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Food Saver: Ran an die Tonne

Foto: Pia Kraftfutter

Lebensmittelrettung auf Instagram Die Sinnfluencer

Bis zu 18 Millionen Tonnen Lebensmittel wandern in Deutschland jährlich in den Müll. Immer mehr Instagrammer setzen sich gegen die Essensverschwendung ein - mit unterschiedlichen Strategien.

Dutzende Becher Joghurt, eine große Tüte mit Brot und Unmengen an Obst - die Kosten: null Euro. Magda hat die Lebensmittel gerettet, sie ist ein sogenannter Food Saver - und damit Teil eines Trends in dem sozialen Netzwerk Instagram. Denn eigentlich wären die abgelaufenen Lebensmittel im Müll gelandet. Gegen die Verschwendung kämpfen immer mehr, oft junge Menschen an.

Im Schnitt werden nach Schätzungen der Deutschen Umwelthilfe in Deutschland jedes Jahr 18 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Das Bundeszentrum für Ernährung rechnet mit elf Millionen Tonnen. Ihr Wert wird auf mehr als 20 Milliarden Euro geschätzt. Dabei entfällt mehr als die Hälfte der Lebensmittel auf Privathaushalte. Pro Jahr und Kopf sind es laut Agrarministerium 55 Kilogramm weggeworfenes Essen. Die Hälfte wäre offenbar vermeidbar.

Ziel des Bundeslandwirtschaftsministeriums ist es, die Lebensmittelabfälle hierzulande bis 2030 zu halbieren - auch für den Klimaschutz. Denn für die Lebensmittelherstellung werden wertvolle Ressourcen benötigt: Etwa 15.420 Liter Wasser sind nach Angaben des Ministeriums für ein Kilogramm Rindfleisch nötig, es entstehen 13,3 Kilogramm CO2. Selbst bei einem Kilogramm Apfel sind es noch 820 Liter Wasser und 550 Gramm CO2.

In den vergangenen Jahren gab es deswegen Initiativen wie "Zu gut für die Tonne". Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) plant außerdem, intelligente Verpackungen mit mehreren Millionen Euro zu fördern. An einem Farbverlauf der Verpackung soll sichtbar sein, wie lange Lebensmittel noch genießbar sind.

Ein Vorbild dafür ist Dänemark . In keinem europäischen Land gibt es so viele Initiativen gegen Lebensmittelverschwendung. In den vergangenen Jahren haben es die Dänen geschafft, ihre Essensabfälle um 25 Prozent zu reduzieren . Das liegt vor allem an Selina Juul. Die in Russland geborene Dänin hat die Bewegung "Spot Spild Af Mad", "Stoppt die Essensverschwendung", initiiert. Mittlerweile arbeitet die Bewegung auch mit EU- und Uno-Initiativen zusammen. Juul wurde 2014 zur "Dänin des Jahres" gewählt und hat zahlreiche Preise für ihr Engagement erhalten. Sie ist nicht die Einzige, die sich öffentlich gegen die Essensverschwendung einsetzt.

Auch immer mehr Instagrammer nutzen ihre Reichweite, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Allein unter den Hashtags #foodsaver und #stopfoodwaste finden sich jeweils mehr als 20.000 Posts. Ein Überblick über einige der Aktivsten.

Madeleine Alizadeh (@dariadaria ) folgen auf Instagram rund 200.000 Menschen. Mit ihrem Nachhaltigkeitsblog "dariadaria"  wurde sie auch über die Grenzen Österreichs bekannt: Sie sprach im Europaparlament über Müllvermeidung sowie Umweltverschmutzung. Auf Instagram positioniert sie sich klar gegen Lebensmittelverschwendung. "Es geht darum, für das Thema zu sensibilisieren und zu mobilisieren. Ich informiere über die Tatsache, dass zirka die Hälfte vom Obst und Gemüse erst gar nicht in den Laden kommt, weil es nicht die richtige Farbe oder Form hat", erklärt sie ihren Standpunkt. Außerdem versuche sie, ihren Followern Anreize zu schaffen, weniger Essen zu Hause wegzuwerfen - wie "meal prepping", also Mahlzeiten zu planen.

