Konkurse Mehr als gute Worte
Vom Aufschwung Ost ist in der Großen Steinstraße in Halle wenig zu spüren. Von den Häusern rieselt der Putz. Überall klaffen häßliche Baulücken. Das holprige Kopfsteinpflaster wirkt, als sei die Zeit stehengeblieben.
Nur das Gebäude mit der Hausnummer 74 sieht freundlicher aus. Früher war es eine triste Konsum-Zentrale, heute ist dort ein modernes Immobilienbüro untergebracht, das Gebäude und Grundstücke des Konsum verwertet. Der nämlich ist pleite.
Konkursverwalter ist der Münchner Baron Siegfried von Hohenhau, 43. Ihm gehörte die Immobilienfirma bis vor einem Jahr, doch nachdem die Behörden Bedenken anmeldeten, verkaufte er das Unternehmen.
Das wird ihm leichtgefallen sein, der Job in Halle lohnt auch so: Die Justiz bewilligte dem adligen Anwalt eines der üppigsten Honorare, die jemals einem Zwangsverwalter gezahlt wurden.
Für gut eine Woche Arbeit erhielt der in der Insolvenzpraxis ungeübte Baron alles in allem 12,7 Millionen Mark. Soviel kassieren sonst nicht einmal Branchenstars wie der Stuttgarter Pleitenspezialist Volker Grub oder sein HeidelbergerKollege Jobst Wellensiek. Die erstaunliche Entlohnung ist seither Stadtgespräch in Halle. Und die Staatsanwaltschaft hat gegen den adligen Anwalt sowie einen seiner Aufseher, den Konkursrichter Jan-Dirk Dreßler, 33, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Hohenhau, so der Verdacht, könnte nicht nur gute Worte eingesetzt haben, um den lukrativen Auftrag zu ergattern. Die Abwicklung des Konsum-Ablegers in Halle mit einstmals rund 20 000 Beschäftigten gilt derzeit als größter Insolvenzfall in der Bundesrepublik Deutschland.
Konkursfälle in den neuen Ländern haben viele Anwälte aus dem Westen angelockt. Hier sehen sie noch Chancen, überhaupt an interessante Aufträge heranzukommen.
Ostdeutsche Pleitebetriebe haben zumeist mehr Vermögen als vergleichbare westdeutsche Firmen. Für die Bestatter bleibt so mehr hängen: Ihr Honorar richtet sich nach der verbliebenen Masse. Sie umfaßt Gebäude, Grundstücke und alles, was sich sonst noch zu Geld machen läßt.
Der im vorliegenden Fall zuständige Konkursrichter Dreßler war dem großspurig auftretenden Anwalt von Anfang an nicht gewachsen. Der Mann gefiel ihm, er traf sich privat mit ihm und brüstete sich gegenüber Bekannten mit seinem guten Verhältnis zu dem älteren Adligen.
Selbst mit Hohenhaus Sohn freundete Dreßler sich an. Die beiden Männer verbrachten einen Kurzurlaub auf Elba und besuchten dort auch die Eltern des Barons. »Wen meine Eltern bei sich beherbergen«, so Konkursverwalter Hohenhau, »ist doch ihr Bier.«
Zu Dreßlers Vorgesetzten pflegte der Baron ebenfalls beste Beziehungen. Bereits vor Beginn des Verfahrens überließ er dem Kreisgericht Halle unentgeltlich ein Faxgerät, einen Fotokopierer und EDV-Geräte nebst einem eigens von ihm entwickelten Computerprogramm. Der Bayer stellte dem Gericht sogar ein Auto zur Verfügung. Die Behörden mußten nur das Benzin bezahlen. Dies alles geschah zwar schon deutlich vor dem Konkursverfahren der Konsum und war auch keineswegs unüblich. Geschadet haben wird das alles aber wohl nicht.
Dreßler ist mittlerweile nicht mehr Konkurskontrolleur. Gegen den geschäftstüchtigen Verwalter werden auch seine Nachfolger allerdings wenig ausrichten können: Ohne triftigen Grund können sie den Verwalter nicht ablösen.
Seine horrende Vergütung ist dem cleveren Bayern so leicht nicht mehr zu nehmen. Hohenhau ist bislang der einzige Konkursverwalter im Bezirk Halle, dessen Honorar im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde. Änderungen sind danach kaum mehr möglich.
Der Zeitpunkt war günstig gewählt. Die Meldung im Bundesanzeiger erschien Ende Juli, auf dem Höhepunkt der Urlaubssaison. Als die Gläubiger aus den Ferien zurückkamen, war es für Proteste schon zu spät.
Anm. d. Red.:
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Halle gegen Siegfried von Hohenhau wegen Vorteilsgewährung u.a. wurden im November 1994 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Vorwürfe hatten sich als unberechtigt herausgestellt.
Ebenso wurde das Verfahren gegen den Konkursrichter Jan-Dirk Dreßler im Jahr 1995 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
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Aus rechtlichen Gründen wurde dieser Artikel nachträglich bearbeitet.
aus DER SPIEGEL 50/1983