Marode Autobauer General Motors schiebt riesige Verluste nach Europa ab

Der schwer angeschlagene Autobauer General Motors schreibt schon wieder tiefrote Zahlen - einen Teil seiner Verluste hat der Konzern einfach nach Europa verschoben. Der angekündigte Sparkurs trifft auch die deutsche Tochter Opel.

Detroit - Die Nervosität ist groß: General Motors verwirrte die Aktienmärkte vor Bekanntgabe der Quartalszahlen. Weil sich die Veröffentlichung verzögerte, wurde der Handel der GM-Aktie   in New York ausgesetzt. GM-Chef Rick Wagoner sagte zudem bereits vereinbarte Interviews in letzter Minute ab - ohne Angabe von Gründen.

General Motors: 2,5 Milliarden Dollar Verlust

General Motors: 2,5 Milliarden Dollar Verlust

Foto: AP

Dann veröffentlichte GM schockierende Zahlen: Der Konzern ist im dritten Quartal noch tiefer in die Verlustzone gerutscht. Das Minus lag unter dem Strich bei insgesamt 2,5 Milliarden Dollar oder 4,45 Dollar je Aktie, wie das Unternehmen am Freitag in Detroit mitteilte. Analysten hatten mit weniger Verlust gerechnet. Vor einem Jahr hatte GM wegen eines Sondereffekts 42,5 Milliarden Dollar beziehungsweise 75,12 Dollar je Aktie verloren. Der Umsatz sank im gerade abgelaufenen Dreimonatszeitraum von 43,7 auf 37,9 Milliarden Dollar. Eine Dividende will GM für das dritte Quartal nicht ausschütten. Der Kurs der Konzernaktien stürzten nach der Verkündung ab.

Einen Teil seiner Verluste hat GM nach Europa verschoben. Das Europageschäft mit der Hauptmarke Opel stürzte mit einem operativen Verlust von rund einer Milliarde Dollar tief ins Minus, teilte GM am Freitag in Detroit mit. Im zweiten Quartal war noch ein minimaler Gewinn von 20 Millionen Dollar angefallen. Der Opel-Betriebsrat kritisierte, dass die Verrechnungsmethode die Region Europa übermäßig belaste. "GM schiebt massiv Verluste aus den USA nach Europa ab, um die Bilanz aufzupolieren", sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz.

Das Ergebnis in Europa sei insbesondere durch geringere Verkaufsvolumen und eine negative Preisentwicklung beeinflusst worden, schrieb GM in einer Mitteilung. Hinzu seien negative Währungskursentwicklungen gekommen. Das Unternehmen habe seine Kosten aber gesenkt. Der Marktanteil in Europa sank gegenüber dem Vorjahr von 9,5 auf 8,9 Prozent. GM-Europa-Chef Carl-Peter Forster sprach von einem "äußerst brutalen Quartal". Es seien rigorose Anstrengungen notwendig, um Ertrag und Produktivität weiter zu verbessern.

Der verschärfte Sparkurs des Autobauers trifft nun auch die deutsche Konzerntochter Opel. Wie in den USA und Kanada will GM auch in Westeuropa die Arbeitskosten senken, wie aus der Mitteilung am Freitagabend hervorging. In Amerika seien dabei auch betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen. Bei Opel liefen weiterhin Gespräche zwischen Management und Arbeitnehmervertretern, sagte ein Firmensprecher in Rüsselsheim. "Es geht darum, das operative Geschäft in Europa der Nachfrage anzupassen", sagte er. Opel hatte bereits in den vergangenen Wochen die Bänder in vielen westeuropäischen Werken stillstehen lassen, um die Produktion zu drosseln.

Chrysler droht Aufspaltung, Ford kämpft mit Verlusten

Auch die Konkurrenz steckt in der Krise: Dem Autobauer Chrysler droht Kreisen zufolge möglicherweise die Aufspaltung. Die Rücklagen von Ende Juni in Höhe von 11,7 Milliarden Dollar seien unter anderem wegen des Absatzeinbruchs im Oktober und gestiegener Auszahlungen an Zulieferer in den vergangenen Monaten deutlich geschmolzen, sagten mit der Situation vertraute Personen am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters.