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Food Saver: Ran an die Tonne

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Laura Mitulla (@lauramitulla ) ist die Gründerin des nachhaltigen Blogazines "The OGNC" . Für sie ist Instagram "momentan der 'place to be', was das Thema Nachhaltigkeit angeht". Auf der Plattform könne sie ihren mehr als 20.000 Followern "kurze, knackige Infos" liefern - die auch geteilt werden können.

Über die Webseite foodsharing.de  holt die 25-Jährige Essen von Supermärkten ab, das für die Tonne bestimmt ist. Auf Instagram teilt sie Bilder von ihrer Ausbeute, "um zu zeigen, wie gut diese Lebensmittel eigentlich noch sind". Es sei erschreckend, wie viel weggeworfen werde. "Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft", sagt die Bloggerin. Auch andere Initiativen wie Etepetete oder Rübenretter hat sie schon getestet. Am wichtigsten sei es aber, zu Hause anzufangen: "Denn dort entsteht prozentual die größte Verschwendung." Sie selbst würde sich wünschen, dass Lebensmittel wieder mehr wertgeschätzt würden.

Magda P. (@klopsmohn ) ist über Instagram erst auf Foodsharing aufmerksam geworden. Inzwischen ist die 39-Jährige selbst Food Saver: Von Supermärkten, Restaurants und Kiosks bekommt sie nicht verkauftes Essen. Über die Website foodsharing.de oder sogenannte Fair-Teiler (öffentliche Kühlschränke und Regale) bietet sie die geretteten Lebensmittel, die sie selbst nicht aufbrauchen kann, anderen an.

Instagram helfe ihr dabei zu zeigen, was eigentlich noch genießbar wäre. Und die Leute dazu zu bringen, "ihr Konsumverhalten kritisch zu hinterfragen". Sie erhalte viel positives Feedback zu ihren Essensposts oder werde zu Foodsharing gefragt.

"Bevor ich Essen gerettet habe, hatte ich auch keine Ahnung davon, was alles in der Tonne landet. Bilder machen das Ganze greifbarer", sagt sie.

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Das zeigen auch die Posts von Pia Schulze (@piakraftfutter ) und ihrem Bruder Jochen (@jochenkannkochen ). Seit drei Jahren durchstöbern die Geschwister die Abfälle von Supermärkten in Münster und nehmen das, was noch genießbar ist, mit nach Hause. In Deutschland ist der Müll Eigentum des Supermarkts und das sogenannte Containern illegal. Erst im Januar wurden zwei Studentinnen aus Bayern wegen Diebstahls dafür verurteilt.

Pia und Jochen schreckt das nicht ab. Regelmäßig posten sie Bilder von ihrer Ausbeute unter den Hashtags #tonnentauchen oder #dumpsterdiving. Aus den Bergen an Obst und Gemüse kochen sie vegane Gerichte oder machen Smoothies. Das Containern sei immer "mit ein bisschen Adrenalin verbunden", sagt Pia. Für sie sei es aber "keine große Herausforderung". Denn sie empfinde es als sehr wichtig, "sinnlose Gesetze zu brechen und damit auf bestimmte Zustände aufmerksam zu machen". Ihr Bruder Jochen schreibt unter einem seiner Posts: "Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Mitarbeiterinnen es selber scheiße finden, wie viel sie wegschmeißen müssen."

Im Video: Frisch aus der Tonne - Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung

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Instagram spielt auch für Pia eine große Rolle. Damit könne sie Tausenden Menschen zeigen, "wie viel Essen im Müll landet". Freunde von ihr seien bereits erwischt, aber nicht angezeigt worden. Pia sagt dazu: "Selbst, wenn ich deswegen zu einer Geldstrafe verurteilt werden würde, wäre es mir das wert."

Die angeklagten Studentinnen haben inzwischen eine Petition aufgesetzt, mit der das Verbot gekippt werden soll: "Containern ist kein Verbrechen"  - mehr als 100.000 Unterstützer haben sie bereits.

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