
Entwicklungshilfe Vom Ende der Dunkelheit
Zum ersten Mal in der Geschichte Tsaratananas darf eine Frau vor dem Dorfrat sprechen, und gleich muss sie schlechte Nachrichten übermitteln.
"Wer eine Solarlaterne will, muss sie in Zukunft kaufen", sagt Zafitsiha. "Außerdem müsst ihr endlich regelmäßig eure Gebühren bezahlen."
Zafitsiha, 51, steht in der Mitte des Dorfplatzes in der heißen Mittagssonne und blickt in die Gesichter von etwa 40 Männern, die ihr auf Bänken gegenübersitzen. Frauen und Kinder sitzen abseits vom Platz im Schatten ihrer Hütten.
Zafitsiha hält sich gerade, sie spricht mit fester Stimme. Die Männer beobachten die knochige Frau mit den zurückgebundenen krausen Haaren. Sie sind beeindruckt. Und enttäuscht.
"Bis jetzt haben wir alles umsonst bekommen", sagt ein Bauer. "Ich kann mir aber keine Anlage leisten", ruft ein zweiter. "Warum wurden manche im Dorf besser behandelt als ich?", will ein dritter wissen.
Bald reden mehrere Männer durcheinander. Wütend fallen sie einander ins Wort. Zafitsiha hört zu und nickt. Sie steht noch immer sehr gerade. Doch zwischen ihren Augenbrauen bilden sich zwei senkrechte Falten. Sie hatte sich das anders vorgestellt, als sie sich auf ihre lange Reise machte, um ihrer Gemeinde Licht und Strom zu bringen.
Von März bis Oktober 2013 hat Zafitsiha das sogenannte Barefoot College im indischen Tilonia besucht, das in einem weltweit einzigartigen Kurs Analphabeten zu Solartechnikern ausbildet.
Sie hatte dafür ihre beiden Kinder und ihre beiden Enkel zurückgelassen. War das erste Mal in ihrem Leben in ein Flugzeug gestiegen. Hatte sich durch komplizierte Baupläne gequält. Und sich bei Freunden unbeliebt gemacht. Nun, drei Jahre nach ihrer Rückkehr, hat sie in Tsaratanana mehr verändert, als sie je für möglich gehalten hätte - auch Dinge, die sie lieber nicht verändert hätte.
Das Barefoot College hat drei Ziele: Es will, erstens, Solaranlagen in die armen und abgelegenen Dörfer der Welt bringen. In Madagaskar, dem Land, aus dem Zafitsiha stammt, haben 85 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu Strom. Weltweit leben nach Angaben der Internationalen Energieagentur rund 1,2 Milliarden Menschen ohne Elektrizität.
Die Folgen sind weitreichend: Weil es kein Licht gibt, können Erwachsene abends nicht arbeiten und Kinder keine Hausaufgaben machen. Ärzte müssen im Schein einer Taschenlampe operieren. Kranke sterben, weil sich Medikamente vor Ort nicht kühlen lassen. Es gibt kein Internet, kein Fernsehen, kein Radio, keine elektrischen Maschinen, keine Massenproduktion und damit auch kaum Wachstum. Entwicklungshelfer sprechen von Energiearmut.

Satellitenbild: So dunkel ist die Nacht in Madagaskar
Das College will Energiearmut weltweit bekämpfen. Dazu will es das Selbstbewusstsein von Frauen stärken. In den traditionellen Dorfgemeinschaften treffen oft die Männer die wichtigen Entscheidungen und verfügen über das Geld. Das Barefoot College bildet deshalb ausschließlich Frauen aus. Die Solaringenieurinnen sollen finanziell unabhängig leben und in ihrer Gemeinde zum Vorbild für andere Frauen werden.
Gleichzeitig will das Barefoot College eine neue, bessere Form der Entwicklungshilfe etablieren. Es versucht, die Unabhängigkeit der traditionellen Dorfgemeinden zu erhalten, in denen es Projekte durchführt. Nach ihrer Ausbildung kehren die Solaringenieurinnen in ihre Dörfer zurück, statten je 50 Hütten mit einer Solaranlage aus und übernehmen deren Wartung und Pflege. Die Kosten dafür tragen die Gemeinden selbst.
