Massenentlassung in Bochum EU-Kommissar Barroso verteidigt Nokia

Das Nokia-Werk in Bochum wird zum europäischen Politikum: Die Bundesregierung will prüfen, ob Nokia für die Verlagerung der Handy-Produktion nach Osteuropa EU-Mittel bekommen hat. Kommissionspräsident Barroso weist den Vorwurf zurück - findet den Umzug nach Osteuropa aber richtig.

Berlin - Auch in der Bundesregierung ist man entsetzt über die plötzliche Schließung des Nokia-Werks in Bochum - nun will man wenigstens sicher gehen, dass die geplante Verlagerung der Produktion nach Osteuropa nicht auch noch mit EU-Mitteln gesponsert wird. "Wir werden jetzt gemeinsam mit der EU-Kommission prüfen, ob diese Verlagerung des Standortes mit Mitteln des EU-Strukturfonds gefördert worden ist", erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Hartmut Schauerte. Das verneinte die EU-Kommission kurze Zeit später. Möglich sei aber, dass der Aufbau der Infrastruktur am neuen Standort der Handy-Produktion von Hilfen vor Rumäniens EU-Beitritt profitiert habe, sagte eine Sprecherin. Der Umfang werde noch geprüft.

Schauerte warf Nokia vor, das Unternehmen habe es "trotz erheblicher öffentlicher Unterstützung" nicht verstanden, das Potential des Standorts Deutschland zu erschließen. Der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen hatten den Standort mit mehr als 80 Millionen Euro gefördert.

Das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium lässt bereits prüfen, inwiefern Fördergelder des Landes zurückverlangt werden können. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers warnte Nokia vor einem möglichen Imageschaden, wenn in Deutschland der Eindruck entstehe, dass es sich bei dem Unternehmen "um so etwas wie eine Subventionsheuschrecke" handle. Deutschland sei einer der größten Handy-Märkte der Welt, fügte er hinzu.

Nokia hatte gestern überraschend angekündigt, das Werk in Bochum zu schließen und bis zu 2300 Arbeitnehmer zu entlassen. Nach Informationen der "Rheinischen Post" sind zudem 1000 Stellen bei Zulieferbetrieben in der Region und weitere 1000 Leiharbeiter betroffen. Der finnische Handy-Hersteller will die Produktion nach Ungarn, Rumänien und Finnland verlegen.

Eine Entscheidung, die auch SPD-Chef Kurt Beck in einer Mitteilung als inakzeptabel geißelt. Angesichts der Fördergelder, die geflossen seien, würden nicht nur die Arbeitnehmer im Stich gelassen, sondern auch die Steuerzahler ausgenutzt. "Der Verbraucher erwartet von einem Unternehmen, das in Deutschland produziert und dessen Produkte er kauft, zu Recht Verantwortung für den Standort." Für die Nokia-Konzernleitung stehe offenbar nur hemmungslose Gewinnmaximierung im Vordergrund. "Die Menschen, die ihre ganze Arbeitskraft in den Erfolg des Unternehmens investiert haben, sind ihr egal."

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso wies die Kritik an Nokia zurück. "Wenn eine Verlagerung von Finnland nach Deutschland möglich ist, dann muss auch eine Verlagerung von Deutschland nach Rumänien möglich sein", sagte er im Europaparlament in Straßburg. Wesentlich sei, dass die Produktion nicht in Länder außerhalb der EU verlagert werde.

Barroso ergänzte aber, die EU habe die geplante Werksverlagerung keineswegs bezuschusst. Dafür Mittel aus dem EU-Strukturfonds bereitzustellen, wäre "inakzeptabel". Schauerte betonte, die Bundesregierung stehe für Gespräche jederzeit zur Verfügung, sollte Nokia bereit sein, die Schließung des Werks in Bochum noch einmal zu überdenken.

ase/ssu/AFP/AP/dpa/ddp

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