Merrill-Lynch-Übernahme Washington soll Bankmanager gedroht haben

Geheime Treffen, Drohungen und eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit: Ein US-Staatsanwalt untersucht die politischen Hintergründe der Merrill-Lynch-Übernahme durch die Bank of America. Im Fadenkreuz stehen Konzernchef Lewis, Ex-Finanzminister Paulson - und Notenbankchef Bernanke.

New York - Der Chef der Bank of America  , Kenneth Lewis, soll massivem politischen Druck ausgesetzt gewesen sein. US-Notenbankchef Ben Bernanke und der damalige Finanzminister Henry Paulson sollen den Manager im vergangenen Jahr vor die Wahl gestellt haben, den vom Staat gewünschten Einstieg bei der schwer angeschlagenen Investmentbank Merrill Lynch  zu akzeptieren - oder seinen Job zu verlieren. Dies sagte New Yorks Generalstaatsanwalt Andrew Cuomo am Donnerstag.

In einem Brief an einen Kongressausschuss und an die US-Börsenaufsicht SEC erklärt Cuomo, Paulson und Bernanke hätten sich Mitte Dezember mit Lewis in Washington getroffen, weitere Gespräche seien gefolgt. Die SEC - deren Aufgabe es ist, die Interessen der Aktionäre zu schützen - "scheint über diese Zusammenkünfte nicht informiert worden zu sein", erklärt Cuomo.

Dabei hatte die Spitzenrunde Schwerwiegendes besprochen. "Während der Treffen haben die Vertreter der Regierung die Bank of America unter Druck gesetzt, das Übernahmeabkommen (mit Merrill Lynch) nicht anzufechten", schreibt Cuomo. Von der Rolle der Notenbank Fed und ihrem Chef Bernanke "haben wir noch kein komplettes Bild", erklärt der Staatsanwalt weiter.

Ein Sprecher des früheren Finanzministers Paulson sagte am Donnerstag, das Ministerium und die Notenbank seien damals davon ausgegangen, dass die Bank of America den Merrill-Deal aus rechtlichen Gründen gar nicht mehr hätte abblasen dürfen.

Lewis ist bei den eigenen Aktionären unbeliebt

Lewis selbst bezeugte in einer von Cuomo geleiteten Untersuchung, dass Paulson die Merrill-Übernahme schnell abwickeln wollte, "um ein Desaster auf den Finanzmärkten zu verhindern". Lewis sagte außerdem aus, dass ihn Paulson und Bernanke unter Druck gesetzt hätten, damit er kein Wort über die Verluste von Merrill Lynch verliere. Diese hatten sich im Dezember innerhalb weniger Tage von neun auf zwölf Milliarden Dollar erhöht. Das Gesamtjahresminus summierte sich schließlich auf 15 Milliarden Dollar.

Die Notenbank widerspricht dieser Darstellung. "Niemand in der Federal Reserve hat Ken Lewis oder die Bank of America in Fragen der Offenlegung zu irgendetwas angewiesen", sagte eine Fed-Sprecherin. Die SEC erklärte hingegen, sie habe die Umstände des Zusammengehens der Bank of America mit Merrill Lynch genau untersucht. Die Aussagen in Cuomos Brief seien Teil der Ermittlungsergebnisse.

Die Bank of America gab am 21. Dezember ihre Versuche auf, die Übernahme von Merrill Lynch noch zu stoppen. Später erhielt sie zusätzliche Staatshilfen, erklärt Cuomo. Diese Details seien nur dadurch bekanntgeworden, weil die Staatsanwaltschaft die Umstände der milliardenschweren Bonuszahlungen an ehemalige Merrill-Manager untersucht habe.

Die Enthüllung dürfte den Druck auf Lewis noch erhöhen. Die Hauptversammlung der Bank of America findet am 29. April statt. Mehrere Aktionäre drängen auf die Ablösung des ungeliebten Unternehmenschefs. Damit würde dann vollzogen, was Lewis schon im Dezember drohte - der Rausschmiss.

Nach eigenen Angaben setzte ihn damals Paulson unter Druck. Falls er, Lewis, den Merrill-Deal ablehne, würde die Regierung den Vorstand der Bank austauschen. "Die Drohung des Finanzministers hat Lewis beeinflusst", fasst Staatsanwalt Cuomo zusammen. Paulson wiederum habe nach eigenen Angaben im Auftrag von Fed-Chef Bernanke gehandelt.

Lewis konnte nur deshalb unter Druck gesetzt werden, weil die Bank of America selbst von Staatshilfe abhängig war. Kritiker lassen dies jedoch nicht als Entschuldigung gelten. "Ken Lewis ist in erster Linie seinen Aktionären verpflichtet", erklärt Beth Young von der Corporate Library. "Er ist Treuhänder der Firma - nicht der US-Ökonomie im Ganzen." Falls die Regierung ihn austauschen wollte, "hätte er dies geschehen lassen müssen."

wal/Reuters
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