Seit 2003 hat das Barefoot College nach eigenen Angaben mehr als eine halbe Million Haushalte mit Strom versorgt. Seine Solarlaternen erhellen heute einzelne Dörfer in Afrika, Arabien, Asien und Lateinamerika, insgesamt in 72 Ländern. Nun geht das Projekt in seine entscheidende Phase: Die Solaringenieurinnen sollen überall auf der Welt weitere Frauen ausbilden, diese sollen rasch Zehntausende weitere Dörfer elektrifizieren. Es geht um einen Schneeballeffekt, der die armen Länder der Welt tiefgreifend verändern soll.
Bevor das geschieht, sollte das Projekt aber dringend noch einmal verfeinert werden. Denn die Solaranlagen bewirken in den Dörfern zwar einerseits viel Gutes, verursachen aber andererseits auch eine Reihe neuer Probleme. Die Bewohner Tsaratananas etwa klagen über Geldnöte, soziale Ungleichheit und neue Formen von Kriminalität.

Am Feuer
In einer fast dunklen Bambushütte sitzt eine Mutter und kocht Maniokwurzeln auf einem kleinen Feuer. Neben ihr sitzt ihre Tochter. Das Licht der Flammen reicht nur wenige Handbreit in den Raum. Die Gesichter der Frauen verschwimmen zu Schemen. Es ist heiß und stickig, und es stinkt nach Ruß. Immer wieder hustet das Mädchen heftig, manchmal spuckt es weiße Schleimbrocken aus.
Die Hütte steht am Rand von Tsaratanana, ein paar Schritte abseits des Dorfplatzes. Die Familie dort hätte auch gern eine Solaranlage, aber sie hat, wie Dutzende andere im Dorf, keine abbekommen. Nur die ersten 150 Anlagen hat Tsaratanana geschenkt bekommen, die restlichen Dorfbewohner sollen sich selbst eine kaufen. Viele verstehen das nicht und fühlen sich wie Bürger zweiter Klasse.
Zafitsiha hatte einmal gehofft, dass sie ganz Tsaratanana das Licht bringen könnte. Im März 2013, als sie nach Indien ging, lebten sie alle in dunklen Hütten. Sie konnten abends kaum arbeiten, kaum die Gesichter der anderen sehen, mit dem Sonnenuntergang war der Tag im Grunde vorbei. Und sie schadeten ihren Lungen mit Ruß. Zafitsiha wollte das ändern. Und sie wollte ihr eigenes Geld verdienen.
Ihr Leben lang hatte sie nur den Haushalt gemacht und auf Kinder aufgepasst. Zuerst auf ihre Geschwister, dann auf ihre eigenen Kinder und dann auf ihre Enkel. Ioto Raphael, der Dorfälteste, hatte gesagt, als Solaringenieurin werde die Gemeinde ihr ein Gehalt zahlen.
Die anderen Dorfbewohner versuchten, Zafitsiha von der Reise abzuhalten. Viele glaubten, die Inder würden die Frauen nach Tilonia holen, um sie dort zu versklaven. In den umliegenden Siedlungen hörte man gar, die Inder wollten das Blut der Madagassen stehlen und es an ihre Krankenhäuser verkaufen. Zafitsiha glaubte die Geschichten nicht.
Drei Frauen sollten nach Tilonia reisen. Doch außer Zafitsiha wollte nur noch Philomene mit, eine kleine Frau mit eingedrückter Nase, die vor einigen Jahren von ihrem Mann verlassen worden war und die hoffte, nach dem College besser allein für ihre Kinder sorgen zu können.
Als sich keine dritte Frau fand, schickte Ioto Raphael kurzerhand seine zierliche, etwas schüchterne Tochter Dotine nach Indien - als Beweis für sein Vertrauen in das Projekt. Den Dorfbewohnern sagte er: "Wenn die Frauen nicht zurückkehren, könnt ihr mich töten."

Die Stärken der Schwachen
Es gibt Wissenschaftler, die die westliche Entwicklungspolitik für gescheitert erklären. Es geht ihnen nicht um einzelne, fehlgeleitete Projekte, sondern um das komplette Konzept. Sie sagen, dass Entwicklungshilfe die westlichen Vorstellungen von Armut, Reichtum und Konsum in traditionelle Dorfgemeinschaften exportiere und arme Regionen in ungesunden Abhängigkeitsverhältnissen halte. Der kenianische Ökonom James Shikwati sagt, Entwicklungshilfe nütze letztlich mehr der Weltwirtschaft als den Menschen, denen geholfen werden soll.
