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LUFTFAHRT Liebe entdeckt

Die Lufthansa-Tochter Travelair in Bremen vollzog eine Millionenpleite. Die Lufthansa hatte das Unternehmen 1968 mit Empfehlung des damaligen Finanzministers Franz Josef Strauß erworben.
aus DER SPIEGEL 21/1971

Lufthansa-Sprecher Carl Wingenroth verweigerte die Auskunft und sprach von »bestimmten Wünschen, die an uns herangetragen wurden«. Lufthansa-Aufsichtsrat Wolfgang Schmidt, SPD-MdB, nannte den Träger solcher Wünsche: »Da hat sich der Strauß mit Verve hereingehängt.«

Kraft Amtes hatte sich der CSU-Boß, als er noch Bundesfinanzminister war, in die Geschäfte der Deutschen Lufthansa eingemischt. Das ihm von SPD-Schmidt bescheinigte Engagement geriet zu einer Millionen-Pleite. Am Freitag vorvergangener Woche wurde dem Konkursantrag der Lufthansa-Tochter Travelair GmbH u. Co. KG, Bremen, entsprochen.

MdB-Schmidt, als Lufthansa-Aufsichtsrat mit den Geschäftsbüchern vertraut, schätzt die Schulden des mit Handel und Vercharterung kleinerer Geschäftsflugzeuge befaßten Unternehmens auf 20 Millionen Mark.

Die Lufthansa hatte die jetzt notleidend gewordene Tochter Travelair erst nach langem Zögern im Jahre 1968 adoptiert. Vergeblich hatte sich bis dahin das im Jahre 1958 von den Bremer Kaufleuten Alfred Ostermann und Walter Zimmermann gegründete Unternehmen bemüht, unter dem Schutz-

* Typ »Beechcraft A 24 R Musketeer«.

mantel der mächtigen Lufthansa seine Geschäfte mit neuen und alten Flugzeugen -- vorwiegend französischer und amerikanischer Baumuster -- abwickeln zu können.

Selbst als im Januar 1967 der ehemalige nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister und in Privatgeschäften erfolgreiche Unternehmensberater Gerhard Kienbaum (FDP-MdB) zusammen mit dem Kanzler-Sohn und Kölner Oberstadtdirektor a. D. Max Adenauer die Kollegen im Lufthansa-Aufsichtsrat für eine Fünf-Millionen-Beteiligung an der Travelair gewonnen hatte, kam das Geschäft nicht zustande: Das Finanzministerium des Franz Josef Strauß versagte die nach der Haushaltsordnung notwendige Zustimmung.

Es sei, monierte damals der Bonner Haushaltsdirektor Hans Clausen Korff. nicht Aufgabe des Bundes, sich direkt oder indirekt über eine andere Gesellschaft an Handelsunternehmen zu beteiligen. Zudem habe der Bund kein Interesse am Handel mit Kleinflugzeugen. Überdies stehe eine Lufthansa-Beteiligung an der Travelair auch im Widerspruch zu den Bemühungen des Bundes, die private Luftfahrtindustrie mit öffentlichen Mitteln zu fördern.

Die Kölner Lufthanseaten fügten sich der Bonner Weisung und beschlossen -- so das Lufthansa-Aufsichtsratsprotokoll vom 13. Oktober 1967 -, »eine Beteiligung ... nicht weiter zu verfolgen«.

Der Beschluß galt nicht lange. Nach wiederholten Visiten der enttäuschten Travelair-Geschäftsführung im Bonner Finanzministerium fand Hausherr Strauß unversehens Gefallen an der Sache. Er befahl seinem Korff« die Angelegenheit noch einmal zu überprüfen. Strauß: »Ihre Gründe sind Unsinn. Stellen Sie den Status quo ante wieder her.« Ende November 1967 verkündete Haushaltsdirektor Korff sodann, der Bund stimme der Beteiligung zu, wenn anstelle der Lufthansa deren Tochter Condor Flugdienst sich bei der Travelair engagiere. Dabei wäre, so Korffs Begehr, »von besonderer Bedeutung, wenn eine solche Beteiligung auch der Förderung der deutschen Flugzeugindustrie dienen würde«.

