Lidl-Überwachung Verbraucherschutz warnt vor EC-Karten-Gebrauch - Experten geben Entwarnung

Neue Aufregung im Lidl-Skandal: Nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Kunden könnten Opfer der Bespitzelung sein, fürchten Verbraucherschützer. Schließlich werden auch sie an der Kasse gefilmt - und damit auch bei der Pin-Eingabe für die EC-Karte. Doch Experten geben Entwarnung.

München - Die Kameras hängen direkt über der Kasse, filmen Kunde und Kassierer. Jetzt schlagen Daten- und Verbraucherschützer Alarm: Sie befürchten, dass bei den Videoaufnahmen durch externe Detektive in Lidl-Filialen Kunden bei der Eingabe ihrer Pin-Nummer gefilmt wurden. Diese sensiblen Daten könnten in falsche Hände geraten.

"Wir raten den Kunden dringend ab, bei Lidl mit EC-Karte und Pin-Geheimnummer zu zahlen", sagte Hartmut Strube, Jurist bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, der "Süddeutschen Zeitung". Denn durch externe Überwachungsfirmen "steigt die Ausspähwahrscheinlichkeit enorm".

Lidl zufolge werden die Videobänder täglich gelöscht. Ein Missbrauch der Daten sei daher unwahrscheinlich. Dennoch zieht der Einzelhändler Konsequenzen aus den Spekulationen - und montiert die Kameras vorerst ab.

Wie die "SZ" berichtet, räumte Lidl in einem Schreiben an seine Kunden zuvor ein, dass eine Aufzeichnung der Pin-Eingabe nicht vollständig ausgeschlossen werden könne. Dies sei "ein Eingeständnis dafür, dass die Kameras offensichtlich über genügend Auflösung verfügen, um den Pin-Code zu erkennen", sagte Markus Saller, Justiziar der Verbraucherzentrale Bayern, der "SZ".

Technik-Experten bezweifeln das jedoch: "Mit 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit ist die Pin-Nummer nicht zu erkennen", sagt Walter C. Dieterich, Inhaber von VC Video SPIEGEL ONLINE. Seine Firma vertreibt seit 1982 Kameras zur Ladenüberwachung. "Die Geräte, die in der Regel eingesetzt werden, sind sehr weitwinkling - man erkennt nicht einmal genau den Geldschein, mit dem der Kunde bezahlt." Und selbst wenn man das Bild zoomen würde, wäre es wohl zu grobpixelig für eine genau Aufnahme der Geheimzahl.

Auch andere Experten warnen vor überstürzter Panikmache: Man könne zwar nicht ausschließen, dass Kunden bei der Pin-Eingabe gefilmt wurden - es sei jedoch zu bezweifeln, dass die Qualität der Aufnahmen Details erkennen ließen, hieß es von Seiten des Bundesbeauftragten für Datenschutz.

Wer ganz sicher gehen wolle, müsse den Eingabevorgang wohl mit der Hand abdecken, empfiehlt das Unabhängige Zentrum für Datenschutz aus Schleswig-Holstein trotzdem. Es rät jedoch nicht davon ab, bei Lidl mit der EC-Karte zu zahlen. Zunächst müsse geklärt werden, ob die Pin-Nummer tatsächlich auf den Aufnahmen zu sehen sei.

Ende März hatte das Magazin "Stern" enthüllt, das Lidl-Mitarbeiter wohl systematisch überwacht wurden. Datenschützer prüfen die Vorgänge. Ver.di plane eventuell eine Musterklage gegen den Lebensmitteldiscounter, berichtet die "SZ". Die Gewerkschaft hatte betroffene Mitarbeiter aufgefordert zu klagen und Unterstützung zugesichert.

sil/AFP/ddp/dpa

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