Gehaltssystem der Banken Der Bonuswahnsinn

Die Finanzkrise ist längst nicht ausgestanden, dennoch zahlen Banken ihren Mitarbeitern milliardenschwere Boni aus. Sie begründen das mit dem Wettbewerb um die besten Köpfe. Doch hohe Sonderzahlungen machen das Finanzsystem keineswegs stärker. Sie treiben es wieder auf den Abgrund zu.
Von Malte Heynen
Händler an der Wall Street: Je absurder die Fehlinvestitionen, desto höher die Boni

Händler an der Wall Street: Je absurder die Fehlinvestitionen, desto höher die Boni

Foto: Henny Ray Abrams/ AP

Finanzkrise? War da was? Die Banker kassieren längst wieder "Erfolgsboni", als wäre nichts geschehen. Im Jahr 2007 - die Krise hatte bereits begonnen - wurden an der Wall Street Boni von 33 Milliarden Dollar gezahlt, ein Betrag knapp unter dem absoluten Rekordwert. Von 2008 bis 2010 summieren sich die Wall-Street-Boni auf 63 Milliarden US-Dollar. Das ist pro Jahr gerechnet deutlich mehr als in den meisten Jahren vor der Krise.

Zum Vergleich: Der höchste Wolkenkratzer der Welt, der Burj Khalifa in Dubai, hat 1,5 Milliarden Dollar gekostet. Die Banker in den USA hätten also seit 2008 mit ihren Boni 42 solcher Wolkenkratzer errichten können.

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Foto: SPIEGEL ONLINE

Und zu diesen Zahlen müsste man noch einige Milliarden hinzuaddieren, denn viele Banken sind inzwischen dazu übergegangen, gleich die Festgehälter zu erhöhen, statt unvorhersehbare Boni in Aussicht zu stellen.

Erstaunlicherweise wird die Debatte über die Einnahmen der Banker vor allem auf der moralischen Ebene geführt. Natürlich ist es unanständig, dass einige Banker mehr als das Hundertfache eines Durchschnittseinkommens einstecken.

Doch wichtiger ist eine andere Frage: Was bewirken exorbitante Boni? Sie bringen das Bankensystem in Gefahr, und zwar aus zwei Gründen:

  • Erstens: Seit fünf Jahren pumpen Staaten und Zentralbanken Milliardensummen in das Bankensystem hinein, um es zu stabilisieren. Gleichzeitig ziehen private Investoren wieder Milliarden aus dem System ab. Kapital, das die Banken dringend bräuchten, um sich vor drohenden Verlusten zu schützen. Nicht nur an Bonusempfänger fließen Milliarden, sondern auch an die Eigentümer der Banken. Auf dem Papier weisen Banken und andere Finanzunternehmen längst wieder Gewinne aus und können daher jährlich Milliarden an ihre Kapitalgeber ausschütten. Allein in den USA sind so seit 2008 mehrere hundert Milliarden Dollar aus der maroden Finanzbranche abgeflossen.

  • Zweitens: Was passiert mit jemandem, der jedes Jahr einen Erfolgsbonus in Millionenhöhe vor Augen hat? Die Banken behaupten, das Geld motiviere Mitarbeiter zu Höchstleistungen. In Wirklichkeit sind es oft Höchstleistungen im Tricksen oder im Ausblenden von Risiken. Betrachtet man die Bonuszahlungen der vergangenen 25 Jahre, fällt sofort ein verdächtiges Muster auf: Sie sind ausgerechnet seit Mitte der neunziger Jahre massiv angestiegen, also seitdem die Banken angefangen haben, Kredite immer leichtsinniger zu vergeben.

Extremwerte erreichten die Boni immer dann, wenn die Finanzmärkte völlig verrückt spielten: während der Börsenblase der Technologie-Aktien (1995 bis 2000) und während der Blase am US-Immobilienmarkt (2002 bis 2006).

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Man könnte es ironisch als Naturgesetz der Wall Street bezeichnen: je absurder die Fehlinvestitionen, je gefährlicher der drohende Crash, desto höher die Boni.

Tatsächlich steht eine Gesetzmäßigkeit dahinter: Die Finanzbranche verdient am meisten in Boom-Phasen, wenn die Preise von Aktien, Anleihen oder Immobilien steigen. Der Haken daran: Die Gewinne der Banken steigen auch dann, wenn der Boom künstlich erzeugt wird, etwa durch ausufernde Kreditvergabe. Genau dazu ist es in der Vergangenheit immer wieder gekommen: Erst wird auf Pump konsumiert und spekuliert, dann bricht irgendwann der künstliche Boom zusammen. Auf die hohen Gewinne der Banken folgen noch höhere Verluste.

Hier schaffen die Bonuszahlungen gefährliche Fehlanreize: Händler und Manager der Banken sind an den Gewinnen beteiligt, nicht aber an den Verlusten. Sie erhalten ihren Bonus meist schon nach einigen Monaten. Bei vielen Bankgeschäften zeigen sich die Risiken aber erst nach Jahren oder Jahrzehnten. Bonusempfänger haben also einen gewaltigen Anreiz, Risiken auszublenden - beispielsweise indem sie windigen Kreditnehmern viel zu viel Geld leihen.

Die Schäden solcher Deals tragen nicht die Händler und Manager, sondern die Bank, die Geschäftspartner oder der Staat. Und wenn es dann knallt, wird meist nur der Bonus des letzten Jahres ein bisschen gekürzt. Doch bis dahin haben viele Banker längst das Geld für eine private Karibikinsel angespart.

Bis heute hat sich an diesem irrsinnigen System wenig geändert. Zwar reden die Banken immer wieder davon, Boni nur noch für langfristige Erfolge zu zahlen. Aber sie meinen dann Zeiträume von drei oder vier Jahren. Das ist absurd. Ob beispielsweise eine Kreditvergabe ein gutes Geschäft war, zeigt sich oft erst nach Jahrzehnten, weil viele Kredite erst dann zurückgezahlt werden.

Der Text ist ein bearbeiteter Auszug aus dem Buch "Der Raubzug der Banken: Von einem, der auszog, seine Ersparnisse zu retten, und entdeckte, was wirklich mit unserem Geld passiert." Das Buch ist am 3. September erschienen.

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