultans verantwortlich.
Hirschmann zeigte wenig Verständnis für den Blitz-Entscheid des Sultans. Er klagte beim Zürcher Handelsgericht auf Schadenersatz. Da ein Hirschmann-Sohn etwas voreilig gleich nach dem stornierten Auftrag rund 81 Millionen Dollar nach Brunei zurückgeschickt hatte, behielt Senior-Chef Carl Hirschmann den Jumbo als Pfand. Rund 25 Millionen Dollar soll der Sultan ihm überweisen.
Der Fall könnte sich schon bald zu Hirschmanns Zufriedenheit lösen: Die ägyptischen Berater sind inzwischen in Ungnade gefallen. Sie haben sich, so heißt es bei Hofe, in unflätiger Weise am Vermögen des Sultans vergriffen: Ihre Beratungsdienste - etwa beim Kauf des Dorchester-Hotels in London, auf dessen Besitz der Herrscher so stolz war - hätten sich die Brüder etwas zu üppig honorieren lassen.
Die Brüder al-Fayed hatten kürzlich das House of Fraser - eine Kette von 102 Warenhäusern und Läden, darunter Harrods, das bekannteste Londoner Kaufhaus - erworben.
Nach der Trennung von den ägyptischen Beratern ist Sir Hassan wieder im Gespräch mit dem Schweizer. Vor Ort in Brunei gewann Hirschmann im April die Überzeugung, »daß wir zu einem Vergleich kommen werden«.
Ob dann auch an dem stillgelegten Jumbo weitergebaut wird, steht noch dahin. Geld wäre genug da und hierarchische Rücksichten sind nicht mehr geboten: König Fahd, so heißt es, hat sich inzwischen einen noch aufwendigeren Jumbo bestellt.
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