WERBUNG Lieber Dr. No.
Das Bild in der Mitte zeigt einen kantigen Kleinwagen, der vor einem riesigen Benzin-Tank abgestellt ist. Darüber steht zu lesen: »Gesucht, Fahrer, die den Club of Rome nicht für eine neue, heiße Disco halten«. Unter dem Photo, nach etlichen Zeilen technischer Informationen: »Für alle, die ihren Kopf nicht in den Ölsand stecken«.
Oder: Das Photo in der Anzeigen-Mitte gibt Einblick in das Innere eines Autos, in dem die Sitze zu einem Doppelbett ausgeklappt sind. Darüber der Text: »Dr. Winter klappte Rücksitzbank und Vordersitze in normale Position zurück. 'Interessant', murmelte er, 'das könnte der Anfang vom Ende des Geburtenknicks sein.'«
Werbe-Varianten über einen Kleinwagen: Mit solch unernsten Bildern und Sprüchen wirbt die Deutschland-Filiale des italienischen Fiat-Konzerns seit nunmehr fast drei Jahren um Käufer ihres eckigen Minis mit dem Typen-Namen Panda.
Die Anzeigen für den Panda, von der Frankfurter Agentur Lürzer, Conrad & Leo Burnett gemacht, gelten in der Werbe-Branche als eine der gelungensten Kampagnen der letzten Jahre. Ähnlich wie die spritzigen Anzeigen für die Schnaps-Marke »Jägermeister« haben sich auch die witzig-pfiffigen Panda-Annoncen inzwischen einen festen Leserstamm gesichert.
Da wagte es ein Hersteller tatsächlich, sein Auto mal nicht allein mit den üblichen Verbrauchs-, Komfort- und Straßenlagen-Sprüchen zu verkaufen; statt dessen sollen amüsante Bild-Kurzgeschichten die Aufmerksamkeit der potentiellen Kundschaft wecken.
Sie tun es offensichtlich: Der Fiat-Panda hat sich 1982 zum meistverkauften Ausländer-Auto in der kleinsten Klasse entwickelt. Die Panda-Werbung ist einer jener nicht so häufigen Fälle, in denen eine gelungene Werbe-Konzeption ein Automobil zum Bestseller machte.
Etwas ratlos hatten sich die Kreativen von Lürzer, Conrad das seltsame Vehikel angeschaut, das ihnen der Kunde Fiat da Ende 1979 auf den Hof gestellt hatte. Sie standen vor der Wahl, entweder über die seltsamen Formen des Kleinwagens hinwegzusehen - oder das originelle Äußere zum Anlaß für eine ungewöhnliche Kampagne zu nutzen.
Die Werbekünstler Klaus-Erich Küster und Heinrich Hoffmann entschlossen S.59 sich, den Styling-Pfiff des Wägelchens, das laut »Bild« aussieht wie ein »Schuhkarton«, für die Werbung zu nutzen. Ihrem Kunden schlugen sie die Zeile vor: »Fiat Panda. Die tolle Kiste«.
Die Auftraggeber bei Fiat in Heilbronn ließen, wie in der Branche üblich, den Slogan und die ersten Anzeigen in der angepeilten Käuferschicht testen. Das Ergebnis war verheerend: 75 Prozent der Befragten lehnten die Konzeption ab; die Anzeigen seien albern, es handele sich nicht um Autowerbung, lautete das Urteil. »Wir saßen sehr schockiert da«, berichtet Fiats Werbe-Chef Hans-Joachim Richter.
Trotz der fehlgeschlagenen Volksbefragung entschlossen sich die Fiat- und die Agentur-Manager, bei ihrer Linie zu bleiben. Richter: »Wir haben uns gesagt, 25 Prozent sind schließlich auch schon was« - zumal die Autobranche aus vielen Umfragen weiß, daß sowieso nur ein Viertel der Deutschen zum Kauf eines ausländischen Autos bereit ist.
Mutig war das auf jeden Fall, denn es stand einiges auf dem Spiel: Der Panda sollte, so beschrieb die Agentur die Zielsetzung, die Marke Fiat »wieder salonfähig werden lassen und die Marktposition insgesamt ... verbessern«.
Das war dringend nötig. Weil Fiat in den Siebzigern kaum Neues zu bieten hatte und weil die Autos aus Turin zunehmend in den Ruf schlampiger Verarbeitung gerieten, sackte der Anteil der einstmals renommierten Marke auf dem deutschen Automarkt fast auf Exoten-Niveau ab. 1975 stammten 15,1 Prozent der Autos, die in der Kleinwagen-Klasse verkauft wurden, aus dem Hause Fiat; 1979 waren es gerade noch 7,8 Prozent.
Als Käufer ihrer Kisten peilten die Fiat-Manager laut Agentur-Strategiepapier »unkonventionelle Autofahrer und -fahrerinnen« an, die »keinen Wert auf äußerliches Prestige legten«. Und für diese Klientel - nach dem Klischee der Werber »junge, liberale, tolerante, umweltbewußte Menschen« - schien eine Werbung mit Lach- oder zumindest Schmunzeleffekt, auch mit einem kräftigen Schuß Untertreibung, am besten geeignet.
