FIRMENNAMEN Markt säubern
Der Brief war höflich im Ton, aber hart in der Sache. »Zu unserem Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen«, so meldete sich die Frankfurter Commerzbank bei der Stuttgarter Immobilienmaklerfirma Treucommerz. »daß wir in der Verwendung des Bestandteils Commerz in dem Namen Ihrer Gesellschaft eine Verletzung der Firma unseres Hauses sehen.«
Die Bank-Juristen baten die Maklerfirma binnen drei Wochen eine »entsprechende Änderung ihres Namens vorzunehmen. Anderenfalls sähe sich das Institut »leider gezwungen, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen«. Das Schreiben löste bei dem Adressaten totale Verwirrung aus. Hans-Jürgen Bartsch, Geschäftsführer der Treucommerz: »Ich dachte, ich spinne.«
Hans-Jürgen Bartsch wird es wohl nicht allein so gegangen sein. Seit Mitte 1983 forderte die Commerzbank Dutzende von Unternehmen auf, umzufirmieren. Den Firmen war eines gemeinsam: Sie führten das Wort »Commerz« im Namen. Der Firmenbestandteil »Commerz«, so die stets gleichlautende Begründung der Frankfurter Bank-Juristen, sei ihrem Hause vorbehalten. Er verdiene den bleichen Schutz gegen Verwechslungsgefahr wie der volle Name. Diese Auffassung »bestätigende Gerichtsentscheidungen«, so die Bank in ihren Mahnbriefen, lägen vor. Die forschen Schreiben der mächtigen Bank verfehlten nicht ihren Zweck. Aus Angst vor dem großen Namen und wohl in Abschätzung möglicher hoher Prozeßkosten verzichteten innerhalb eines Jahres 23 Commerz-Firmen auf ihren angestammten Namen.
Treucommerz-Chef Bartsch ließ sich nicht einschüchtern: »Ich empfand das als eine Frechheit.« Der Treucommerz-Chef ließ sich auf eine juristische Hakelei ein, die auch heute, drei Jahre nach dem ersten Mahnbrief der Bank, noch anhält.
Bartsch bat zunächst darum, die Bank möge ihm doch die Gerichtsurteile zustellen, die ihre Rechtsauffassung stützen. Und siehe da, die Bank-Juristen hatten kräftig geblufft. Sie konnten lediglich ein Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts aus dem Jahre 1972 vorlegen. Damals hatten die obersten Schweizer Richter einer Firma Capital + Commerz auferlegt, sich wegen Verwechslungsgefahr mit der Commerzbank einen anderen Namen zu suchen.
Das Urteil eines deutschen Gerichts konnte die Commerzbank damals nicht vorweisen. Es gab keins. »Die Verfolgung unserer Ansprüche auf prozessualem Weg«, so die Auskunft der Bank-Juristen, habe sich bisher »erübrigt«.
Es war nicht ganz so. Bis Mitte 1983 hatte die Commerzbank zwar immer mal wieder versucht, die eine oder andere von einigen hundert Commerz-Firmen in der Bundesrepublik zur Namensänderung zu bewegen: die Gerichte wurden dabei aber offenbar nie bemüht. Kamen die angeschriebenen Firmen der Aufforderung der Bank nicht freiwillig nach, hörten sie nie mehr etwas aus Frankfurt. Seit Mitte 1983 jedoch, so Treucommerz-Chef Bartsch, errolle die Commerzbank die Bundesrepublik »mit einer Prozeßlawine«. Bartsch argwöhnt, daß die Frankfurter Banker stärker ins Immobilien-Geschäft einsteigen und »im Vorfeld den Markt säubern« wollen. Tatsächlich sind auffallend viele Firmen im Immobilien-Geschäft tätig.
Die Commerzbank sieht das ganz anders. Bank-Sprecher Ulrich Ramm kann eine »besondere Häufung« von Streitfällen »nicht erkennen«. Die Namens-Aktivitäten seines Hauses seien ein »Dienst am Kunden und Anleger«. Sie hätten ein Recht darauf, nicht irregeführt zu werden. Das fand erstaunlicherweise auch ein Gericht. Mit Urteil vom 18. April 1984 untersagte es das Landgericht Frankfurt der Commerzbau-Gesellschaft für Baubetreuung mbH, wegen Verwechslungsgefahr mit der Commerzbank das Wort »Commerz« im Namen zu führen. Die Frankfurter Großbank schien zu haben, was sie brauchte.
Das positive Urteil ermunterte die Bank jedenfalls dazu, die Gangart auch in Sachen Treucommerz zu verschärfen. Im Herbst mahnte die renommierte Hamburger Anwaltssozietät Droste pp, die Treucommerz in aller Form ab: die Stuttgarter Maklerfirma wurde aufgefordert, eine Erklärung »herzureichen«, mit der sie sich zu einer Umfirmierung verpflichtet.
Doch Treucommerz-Chef Bartsch blieb standhaft und das sollte sich schon bald lohnen. Bei einem anderen Prozeß gegen eine Commerz-Firma erlitt die Commerzbank nämlich eine Schlappe.
Die Bank hatte die Commerz Vermögensverwaltungsgesellschaft mhH beim Stuttgarter Landgericht auf Namensänderung verklagt. Als die Stuttgarter Firma darauf noch während des Prozesses in Grundcommerz umfirmierte, klagte die Commerzbank auch gegen den neuen Titel. Ohne Erfolg.
Die Firma Grundcommerz, so die Richter, sei mit Commerzbank »nicht verwechslungsfähig«. Commerz sei kein »selbständig unterscheidungskräftiger« Bestandteil der Firma. Anders als die Commerzbank-Juristen waren die Stuttgarter Richter der Ansicht, der Begriff Commerz sei keineswegs so veraltet, daß er nicht mehr als generelle Beschreibung für Handel verstanden werde. Auch die Schreibweise mit C, so das Gericht, gebe da »kein unlösbares Rätsel auf«.
Die Commerzbank ging in die nächste Instanz. Doch auch beim Oberlandesgericht Stuttgart holte sie sich eine Abfuhr.
Treucommerz-Chef Bartsch und andere, die gehofft hatten, nun endlich von der Commerzbank in Ruhe gelassen zu werden, sahen sich getäuscht. Das Geldhaus rief Deutschlands oberstes Gericht, den Bundesgerichtshof in Karlsruhe, an.