Geldpolitik EZB beschließt weitere deutliche Zinserhöhung – auf zwei Prozent

Im Kampf gegen die Inflation erhöht die Europäische Zentralbank die Zinsen kräftig: Der Leitzins im Euroraum steigt um 0,75 Prozentpunkte auf zwei Prozent.
EZB-Zentrale in Frankfurt am Main

EZB-Zentrale in Frankfurt am Main

Foto: Dirk Sattler / IMAGO

Die EZB geht mit einem weiteren Jumbo-Zinsschritt gegen die Rekordinflation im Euroraum vor. Die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag, den sogenannten Hauptrefinanzierungssatz wie bereits im September um einen Dreiviertelprozentpunkt zu erhöhen – auf nunmehr 2,0 Prozent. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz wurde im selben Umfang auf 1,50 Prozent erhöht.

Dies ist nach September die zweite XXL-Zinserhöhung in Folge und insgesamt bereits der dritte Straffungsschritt. Die Währungshüter signalisierten zugleich ihre Bereitschaft zu weiteren Zinserhöhungen: Der EZB-Rat »geht davon aus, dass er die Zinsen weiter anheben wird«, hieß es. Die Entscheidung falle von »Sitzung zu Sitzung«.

Zudem ändert die Bank die Bedingungen für das Kreditprogramm TLTRO, das in der Coronakrise aufgelegt wurde und Banken durch günstige Finanzierungsbedingungen Gewinne in Milliardenhöhe beschert hat. Es müsse »rekalibriert werden, um sicherzustellen, dass es mit dem breiteren Normalisierungsprozess der Geldpolitik konsistent bleibt«, teilten die Notenbanker mit.

Mit ihrem abermaligen großen Zinsschritt reagieren die Währungshüter auf den anhaltenden Preisschub im Euroraum. Angetrieben von den steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen infolge des Ukrainekriegs ist die Inflationsrate im September auf 9,9 Prozent geklettert – das höchste Niveau seit Gründung der Währungsunion. Die Teuerung hat dabei immer weitere Bereiche der Wirtschaft erfasst. Auch ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Lebensmittel zog die Teuerungsrate zuletzt kräftig an. Die Inflation liegt inzwischen fast fünfmal so hoch wie das Inflationsziel der Notenbank von zwei Prozent, das sie als ideal für die Wirtschaft erachtet.

Lagarde warnte, das Wirtschaftswachstum in der Eurozone könne sich in den kommenden Monaten abschwächen. Ein lange andauernder Ukrainekrieg bleibe ein »großes Risiko«. Die Inflation – derzeit mit 9,9 Prozent in der Eurozone auf Rekordniveau – werde wegen der hohen Energie- und Rohstoffpreise wohl weiter steigen.

Die Arbeit sei noch nicht erledigt und es gelte, eine weitere Wegstrecke zurückzulegen, sagte die EZB-Chefin. Sie betonte, der EZB-Rat werde den künftigen Leitzinspfad an der Entwicklung der Inflations- und Wirtschaftsaussichten ausrichten. Es sei mehr »in der Pipeline«. Womöglich müsse man auf mehreren Sitzungen an der Zinsschraube drehen. Doch in welchem Tempo diese weitere Straffung vollzogen werde, sei noch offen. Dabei werde sich die EZB am Inflationsausblick ausrichten, aber auch an den Konjunkturaussichten, die von einer »höheren Wahrscheinlichkeit einer Rezession« getrübt seien.

Lob von Ökonomen

Ökonomen begrüßten die jüngste Zinserhöhung: »Dieser zweite große Zinsschritt in Folge war zwangsläufig«, sagt etwa Friedrich Heinemann vom Forschungsinstitut ZEW. Die EZB habe im Vergleich zur US-Notenbank Fed den rechtzeitigen Start bei der Zinswende verpasst. »Daher muss sie angesichts der Rekordinflation jetzt besonders schnell aus dem Terrain unangemessen niedriger Leitzinsen heraus.«

»Die EZB rammt heute einen weiteren Pfeiler ein«, sagt auch Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. »Von entscheidender Bedeutung ist nun allerdings, wie es im kommenden Jahr nach der Zinsanhebung im Dezember weitergeht.«

Die Notenbanker wollen unbedingt vermeiden, dass sich die hohe Inflation in den Köpfen der Menschen festsetzt. Das Kalkül: Wenn die Inflationserwartungen aus dem Ruder laufen, wird es für die EZB noch schwieriger, die Teuerung wieder einzudämmen und in Richtung ihrer Zielmarke zu bewegen. Im Vorfeld der Zinssitzung hatten sich bereits viele Währungshüter dafür ausgesprochen, erneut eine ungewöhnlich starke Zinserhöhung von 0,75 Prozentpunkten zu beschließen. Auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel hatte einen robusten Zinsschritt gefordert.

mic/ani/Reuters
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