Lehman-Panne KfW droht eine halbe Milliarde Euro Schaden

Eigentlich hätte allein der Verkauf der IKB abgesegnet werden sollen. Doch jetzt wird die Sitzung des KfW-Verwaltungsrats von einem aktuellen Ereignis dominiert: der Millionen-Überweisung an Lehman Brothers. Den möglichen Schaden beziffert die Bank nun mit 536 Millionen Euro.

Berlin - Die Tagesordnung des Verwaltungsrats der KfW ist übersichtlich. Billigung des IKB-Verkaufs steht an Punkt eins. Leicht abzuhaken, denn ein Votum mit großer Mehrheit gilt eingeweihten Kreisen zufolge als sicher.

Der zweite Punkt wurde dagegen erst nachträglich ins Programm aufgenommen, und er dürfte für Ulrich Schröder deutlich unangenehmer werden: Der neue KfW-Chef muss den 36 Kontrolleuren erklären, wie es Anfang der Woche zu dem peinlichen Fauxpas kommen konnte, der seitdem die Schlagzeilen dominiert. Zunächst hieß es, die Zahlstelle der staatlichen Bank hatte mal eben 300 Millionen Euro an Lehman Brothers überwiesen, obwohl die Nachricht von dem bevorstehenden Zusammenbruch der US-Bank schon längst die Runde gemacht hatte.

Bankgebäude der KfW: "Da hat das Management der Bank versagt"

Bankgebäude der KfW: "Da hat das Management der Bank versagt"

Foto: DPA

Später korrigierte die Bank die Zahl nach oben und bestätigte damit einen Bericht der "FAZ". Tatsächlich belaufen sich die Forderungen insgesamt auf genau 536 Millionen Euro. Demnach wurden bei der Transaktion tatsächlich Dollar im Gegenwert von 350 Millionen Euro verrechnet. Hinzu kämen Forderungen aus anderen Verträgen in Höhe von umgerechnet 186 Millionen Euro. Wie viel Geld die KfW vielleicht zurückerhält, ist allerdings offen. Sie hofft auf mindestens 50 Prozent aus der Vermögensmasse von Lehman. So hoch könnte die Konkursquote sein.

Überschriften wie "Millionen-Panne bei der KfW" zählten am Donnerstag noch zu den milderen Umschreibungen der Überweisungs-Panne. Die Mehrzahl der Kommentatoren hatte jedoch nur Hohn und Spott übrig. "Die Trottel von der KfW", lästerte die "taz". "Deutschlands dümmste Bank", titelte die "Bild"-Zeitung - auf Seite eins und von weitem zu lesen.

Auch die Verwaltungsräte sparten im Vorfeld der Sitzung nicht mit öffentlicher Kritik. Die Zahlung der KfW an Lehman Brothers einen Tag nach der Pleite sei nicht einfach als technischer Fehler zu beurteilen, sagte die Grünen-Politikerin Christine Scheel zu SPIEGEL ONLINE. "Die Geschäftspartner müssen kontinuierlich beobachtet werden. Da hat das Krisenmanagement der Bank versagt." Personelle Konsequenzen seien nun unumgänglich.

Noch gibt sich die KfW zugeknöpft, wie es zu dem GAU kommen konnte. Der Vorgang müsse zunächst im Einzelnen geklärt werden, sagte KfW-Sprecher Wolfram Schweickhardt. Was allerdings bislang bekannt wurde, lässt darauf schließen, dass es schwerfallen wird, die Überweisung als entschuldbare Panne abzutun: Die Zahlung steht im Zusammenhang mit einem sogenannten Swap-Geschäft zur Absicherung von Währungsrisiken. Solche Geschäfte gehören auch bei der KfW zur Routine. Insgesamt beträgt das Volumen der Refinanzierungsgeschäfte der Bank allein 2008 rund 75 Milliarden Euro. Der Millionen-Deal mit Lehman fiel deshalb nicht aus dem Rahmen, auch der Höhe nach nicht. "Das Geschäft hatte eine mittlere Größenordnung", bestätigt Schweickhardt. Grauer Bankenalltag eben.

