»Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten beachten« Das kommt mit dem Lieferkettengesetz auf deutsche Unternehmen zu

Künftig sind große Unternehmen verpflichtet, entlang ihrer Lieferketten auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten, auch im Ausland. Was das bedeutet und was an dem Gesetz kritisiert wird im Überblick.
Pause von der Arbeit in Rakka, Syrien

Pause von der Arbeit in Rakka, Syrien

Foto: Delil Souleiman / AFP

Am 1. Januar ist es so weit – das Lieferkettengesetz tritt in Deutschland in Kraft. Große Unternehmen tragen dann per Gesetz Verantwortung dafür, dass Menschenrechte in ihren Lieferketten eingehalten werden.

Viele deutsche Unternehmen sind heute weltweit vernetzt – mit Produktionsstätten in Europa, Afrika oder Asien. Sie sollen mit dem Gesetz deshalb verpflichtet werden, »in ihren Lieferketten menschenrechtliche Sorgfaltspflichten zu beachten«. Konkret geht es um Kinderarbeit, Arten der Sklaverei, Arbeitsschutz, aber auch umweltschützende Maßnahmen gegen Boden- und Gewässerverunreinigungen, wenn diese zu Menschenrechtsverletzungen führen. Hier die wichtigsten Punkte im Überblick.

Für wen das Gesetz gilt

Das »Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz«, wie es offiziell heißt, gilt zunächst für Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sind davon rund 900 Unternehmen betroffen. Für sie ergeben sich unterschiedliche Anforderungen, für den eigenen Geschäftsbereich sowie für unmittelbare und mittelbare Zulieferer.

Ab 2024 sollen die Vorgaben auch für Firmen ab tausend Beschäftigten gelten. Kleine und mittlere Unternehmen sind explizit ausgenommen. Allerdings gelten die Regeln auch für unselbstständige Niederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschland, sofern sie die nötige Mitarbeiterzahl überschreiten.

Was sich ändert

Unter anderem müssen die betroffenen Unternehmen eine Risikoanalyse durchführen, ein Risikomanagement sowie einen Beschwerdemechanismus aufsetzen und öffentlich darüber berichten. Bei Verletzungen im eigenen Geschäftsbereich oder bei unmittelbaren Zulieferern müssen die Unternehmen laut Gesetz unverzüglich angemessene Abhilfemaßnahmen ergreifen, »um diese Verletzung zu verhindern, zu beenden oder das Ausmaß der Verletzung zu minimieren«.

Was bei Verstößen passiert

Das Gesetz sieht für große Unternehmen Bußgelder von bis zu zwei Prozent des jährlichen Umsatzes vor, wenn sie nicht gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße bei ihren weltweiten Zulieferern vorgehen. Abgestuft wird dabei nach Einflussmöglichkeit und Höhe des weltweiten durchschnittlichen Jahresumsatzes. Firmen können außerdem vorübergehend von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden. Damit endet jedoch die Verantwortung der Firmen – eine zivilrechtliche Haftung ist ausgeschlossen.

Auf EU-Ebene wird noch verhandelt

Auf EU-Ebene wird noch über ein entsprechendes Gesetz verhandelt, das – zumindest wenn es nach der EU-Kommission ginge – strenger ausfallen würde, als das deutsche. Die 27 Mitgliedstaaten haben sich auf eine Position geeinigt, welche den Vorschlag der Kommission etwas abschwächen würde.

Das Gesetz muss noch mit dem EU-Parlament endgültig ausgehandelt werden. Bis zu einer Einigung und bis diese tatsächlich in Kraft tritt, dürfte es jedoch noch Jahre dauern. Deutschland müsste das eigene Gesetz dann anpassen.

Geteiltes Echo – »Bürokraktiemonster«

Betroffene Unternehmen beklagten durch das Gesetz neue bürokratische Lasten. »Das Gesetz ist zu einem Bürokraktiemonster geworden, das weder seine Akzeptanz bei den betroffenen Unternehmen fördert, noch viel mit der Grundidee des Gesetzes zu tun hat«, sagte Holger Görn, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft laut einer Mitteilung. Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten müssten sich zurzeit durch einen 400 Fragen umfassenden Katalog des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle »durchquälen«.

»Hier wird die Handlungsfähigkeit des industriellen Mittelstands aufs Spiel gesetzt«, sagte Karl Haeusgen, Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, laut einer Mitteilung. Er kritisierte, dass Firmen Berichte für alle einsehbar machen müssten – auch für Wettbewerber.

Anderen geht das Gesetz nicht weit genug. Kritikerinnen und Kritiker bemängeln etwa die Ausnahme für kleine und mittlere Unternehmen. Zudem ist die Rolle der mittelbaren Zulieferer streitbar. Für sie gilt die Sorgfaltspflicht erst, wenn das Unternehmen von Menschenrechtsverletzungen auf dieser Ebene erfährt. Das könnte Schlupflöcher etwa über Tochterunternehmen bieten.

Umweltschützern kommt zudem der Umweltschutz zu kurz. »Die Industrielobby hat das Gesetz extrem ausgehöhlt. Das ist zu einem zahnlosen Papiertiger geworden«, sagte Viola Wohlgemuth von Greenpeace.

ani/dpa/AFP
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