Einige Monate später entschied sich Bonn für eine Direktbeteiligung der Lufthansa an der Travelair in Höhe von 40 Prozent. Die Lufthansa zahlte drei Millionen Mark. 54 Prozent der Travelair-Anteile behielt Ostermann, sechs Prozent sein Kompagnon Walter Zimmermann.

Am 13. Dezember 1968 begründete Lufthansa-Aufsichtsratschef Hermann Josef Abs vor seinen Kollegen den neuen Sinneswandel des Josef Strauß. Abs laut Aufsichtsrats-Protokoll: Der Bundesfinanzminister habe die Gründe für die Ablehnung noch einmal prüfen lassen, sie für nicht stichhaltig gehalten und um eine Überprüfung der Sache gebeten«. Und Ministerialdirektor Korff, ebenfalls Lufthansa-Aufsichtsrat, ergänzte: »Der Bundesfinanzminister glaubt an die Zukunft des Luftverkehrs mit Kleinflugzeugen.«

Derweil hatte Franz Josef Strauß auch eine private Liebe zu Kleinflugzeugen entdeckt. Am Steuerknüppel von Münchner Travelair-Maschinen lernte der Bayer fliegen und erwarb am 17. September 1968 die »private Pilote Licence Nr. Byob 2«. Strauß über seine Ausbilder von der Travelair: »Mit denen habe ich nie ein Verhältnis gehabt. Für meine Flugausbildung habe ich je nach Maschine zwischen 70 und 250 Mark pro Stunde bezahlt«

Für die Lufthansa zahlte sich das Travelair-Geschäft nicht aus. Im September 1969 zog der Travelair-Aufsichtsrat erstmals Bilanz: Eigenmittel in Höhe von 5,1 Millionen Mark standen Fremdmitteln von fast 35,7 Millionen gegenüber, die Zinslast für 1969 betrug mehr als zwei Millionen Mark. Die Lufthansa half ihrer Tochter mit einer Finanzspritze von acht Millionen Mark aus der Klemme.

Schon im Herbst vergangenen Jahres diagnostizierte Lufthansa-Chef Herbert Culmann eine »ernste Liquiditätskrise« der Travelair. Die Experten der bundeseigenen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft »Treuarbeit« monierten, die Travelair habe zuviel alte Flugzeuge in Zahlung genommen und die gebrauchten Maschinen überdies zu lange -- in der Hoffnung auf höhere Erlöse -- im Bestand gehalten, Lufthansa-Culmann meinte, die Beteiligung sei wohl als verloren zu betrachten.

Bis zum Juni soll nun ein Untersuchungsausschuß mit den Lufthansa-Aufsichtsräten Herbert Martini (Kreditanstalt für Wiederaufbau), Fritz Kassmann (nordrhein-westfälischer Wirtschaftsminister) und Wolfgang Schmidt klären, wie es zu dem unglücklichen Engagement der Lufthansa kam.

Franz Josef Strauß kann den Recherchen ruhig entgegensehen. Lufthansa-Aufsichtsrat und Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Karl Wittrock: »Es gibt nichts an schriftlichen Festlegungen, was auf eine sachfremde Einflußnahme von Strauß hindeutet.«

Auf ein Dokument mit der Unterschrift des bayrischen Privatpiloten allerdings wird die Untersuchungskommission bei ihren Recherchen doch noch stoßen: auf einen Kaufvertrag vom August 1970.

Damals erwarb eine private Haltergemeinschaft der Herren Dr. F. J. Strauß, Generalkonsul Dr. Edgar Heckelmann und Franz J. Dannecker bei der Travelair zum Preis von 159012 Mark eine einmotorige »Beechcraft A 24 R Musketeer« --

Flugzeughalter Strauß in der letzten Woche zum SPIEGEL: »Wenn ich mich im Luftsport betätigen will, ist das meine Sache. Da frage ich nicht den SPIEGEL um Erlaubnis.«

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