Dessen ungeachtet würden solche Transaktionen mit großer Sorgfalt bearbeitet, betont der KfW-Sprecher. Bei Größenordnungen im dreistelligen Millionenbereich sei in jedem Fall ein Mitarbeiter mindestens vom Rang eines stellvertretenden Abteilungsleiters involviert. Ob das auch für die Freigabe der Lehman-Überweisung galt oder sie automatisch per Computer erfolgte, darüber konnte Schweickhardt keine Auskunft geben. "Aber ein Stopp des Vorgangs wäre technisch möglich gewesen", räumt er ein. Genau dieser Punkt zähle aber zu den Dingen, die noch geklärt werden müssten.

Konkrete Entscheidungen waren in der Verwaltungsratsitzung zu dem Fall denn auch nicht unbedingt zu erwarten. Personelle Konsequenzen, wie sie Bundesfinanzminister Peer Steinbrück gefordert hatte, dürften aber absehbar sein. Der FDP-Politiker Jürgen Koppelin hatte sogar den Rücktritt des zuständigen Vorstands verlangt: "Wer sich hinstellt und sagt, aufgrund eines technischen Fehlers sind mal eben 300 Millionen Vermögen, die dem deutschen Steuerzahler gehören, von der KfW überwiesen worden, der gehört sofort an die Luft gesetzt."

Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, forderte indirekt den Abgang von KfW-Chef Schröder. Gegenüber SPIEGEL ONLINE sagte er: "Es darf keine Bauernopfer geben." Schneiders Vorwurf an KfW-Chef Schröder: "Mit einem Profi an der Spitze darf ein Krisenmanagment nicht eine Woche lang versagen."

Dass die Geduld der Verwaltungsräte am Ende ist, kommt nicht von ungefähr. Denn es ist nicht das erste Mal, dass die KfW in der Mitte 2007 ausgebrochenen globalen Finanzmarktkrise eine schlechte Figur macht. Im Sommer vergangenen Jahres stellte sich heraus, dass die Mittelstandbank IKB sich in einem Maße auf die Spekulation mit minderwertigen Hypothekenpapieren aus den USA eingelassen hatte, dass sie nur durch eine milliardenschwere Stützungsaktion vor dem Untergang bewahrt werden konnte. Hauptgeldgeber als größter Aktionär mit damals 38 Prozent: die KfW.

2002 hatte die IKB den ersten Fond für angeblich höchst gewinnträchtige Anlagen in US-Hypothekenpapiere eingerichtet, mit dem heimeligen Namen "Rhineland Funding", steuersparend in Jersey angesiedelt. Anfang 2007 kam auch noch "Rhinebridge" in Dublin dazu. Beide Konstruktionen brachen jedoch fast zeitgleich Mitte 2007 in sich zusammen, wie aus dem nachträglich geänderten IKB-Geschäftsbericht für 2006/2007 hervorgeht.

Die Verluste erwiesen sich als so groß, dass schließlich KfW und der Bund zusammen etwa 8,5 Milliarden Euro in das marode Unternehmen pumpten, andere Banken noch einmal etwa 1,5 Milliarden Euro - und die IKB doch nicht retten konnten. Nun soll sie nach der Zustimmung des Verwaltungsrats an den Finanzinvestor Lone Star verkauft werden, für einen nicht offiziell bestätigten Betrag von etwas über 100 Millionen Euro.

Die Schuld für das Desaster allein der KfW anzulasten, geht allerdings zu weit. Denn deren Verantwortliche waren nicht die einzigen, die die Risiken übersehen hatten. Auch Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfer von KPMG sowie die Aufsichtsratsmitglieder aus dem Bundesfinanzministerium und der privaten Wirtschaft hatten die Strategie der Mittelstandsbank abgenickt.

Mitarbeit: Florian Gathmann

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