Heraus kam dann etwas, was tatsächlich nichts mehr gemein hat mit dem Einerlei der Autowerbung - mit den gestelzten Technik-Phrasen (BMW: »Von den Vordenkern des Fortschritts bei Automobil-Triebwerken kommt eine neue Generation von Ottomotoren"), mit dem platten Verkaufs-Aktionismus (Ford: »Dreimal hoch für 'Ausstattung - Leistung - Preis'"), mit den abgegriffenen Komfort-Sprüchen ("Der große Santana. Entspannt ankommen").
»Wir glauben nicht mehr an die bierernste Autowerbung«, sagt Fiat-Manager Richter, »die Leute sollen ein bißchen Vergnügen an der Sache haben.«
Und das haben sie. Da sieht der Leser einen Chauffeur mit standesgemäßer Mütze am Steuer einer großen Limousine, die gerade von einem roten Panda überholt wird. Text oben: »Warum, Charles, kann uns ein Auto überholen, das kaum größer ist als unsere Kühlerhaube?« Text unten: »Die Zeiten ändern sich, Herr Graf.«
Die Fiat-Werber scheuten sich nicht, eine neue Version ihres Autos, den Panda Super, dem Publikum erst einmal fast völlig eingeschneit zu präsentieren. »Was ist denn das für eine Kiste?« stand über dem Bild.
Auch Texte mit politischem Bezug, sonst in der Werbung verpönt, werden gedruckt. Vor einem Klein-Bungalow, in dessen Garage ein Panda steht, hüpft ein Ehepaar lachend in die Höhe. Text: »Es war doch richtig, daß wir mit unserer Investition nicht bis zum 6. März gewartet haben.«
Für Anzeigen, die in der deutschen »Playboy«-Ausgabe geschaltet werden, darf Panda-Texter Ulrich Tekniepe auch mal was ganz Lockeres dichten.
Beispiel: Vor etlichen Kies-Lkw steht nächtens, von Scheinwerfer-Licht angestrahlt, ein Panda. Text oben: »Es kam der Abend, wo er ihr zeigen wollte, womit sein Vater jede Menge Kies machte. Sie jedoch wollte endlich wissen, wie die umklappbare Rückbank funktioniert.« Text unten, nach Benzin-Verbrauchsangaben: »Damit auch Leute ohne Kies ihren Spaß haben.«
Ganz selten nur scheitern Vorschläge der Frankfurter Kreativen an der Zensur der Heilbronner Auftraggeber. Für nicht druckfähig hielten die Fiat-Manager eine Annonce, mit der die japanische Konkurrenz veralbert werden sollte.
Da photographiert ein Japaner mit einer Spiegelreflex-Kamera einen roten Panda. Darüber steht: »Lieber Dr. No. Ihre Fotos erhalten. Ratlos. Dieses Ding soll 5-Sitzer sein? Mit über 140 Spitze? Mit eingebautem Doppelbett? Sie trinken zuviel Reiswein. Gruß Mikado.« Drunter, hinter der Preisempfehlung: »Den Preis empfand man im Lande der aufgehenden Sonne als besonders unfair.«
Mit 90 Anzeigen, die vom Fiat-Management genehmigt wurden und die bisher erschienen sind, geriet die Kiste aus Turin, der Zielsetzung entsprechend, zum Verkaufserfolg. 1982 hatte sich Fiat in der Klasse der Kleinwagen wieder auf 14,2 Prozent Marktanteil in der Bundesrepublik vorgeschoben. Die rasanten Panda-Verkäufe, mit einem vergleichsweise kleinen Werbe-Etat von vier Millionen Mark angetrieben, machten die italienische Autofabrik erneut zur größten Import-Marke in Deutschland.
Lürzer, Conrad kassierte mit seinen Panda-Annoncen von der GWA, der Gesellschaft Werbeagenturen, 1982 den Ersten Preis für effiziente Werbung, vom Art Directors Club, einem Elite-Verein der Werbe-Kreativen, die Goldmedaille für 1982.
So viel Bestätigung ermunterte Hersteller und Agentur, auch den neuesten S.61 Fiat mit lockeren Bildern und leichten Texten anzupreisen. Der Uno, eine halbe Etage über dem Panda angesiedelt, wird jetzt als »Kunststück aus Turin« eingeführt und mit flotten Schwarzhaarigen auf der Kühlerhaube vorgestellt.
»Ich stehe auf 70 DIN-Pferden«, lautet der Text daneben, »mir blasen 165 km/h in das Fiorucci-Kleid, hinter mir steht der größte Innenraum seiner Klasse, und das nächste Kunststück zeige ich Ihnen nächste Woche.«
»Aber nur«, fügen die Werber in Kleinstbuchstaben an, »wenn Sie schön brav sind und das Kleingedruckte unten auswendig lernen.«