Falls ein Zusammenschluss mit dem Rivalen General Motors scheitere und Regierungshilfen ausblieben, könnten die Reserven zur Finanzierung des Betriebs nicht über das erste Halbjahr 2009 hinaus reichen, hieß es. Neben dem Verkauf der wertvollsten Unternehmenssparte Jeep ziehe der Konzern daher auch eine markenbasierte Aufspaltung in Erwägung. Dies würde bedeuten, dass die Marken Chrysler, Jeep und Dodge alleine weiterexistieren würden. Das Unternehmen und sein Mehrheitseigner, die Beteiligungsgesellschaft Cerberus Capital Management, wollten sich dazu nicht äußern.

Ebenso hat der geplagte US-Autobauer Ford im dritten Quartal einen operativen Verlust von 2,98 Milliarden Dollar eingefahren. Der Nettoverlust habe rund 129 Millionen Dollar nach 380 Millionen Dollar vor Jahresfrist betragen, teilte der Konzern am Freitag mit.

Rund 25 Milliarden Dollar bräuchten die Hersteller, um zahlungsfähig zu bleiben, berichtete die Finanznachrichtenagentur Bloomberg am Freitag. Noch einmal so viel Geld sei akut für Beiträge zur Krankenversicherung der Beschäftigten nötig. Das Kapital könne unter anderem durch zinsgünstige Notenbankkredite gewährt werden, hieß es unter Berufung auf Insider. Im Gegenzug hätten die Hersteller eine Beteiligung des Staates an den Konzernen angeboten. Sowohl GM als auch Ford dementierten Insolvenzgerüchte.

Nur Porsche strotzt vor Kraft

Die Absatzkrise trifft auch die deutschen Autohersteller. So machten die von Finanzkrise und Wirtschaftsflaute verunsicherten Autokäufer um die hochpreisigen Modelle von Daimler und BMW weiter einen großen Bogen. Daimler  verkaufte im Oktober weltweit 18 Prozent weniger Autos als vor einem Jahr, wie der Konzern am Freitag mitteilte. BMW   kam etwas glimpflicher davon: Die Verkaufszahlen schrumpften um acht Prozent. BMW verabschiedete sich vor wenigen Tagen nach einem überraschend schwachen dritten Quartal von seiner Absatzprognose ebenso wie von seinem Gewinnziel. Die Pkw-Produktion kürzt BMW um mindestens 65.000 Einheiten.

Bei Daimler liegt der der Pkw-Absatz nach zehn Monaten mit gut einer Million nur noch marginale 1,6 Prozent über dem Wert vor Jahresfrist. Dafür sorgt vor allem der spritsparende Kleinwagen Smart, der aber nur wenig Gewinn abwirft. Wegen der seit dem Sommer herrschenden Absatzflaute bei Mercedes-Benz haben sich die Stuttgarter von ihrem Ziel verabschiedet, den Absatzrekord des Vorjahres von 1,29 Millionen Pkw 2008 zu überbieten.

Seit Wochen stehen die Bänder in den Werken tageweise still, die üblicherweise zwei Wochen dauernde Betriebsruhe über den Jahreswechsel wird verdoppelt. Noch zu Jahresbeginn hatte Daimler-Chef Dieter Zetsche keinen Zweifel daran gelassen, dass 2008 ein gutes Jahr werde. Premiummodelle blieben auch im Abschwung gefragt, hatte er prophezeit. Mittlerweile drückt der flaue Absatz massiv auf das Mercedes-Ergebnis. Die einstige Ertragsperle wird im laufenden vierten Quartal nahezu keinen Gewinn abwerfen.

Völlig unbeeindruckt von der Finanzkrise und der taumelnden Konjunktur zeigt sich dagegen Porsche  : Wegen der Beteiligung an Europas größtem Autobauer stieg der Porsche-Gewinn im abgelaufenen Geschäftsjahr 2007/08 auf 8,57 Milliarden Euro - rund drei Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Der Überschuss kletterte von 4,24 Milliarden auf 6,39 Milliarden Euro. Die Erlöse betrugen 7,46 Milliarden Euro - im Vorjahr waren es noch 7,4 Milliarden Euro. Damit hat der Sportwagenbauer einen Vorsteuergewinn erzielt, der höher ist als der Umsatz.

cvk/Reuters/dpa-AFX

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