PROZESSE Lebenslänglich Reue
Der Kaufmann Fritz J. Dietz, 64, macht sich oft Sorgen um den Rechtsstaat: »Intolerante Aggressivität«. so mahnte erst unlängst wieder der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt wie des Bundesverbandes des deutschen Groß- und Außenhandels, schade der Rechts ordnung: vonnöten seien, so offenbarte das Vorstandsmitglied im Deutschen Industrie- und Handelstag, »mehr denn je Nüchternheit und Augenmaß«.
Er selbst freilich mochte sich an seine Forderung nach Maß und Selbstzügelung nicht halten: Fritz Dietz steht wegen versuchter Nötigung ein Strafprozeß ins Haus.
Von Multi-Präsident Dietz »gravierend genötigt« fühlt sich der Frankfurter Staatsanwalt Hans-Gero Schamberg: »Das ging bis an die Grenze des Widerstands gegen die Staatsgewalt.« Er war in der Lebensmittelgroßhandlung Dietz ("Zuckerdietz") sauer empfangen worden, als er dort am 24. Januar, von Polizisten eskortiert, zur Haussuchung anklopfte.
»Scheißjustiz«, sprach der Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern, als Staatsanwalt Schomberg bat, Schreibtisch und Tresor zu öffnen. Zur selben Stunde, morgens um zehn Uhr, hatten auch in der Frankfurter Industrie- und Handelskammer Kriminalbeamte Dietzens Chefsuite besetzt.
Dem 32jährigen Staatsanwalt (Dietz: »Wie alt sind Sie?"), so meinte der Frankfurter IHK-Präsident schnell erkannt zu haben; fehle »jegliches politisches Einfühlungsvermögen«. Deshalb empfahl das Vorstandsmitglied des CDU-Wirtschaftsrates dem Strafverfolger, lieber auf die Razzia zu verzichten, denn: »Ich habe einen längeren Arm als Sie.« Auch gab Fritz Dietz zu bedenken, daß Schomberg, unterlasse er seine »Polizeiaktion« nicht, die Folgen sein Leben lang bitter bereuen werde.
Die Haussuchung indes war richterlich angeordnet. Sie galt -- im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen gegen einen Vizepräsidenten der Frankfurter IHK -- der Beschaffung einer Urkunde, die verschollen ist: dem Dienstvertrag des früheren IHK-Hauptgeschäftsführers Dr. Kurt Hörnig, heute Rechtsanwalt in Düsseldorf.
Um dieses Papier hatte Dr. Hörnig, 1965 aus der Frankfurter Industrie- und Handelskammer im Zorn geschieden, seitdem glücklos prozessiert. Das Dokument, aus dem er für sich Rechte reklamierte, sei im Besitz von Dietz, behauptete er. Aber den Gerichten bekundeten die IHK-Präsiden, sie wüßten nicht, ob ihr ehemaliger oberster Kammerbeamter Hörnig. »Dienstvorgesetzter« (IHK-Satzung) der 14 Geschäftsführer und anderen 180 Kammer-Diener, überhaupt einen Dienstvertrag gehabt habe.
Das sei Prozeßbetrug, meinte Hörnig und überzog Dietz mit einer Strafanzeige wegen Urkundenunterdrückung, Urkundenfälschung und Untreue. Deshalb freute sich der Präsident, als sein Ex-Geschäftsführer 1971 vor einem Zivilsenat des Bundesgerichtshofes dann aber in einen Vergleich einwilligte.
Fritz Dietz spendierte aus der Schatulle der IHK »zum Ausgleich aller Ansprüche« bare 40 000 Mark. Den Vergleichs-Lohn indes erhielt Hörnig erst, nachdem er die Strafanzeige zurückgezogen hatte. Doch Delikte, wie Hörnig sie Dietz anlastete, müssen von Amts wegen verfolgt werden. Auch schweben Verfahren wegen Falschaussagen vor Gericht und Betruges gegen mehrere IHK -Vizepräsidenten.
Als Dr. Kurt Hörnig, damals seit zehn Jahren Bonner Direktor von Klöckner-Humboldt-Deutz, 1964 der Frankfurter Industrie- und Handelskammer sein Ja-Wort gab, war Fritz Dietz »begeistert« (IHK-Protokoll). Zuvor nämlich hatte der Lebensmittelgroßhändler, gerade erst frisch zum IHK-Präsidenten gekürt, bereits 30 Bewerber als untauglich verworfen: Das diplomatische Talent, das Bonner Freunde dem KHD-Manager nachsagen und dessen Dietz just dringend bedurfte, fand sich unter ihnen nicht. »Mit Sorge« nämlich hatten die Präsidenten der anderen elf hessischen Kammern, im Gemeinschaftsausschuß der gewerblichen Wirtschaft seit Jahren mit dem Zuckerhändler zerstritten, die Wahl von Dietz zum IHK-Präsidenten kommentiert. Unter seinem Vorsitz ("Nicht mehr zumutbar") mochten sie nicht tagen, die Arbeitsgemeinschaft der Hessenkammern platzte -- schmerzlich für den Kaufmann Dietz, denn damit blockierten die Kammerherren seinen Einzug in den Vorstand des Deutschen Industrie- und Handelstages.
Hörnig besänftigte die Kombattanten, aber bald machte der Präsident auch ihm Ärger. Denn Dietz fühlte sich berufen, ständig »öffentlich zu äußern, was ich für falsch oder richtig halte«. Beispiel eines Dietz-Vermerks an Hörfig: »Ich las heute früh in der »FAZ« die unmögliche Oberschrift: »Der Opernball fällt aus'.« Dietz-Anweisung: »Sorgen Sie wenigstens für eine einwandfreie Überschrift.«
Es müsse »mehr gehandelt und weniger geredet« werden, erkannte Dietz. Damit beantwortete er sich die selbstgestellte »Frage, ob die Politiker durch physische und geistige Überbeanspruchung ihrer verantwortlichen Arbeit überhaupt noch sachgerecht nachgehen können
Eben darum wünscht der Präsident auch für sich, von dem »privaten Rachefeldzug« des Dr. Kurt Hörnig und der Verfolgung durch Staatsanwalt Schomberg unbehelligt zu bleiben. »In unerträglicher Weise diskriminiert« fabulierte Fritz Dietz in einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Staatsanwalt, es müßten seine »schweren dienstlichen Verfehlungen entsprechend geahndet werden«.
Der Frankfurter Strafverfolger fand indes, dies setze die im Januar versuchte Nötigung -- in einem Dienstvermerk festgehalten -- konsequent fort und konterte mit Strafanzeige. Damit war zwar Schomberg das Ermittlungsverfahren. zugleich aber der Frankfurter IHK-Präsident auch den Staatsanwalt Schomberg los. Dies, so Schomberg, gehöre zum Berufsrisiko.