Sanjit "Bunker" Roy, der Gründer des Barefoot College, wollte alles besser machen. Er hat selbst mehrere Jahre in entlegenen Siedlungen im indischen Bundesstaat Rajasthan gelebt. Er sagt, er habe dabei vor allem eines gelernt: Die Armen und Ungebildeten sind längst nicht so hilflos, wie die Reichen und Gebildeten glauben. Sie finden nur oft Lösungen, die wir nicht verstehen.
Die Ausbildung am Barefoot College basiert auf den Stärken der vermeintlich Schwachen, zum Beispiel auf handwerklichem Geschick und der Fähigkeit, das, was man nicht aufschreiben kann, auswendig zu lernen. So sollen traditionelle Werte gewahrt werden. Die Schülerinnen lernen außerdem, die Solarsysteme eigenständig zu betreiben und den Nachschub und die Finanzierung der Ersatzteile zu veranlassen. So soll die Unabhängigkeit der Dorfgemeinschaft gesichert werden.
Vor einigen Jahren noch wurde Roy für seinen Ansatz gefeiert. 2010 wählte das "Time Magazine" ihn zu einer der 100 wichtigsten Persönlichkeiten des Jahres. 2011 stellte er sein Konzept unter großem Applaus auf der Ted-Konferenz vor. "Bunker Roy hat einen besseren Weg gefunden, um das Problem der Armut zu lösen", schrieb das US-Magazin "Wired".
Nun aber zeigt sich, dass auch Roys Ansatz Schwächen hat. Ein Problem ist, dass das College bei seinen Projekten nie das ganze Dorf elektrifiziert. Bewohner, die keine Anlage abbekommen, fühlen sich oft unter Druck, eine zu kaufen. Auch wenn sie sich das gar nicht leisten können.
Zudem macht auch das Barefoot College die Gemeinden von sich abhängig. Die Solaringenieurinnen müssen ihre Teile stets beim College in Tilonia bestellen. Denn nur den Bau von dessen Solarsystemen haben sie gelernt. Die Profiteure sind indische Hersteller wie Ritika Systems und Exide, die ihre Module und Laternenteile mit einer kleinen Gewinnmarge ans Barefoot College verkaufen.

Die Universität der Armen
Ein Solarsystem des Barefoot College besteht aus 130 Teilen. Zafitsiha kann es in weniger als zwei Stunden zusammenbauen.
Sie sitzt in einer Bretterbaracke neben dem Dorfplatz, dem sogenannten Solar-Haus, neben ihr sitzen Philomene und Dotine. Die Frauen würden jetzt gerne loslegen und Solarlampen bauen. Mehr als 200 Aufträge müssen sie noch abarbeiten. Doch die nötigen Teile aus Indien werden frühestens im Dezember ankommen. Im November ist in Tsaratanana Erntezeit. Erst danach haben die Bauern wieder Geld und können die georderten Solarsysteme bezahlen.
Auf einem Tisch vor Zafitsiha liegen Drähte, Widerstände, Kondensatoren und Kabel. Sie kann daraus keine ganze Lampe bauen, aber sie kann alte Laternen reparieren. Mit routinierten Handgriffen steckt Zafitsiha die Teile auf eine Platine. Nebenbei hilft sie Dotine bei deren Platine.
Als ihre Ausbildung am Barefoot College begann, hätte sich Zafitsiha all das nie zugetraut. Anfangs glaubte sie nicht, dass sie das Training je schaffen würde. All die Knöpfe, Kontakte, die Anzeigenadeln und Messgeräte, die Dutzenden Werkzeuge. Sie kam oft durcheinander und musste abends nachsitzen.
Von Montag bis Samstag saß sie mit 26 Frauen in einem engen, abgedunkelten Raum und baute unablässig Solarlaternen, von 8 bis 11 Uhr die erste, von 14 bis 17 Uhr die zweite, so lange, bis jeder Handgriff saß. Da keine der Frauen wirklich lesen konnte, hingen die einzelnen Arbeitsschritte als Comics an der Wand. Und die Teile hatten unterschiedliche Farben, sodass man sich merken konnte, welche Farbe an welche Stelle gehörte.
