Leitwährung China leidet unter Dollar-Dilemma

Chinas Zentralbanker stecken in der Zwickmühle: Händeringend suchen sie nach Investitionsmöglichkeiten. Als Ausweg bleibt nur der Kauf von US-Staatsanleihen - dabei wollte sich die Volksrepublik eigentlich vom Dollar abkoppeln.

Hamburg - China setzt weiter im großen Stil auf den Greenback. Allerdings nicht ganz freiwillig, Regierungskreise in Peking sprechen bereits von der "Dollar-Falle": Den Währungshütern bleibe kaum eine Wahl als den größten Teil der anschwellenden Devisenreserven in US-Staatstitel zu investieren, berichtet die "Financial Times" ("FT"). Denn nur auf diesem Markt sei das Angebot groß genug, um die hohen Summen aus China ohne Verwerfungen zu verkraften.

Dollar-Reserven in Fernost: China stockt auf

Dollar-Reserven in Fernost: China stockt auf

Foto: AFP

Auf der anderen Seite reduziere China nach Angaben von Regierungsvertretern und eines westlichen Beraters der chinesischen Devisenverwaltung (Safe) seine Bestände an britischen Pfund. Offenbar rechne die Devisenverwaltung mit einer erneuten Schwäche der Währung. Anlagen in Euro sehe sie dem Berater zufolge als neutral an. Beim australischen Dollar erwarte man dagegen Kursgewinne.

Die Strategie der Safe, in großem Stil US-Staatsanleihen zu kaufen, hilft der Regierung der Vereinigten Staaten, ihr Haushaltsdefizit zu finanzieren. Dieses schwillt aufgrund immer neuer Rettungspläne für die angeschlagene Finanzbranche und schwächelnde Konjunktur immer stärker an.

Kritik am Dollar als Leitwährung

In den vergangenen Monaten hatten sich chinesische Regierungsvertreter, darunter Ministerpräsident Wen Jiabao, deswegen immer wieder besorgt gezeigt, dass die aktuelle Politik der US-Regierung zu einem Zusammenbruch des Dollar und einer weltweiten Inflation führen könnte. Dies war als Kritik an der Rolle des Dollar als Welt-Leitwährung verstanden worden. Genau diese aber stützten die Chinesen nun, indem sie Dollar-Wertpapiere nachfragten, schreibt die Zeitung.

"Wenn die Devisenverwaltung in großem Stil Mittel in andere Anlagen umschichtet, dürfte das diese Märkte sofort in Turbulenzen stürzen - allein wegen der riesigen Summen, die dann bewegt würden", sagte ein westlicher Regierungsvertreter, der nicht genannt werden wollte.

China verfügt mit knapp 2000 Milliarden Dollar über die größten Devisenreserven der Welt. Schätzungen zufolge seien bis zu 70 Prozent dieser Summe in auf Dollar lautenden Vermögenswerten angelegt, berichtet die "FT" weiter. Nach Daten des US-Finanzministeriums hält China demnach etwa ein Viertel der gesamten in ausländischer Hand befindlichen US-Schulden. Damit ist das Land größter Gläubiger der USA. Allein im März 2009 sei das von China direkt gehaltene Volumen amerikanischer Staatsanleihen um 23,7 Milliarden Dollar auf den Rekordstand von 768 Milliarden Dollar gestiegen.

China und die anderen großen Wirtschaftsmächte Asiens - Hongkong, Südkorea und Singapur - absorbieren damit inzwischen mehr als die Hälfte der US-Auslandsverschuldung. Weitere Großabnehmer der US-Schatzbriefe sind nahöstliche Ölstaaten und Schwellenländer wie Mexiko und Brasilien. Auch Russland zählt zu den 20 größten Gläubigerländern der USA.

Fragiles Finanzsystem

Die Möglichkeiten für einen raschen Ausstieg sind begrenzt: "Wenn im US-amerikanischen Finanzsektor etwas schiefgeht", erklärte Chinas Premier Wen Jiabao vor einigen Monaten dem US-Magazin "Newsweek" in einem Interview, "würden wir uns auch um die Sicherheit von chinesischen Kapitalanlagen Sorgen machen."

Denn ein umfangreicher Verkauf von US-Staatsanleihen oder die Konzentration der Neuinvestitionen auf andere Währungen würde sich direkt auf den Wert des Dollar auswirken. Würde es gar zu einem Zusammenbruch des US-Finanzsystems kommen, geriete auch das chinesische Wirtschaftswunder in ernste Gefahr. Aus diesem Grund hat Peking bislang nur vorsichtige Versuche unternommen, seine Reserven stärker zu diversifizieren. Unter anderem stockte das Land seine Goldbestände auf.

Genau dieser Zusammenhang hält China auch davon ab, die eingespielte Finanzmechanik stillzulegen und künftig etwa US-amerikanische Schatzbriefe zu verschmähen oder die in Dollar gehaltenen Währungsreserven drastisch zu verringern. Der Effekt wäre dann so, als wäre China in den vergangenen Jahrzehnten für seine Waren mit Spielgeld bezahlt worden, kommentierte die französische Zeitung "Le Monde".

mik

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