Während der Arbeit schnatterten sie oft laut durcheinander, die Großmütter aus Kolumbien, Panama und Nicaragua, aus Myanmar, Madagaskar und Sansibar und von den Komoren. Sie verstanden einander nicht und redeten trotzdem miteinander. Nach und nach lernten sie, sich in Zeichensprache zu verständigen.
Die Frauen lernten außerdem, wie man Kerzen und Kreide produziert und wie man Textilien näht. Zum ersten Mal in ihrem Leben saß Zafitsiha an einer Nähmaschine. Es war ein bewegender Moment für sie.
Als sie 14 war, hatte ihr Vater ihr aus der Stadt ein Kleid mitgebracht. Leider war es ihr viel zu groß. Jahrelang hütete Zafitsiha das Kleid wie einen Schatz, dann endlich war sie hineingewachsen. Stolz trug sie es auf einem Fest. "Ich möchte eine Nähmaschine haben", sagte sie zu ihrem Vater. "Dann kann ich selbst Kleider nähen." Der Vater antwortete: "Ich wünschte, ich hätte das Geld, dir eine zu schenken."
Als sie die Ausbildung beendet hatte, war Zafitsiha voller Vorfreude. Sie glaubte, dass sie sich von ihrem Gehalt als Solaringenieurin bald eine Nähmaschine leisten könnte.

Licht und Schatten
Abends, wenn die Sonne hinter den Bergen versunken ist, zeigt sich, wie sehr der Solarstrom Tsaratanana verändert hat. Auf dem Boden einer Hütte nahe dem Dorfplatz kniet Dotines Mutter und flicht im grellen Schein ihrer Solarlampe eine Bastmatte. Vor ihr steht ein Regal, das sich die Familie erst kürzlich geleistet hat. Seit die Mutter auch abends arbeitet, produziert sie viel mehr Matten als früher. Einmal pro Woche verkauft sie diese auf dem nahe gelegenen Markt.
Neben der Mutter sitzt Dotines Bruder Jux. Er hat, obwohl er tagsüber oft auf dem Feld mithelfen muss, vor Kurzem die neunte Klasse geschafft, weil er abends im Schein der Solarlaterne lernen kann.
Auf dem Platz vor dem Solar-Haus tanzen junge Männer mit Baseballkappen und Mädchen mit bunten Röcken im Kreis. Aus zwei abgewetzten Boxen quäken afrikanische Gesänge, die mit schneller elektronischer Musik unterlegt sind. Andere Jugendliche stehen am Rand der Tanzfläche, lassen eine Flasche Bier kreisen, reden, lachen, flirten.
In einer Hütte neben dem Solar-Haus aber sitzen einige Männer und führen den Streit fort, der sich am Mittag entzündet hatte, als Zafitsiha vor dem Dorfrat sprach. 80.000 Ariary soll ein neues Solarsystem kosten, umgerechnet rund 25 Dollar. Eigentlich müssten die Dorfbewohner sogar gut 70 Dollar zahlen, so viel kosten Herstellung und Transport der Anlage wirklich. Doch das Barefoot College, die indische Regierung und der WWF schießen kräftig Geld zu. Die Umweltorganisation hofft, dass die Menschen in Tsaratanana durch die Solarlampen seltener Feuer machen und dadurch weniger Regenwald abholzen.
Trotz der subventionierten Preise können sich viele Familien keine eigene Solarlaterne leisten. Sie mieten sich lieber ab und zu die Laterne eines Nachbarn. Wer eine Anlage besitzt, kann so gutes Geld nebenbei verdienen.
Gleichzeitig versuchen die Anlagenbesitzer, die Gebühr zu drücken, die sie jeden Monat an die Gemeinde zahlen müssen. Zwischen 3000 und 10.000 Ariary sind es, je nach Größe und Vermögen des Haushalts. Das Geld fließt in einen Topf, aus dem Ersatzteile und die Gehälter der drei Solargroßmütter finanziert werden. Doch einige im Dorf haben ihre Zahlungen gestoppt. Sie wollen die Gebühr nur noch einmal im Jahr zur Erntezeit errichten.
Um die Gemeinde zu entlasten, verzichten Zafitsiha, Philomene und Dotine auf die Hälfte ihres Lohns. Gerade einmal 30.000 Ariary, gut zehn Dollar, verdienen sie derzeit noch im Monat. Zafitsiha hat deshalb schon ihren Traum von der Nähmaschine aufgegeben. Nun aber fordern einige im Dorf schon neue Nachlässe.
Zafitsiha hat den Männern erklärt, dass sie bald wieder im Dunkeln sitzen, wenn sie nicht zahlen. Denn die Leistung der Solarbatterien lässt bereits nach, sie müssen bald ausgetauscht werden. Ohne Gebühren aber fehlt das Geld, um neue zu kaufen. Das Dorf will nun eine Liste erstellen, wer der Gemeinde gerade wie viel schuldet. Dann wollen sie überlegen, wie man das Geld eintreiben kann.
Vor dem Dorfrat wurde auch über die Diebe diskutiert, die Tsaratanana nun immer öfter heimsuchen. In den frühen Morgenstunden, wenn die Bewohner schlafen, schleichen sie um die Hütten und versuchen, die Solarmodule von den Dächern zu klauen. Viele Bewohner nehmen ihre Solarmodule inzwischen nachts mit in die Hütte.
Einmal klaute sogar ein Mann aus dem Dorf einer Nachbarfamilie ihr Solarmodul. Der Dieb wurde rasch überführt. Er musste der beklauten Familie zur Strafe ein Zebu-Rind geben.

Sonnenwende
Das Barefoot College hat für die Zukunft ehrgeizige Pläne. Bis Ende 2017 will es bereits einer Million Haushalten Zugang zu Strom verschafft haben, doppelt so vielen wie jetzt. In den folgenden Jahren sollen möglichst ganze Regionen elektrifiziert werden. Meagan Fallone, die Geschäftsführerin des College, will einen "systemischen Wandel" einleiten.
Projekte wie in Tsaratanana sind letztlich Pilotprojekte. Sie sollen der Regierung des jeweiligen Landes beweisen, dass sich Gemeinden mit der Barefoot-Methode schnell und günstig mit Strom versorgen lassen. Ist die Regierung überzeugt, soll sie selbst viele weitere Projekte finanzieren.
Oft aber wird viel geredet und wenig getan. In Madagaskar etwa hat die Regierung angekündigt, gemeinsam mit dem College bis 2030 weitere 744 Dörfer mit rund 630.000 Haushalten zu elektrifizieren. Sogar ein lokaler Ableger des College soll auf der Insel entstehen. Konkret geplant aber ist bislang nur die Elektrifizierung von zwei kleinen Dörfern im Norden des Landes bis Ende 2018, und Geld hat das College dafür noch nicht gesehen.
In vielen anderen Ländern der Welt stockt die Expansion ebenfalls. Die Verhandlungen mit den Regierungen liefen leider "sehr schleppend", sagt Fallone.
Vielleicht aber macht das nichts. Vielleicht ist es ohnehin gut, erst die vielfältigen sozialen Folgen zu verstehen, die Solarsysteme in Dörfern wie Tsaratanana verursachen. Und für die auftretenden Schwierigkeiten gute Lösungen zu finden.
Das Barefoot College könnte so vermeiden, dass es erst die große Expansion startet - und später merkt, dass es in den Dörfern mehr neue Probleme schafft als alte löst. Solaringenieurinnen wie Zafitsiha wären für diese Umsicht sicher dankbar.
Am Ausgang von Tsaratanana beginnt ein Pfad in die Berge. Einmal ist Zafitsiha ihn abends entlanggelaufen und hat von einem Hügel aus ihr Werk betrachtet. Hell leuchteten die Häuser im Tal und an den Berghängen, und Zafitsiha fühlte sich stolz und stark.
Sie hatte ihrem Dorf das Licht gebracht, ganz wie sie es versprochen hatte. Und sie schwor sich, dafür zu kämpfen, dass es nie mehr erlischt.

Team
Autor: Stefan Schultz
Fotos: Bernhard Riedmann, Barefoot College, Getty Images
Videos und 360-Grad-Videos: Bernhard Riedmann
Redaktion: Stefan Kaiser, Heike Klovert und Jule Lutteroth
Dokumentation: Almut Cieschinger, Klaus Falkenberg und Maximilian Schäfer
Bildredaktion: Nasser Manouchehri
Schlussredaktion: Lena Ekelund und Lenne Kaffka
Programmierung und Grafiken: Anna-Lena Kornfeld, Chris Kurt, Michael Niestedt, Philipp Seibt und Achim Tack
Koordination: Anna Behrend und Philipp Seibt
Diese Reportage ist Teil des Projekts Expedition #ÜberMorgen.